Suche nach Alternativen zu Tierversuchen in der Forschung wird weiter gefördert3. Februar 2023 Foto: © Karin Kaiser/MHH Ein Forschungsverbund unter Leitung der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) entwickelt chip-basierte Ersatz- und Ergänzungsmethoden, um Tierversuche zu vermeiden. Dafür erhält er 3,6 Millionen Euro Anschlussförderung. Ersatz- und Ergänzungsmethoden für Tierversuche zu entwickeln und damit Tierversuche zu vermeiden, ist das Ziel des Forschungsverbunds „Micro-Replace Systems“ unter der Leitung von Prof. André Bleich, Direktor des Institutes für Versuchstierkunde der MHH, und Prof. Maren von Köckritz-Blickwede von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover. 2017 startete das Projekt unter dem Namen „R2N – Replace und Reduce aus Niedersachsen“ mit Unterstützung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur (MWK). Dabei wurden vor allem Methoden erforscht, die Versuche am lebenden Tier durch Untersuchungen an Organmodellen und durch Forschung an Zellkulturen ersetzen. Der nun aus R2N initiierte Forschungsverbund besteht aus zwölf Arbeitsgruppen der MHH, der Tierärztlichen Hochschule Hannover und der Technischen Universität Braunschweig und erhält vom MWK eine Anschlussförderung in Höhe von 3,6 Millionen Euro für weitere drei Jahre. Zudem ist eine Internetseite eingerichtet worden, das 3R-Portal. Sie informiert mit spannenden Interviews, Factsheets und Info-Grafiken über den aktuellen Stand der Forschung zur Vermeidung, Verminderung und Verbesserung von Tierversuchen. Stammzellen wachsen zu Mini-Organen Der Verbund beschäftigt sich vor allem damit, Tierversuche in der Grundlagenforschung zu reduzieren. „Gerade dort sind die Tierversuchszahlen seit Jahren konstant, während sie in anderen Forschungsbereichen sinken“, erklärt Bleich. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit konnten aber bereits verschiedene Alternativmodelle zur Verwendung in der biomedizinischen Forschung entwickelt werden. „Diese Systeme werden auch schon eingesetzt, etwa in der COVID-19-Forschung“, sagt der Wissenschaftler. Forschungsschwerpunkte der ersten Förderperiode waren zum Beispiel die tierversuchsfreie Sicherheitsbewertung von Gentherapien oder artfremden Transplantaten, der Verdauungstrakt – besonders die Mundschleimhaut, Darm und Leber – sowie die oberen und unteren Atemwege. Hier wurde besonders die Forschung mit adulten und induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSC) weiterentwickelt. iPSC sind biotechnologisch „zurückprogrammierte“ Zellen mit der Eigenschaft, sich unbegrenzt teilen und zu jeder gewünschten Körperzelle heranbilden zu können. Auf Basis der Stammzellen wurden Organoid-Systeme entwickelt. Auf einem speziellen Chip aufgebracht, können aus den Zellen die Kleinstorgane entstehen und über winzige Schläuche und Kanäle mit Nährstoffen versorgt werden. Aus Darmstammzellen haben die Forschenden etwa Mini-Därmen wachsen lassen, die für wissenschaftliche Untersuchungen genutzt werden können. Chip-Systeme: nachhaltig und wiederverwendbar Jetzt wollen die Forschenden ein neues, standardisiertes Chip-System entwickeln, auf dem sie die Wechselwirkung zwischen Darm- oder Atemwegszellen und Immunzellen beobachten können. Um das System möglichst naturgetreu nachzubilden, müssen auch die Kulturbedingungen angepasst werden. „Denn im Darm herrschen zum Beispiel andere Sauerstoffverhältnisse als etwa im Lungengewebe in der Atemluft“, sagt von Köckritz-Blickwede. „Es ist wichtig, dass wir die Untersuchungen unter realistischen Voraussetzungen vornehmen und bestmöglich auf die Wirklichkeit wie zum Beispiel im Falle einer Infektion übertragen können.“ Maßgeschneidert je nach Gewebetyp, den entsprechenden Lebensbedingungen und der jeweiligen wissenschaftlichen Fragestellung, sollen die Chip-Systeme vielseitig einsetzbar und zudem wiederverwendbar sein. Weiterhin soll eine neu entwickelte, von Blutgefäßen durchzogene Biomembran dafür sorgen, dass die verschiedenen Gewebe besser wachsen können und umfangreichere Untersuchungen zulassen. Für die Forschungsfragen werden spezielle tierversuchsfreie Antikörper entwickelt und eingesetzt. In einem übergreifenden Projekt werden die neuen Systeme dann intensiven Qualitätskontrollen unterzogen, damit sie möglichst für eine breite Nutzung übertragbar sind. Die Chip-Systeme sollen aber nicht nur mit menschlichen Stammzellen bestückt werden. Auch Tiermodelle wollen die Forschenden nachbilden. „Viele ganz grundsätzliche Untersuchungen in der Grundlagenforschung erfolgen am Mausmodell“, erklärt Bleich. „Gerade in diesem Bereich könnten wir durch unsere Chip-Systeme viele Versuche an lebenden Tieren vermeiden.“
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