Tabakentwöhnung mittels transkranieller Magnetstimulation: Wirksamkeit erstmals in großer Studie belegt22. Oktober 2021 Die tiefe transkranielle Magnetstimulation (deep TMS; dTMS) ermöglicht es, tiefer gelegene Gehirnregionen und somit mehr Neuronen zu erreichen. (Foto: © DGKN/A. Zangen/Brainsway Inc., Jerusalem, Israel) Als Behandlungsalternative zu pharmakologischen und verhaltenstherapeutischen Ansätzen zur Tabakentwöhnung wird die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) erforscht. In einer großen multizentrischen Studie hat sich diese nichtinvasive Methode der Hirnstimulation nun als wirksamer Ansatz bei der Behandlung der Tabakabhängigkeit erwiesen. „Das ist in Ergänzung zu den bisherigen Behandlungsoptionen bei Tabakabhängigkeit ein beachtliches Ergebnis“, kommentiert Prof. Walter Paulus von der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN). In den USA haben diese Ergebnisse bereits zur Zulassung der rTMS für die Behandlung von Raucherinnen und Rauchern geführt. Um zu beurteilen, welchen Stellenwert die Anwendung in Deutschland hat, bedarf es laut der DGKN weiterer Forschung. Wie die Fachgesellschaft berichtet, mehren sich seit Jahren die Hinweise, dass die rTMS über die Behandlung anderer psychiatrischer Leiden hinaus auch bei der Behandlung von Suchterkrankungen eine Rolle spielen könnte. Allerdings hätten die bisherigen Studien zumeist nur eine kleine Anzahl von Probandinnen und Probanden eingeschlossen, teilt die DGKN mit. An der nun in der Fachzeitschrift „World Psychiatry“ veröffentlichten Studie waren dagegen 262 Personen beteiligt, die an zwölf US-amerikanischen sowie an zwei israelischen Zentren rekrutiert wurden. Hierbei wurde eine spezielle Form der rTMS, die sogenannte deep TMS, eingesetzt. Dabei wird eine weniger fokal wirkende Stimulationsspule (H4 Spule) verwendet. „Das randomisierte und placebokontrollierte Design dieser Studie erfüllt die höchsten Standards und macht die Ergebnisse gegenüber früheren Untersuchungen belastbarer“, so die Einschätzung von Prof. Frank Padberg von der Psychiatrischen Uniklinik München, der das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte German Center for Brain Stimulation (GCBS) koordiniert. Magnetstimulation mit psychotherapeutischen Kurzinterventionen Alle Probandinnen und Probanden in der aktuellen Studie hatten mindestens einen erfolglosen Versuch der Tabakentwöhnung hinter sich. Bei zwei Dritteln der Teilnehmenden waren drei oder mehr Anläufe gescheitert. „Eine weitere Besonderheit der Studie ist, dass zusätzlich zu dieser speziellen Form der rTMS auch verhaltenstherapeutische Kurzinterventionen eingesetzt wurden“, erklärt Padberg. Unmittelbar vor der Behandlung wurden fünf Minuten lang suchtspezifische Symptome provoziert: Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer sollten sich die Auslöser ihres Suchtverlangens vorstellen und wurden mit einer Audiodatei und Bildern zum Rauchen konfrontiert. Danach erfolgte die Hirnstimulation (in jeder Sitzung 60 Einheiten von je 3 Sekunden Dauer mit jeweils 30 Pulsen) mittels einer Magnetspule, die über den Regionen des lateralen präfrontalen Kortex und der Inselrinde platziert wurde. Die Hälfte der Teilnehmenden wurde dabei aber nur zum Schein stimuliert – diese Placebogruppe diente zum Vergleich. Nach der Stimulation wurde ein Motivationsgespräch als zweiminütige Kurzintervention geführt. Sechs Wochen Behandlung mit 18 Sitzungen In den ersten drei Wochen erfolgte die Behandlung werktäglich, in den folgenden drei Wochen einmal wöchentlich. Nach 18 Wochen hatten es in der Gruppe der mit rTMS Behandelten laut Fragebogen 19,4 Prozent geschafft, mindestens vier Wochen durchgehend nicht zu rauchen, was die Forschenden mittels Urinproben auf Nikotinabbauprodukte kontrollierten. In der Vergleichsgruppe lag der Anteil bei lediglich 8,7 Prozent. Nach den ersten sechs Wochen hatten sich sogar 28 Prozent der mit rTMS Behandelten vom Verlagen nach Zigaretten befreien können, in der Placebogruppe waren es nur 11,7 Prozent. Durchschnittlich rauchten die Probandinnen und Probanden der Verumgruppe weniger Zigaretten und hatten ein vermindertes Verlangen danach. Zulassung in den USA bereits erteilt „Die Studie etabliert ein sicheres Behandlungsprotokoll zur Raucherentwöhnung durch die Stimulation relevanter Hirnregionen“, schreiben die Autorinnen und Autoren. Es sei die erste große, multizentrische, randomisierte, kontrollierte Studie zur Hirnstimulation in der Suchtmedizin, teilen sie mit. Für die US-amerikanische Food and Drug Administration waren die Daten ausreichend überzeugend, um diese rTMS-Methode erstmals als Hilfe bei der Raucherentwöhnung Erwachsener zuzulassen. „Da es sich um einen ganz speziellen rTMS-Ansatz handelt, ist das Verfahren hierzulande noch nicht einfach verfügbar. Zur genauen Beurteilung des Stellenwertes bedarf es – trotz der klaren Ergebnisse dieser Studie – weiterer Forschung“, betont Padberg.
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