TAVI oder Chirurgie? Europäische Studie vergleicht Klappenersatz bei Frauen

Die erste europäische Studie bei Frauen erlaubt eine fundierte Wahl der Methode beim Herzklappenersatz. Nikolaos Bonaros, Herzchirurg an der Medizinischen Universität Innsbruck, zeigt das Modell eines Herzklappenersatzes. (Foto: ©David Bullock/MUI)

Die klinischen Merkmale der schweren Aortenstenose unterscheiden sich zwischen den Geschlechtern, was auch die Behandlungsergebnisse beeinflusst. Einen direkten Vergleich zwischen kathetergestütztem und chirurgischem Aortenklappenersatz stellte nun die europäische Studie RHEIA an.

Frauen sind in prospektiven randomisierten Studien häufig unterrepräsentiert – so auch wenn es um das Thema Aortenklappenersatz geht. Im Vergleich zu Männern mit schwerer Aortenstenose unterscheiden sich die klinischen Merkmale bei Patientinnen mit der Herzklappenerkrankung jedoch. Beispielsweise weisen Frauen kleinere Aortenannuli und weniger Klappenverkalkungen, aber auch strukturelle und funktionelle linksventrikuläre Myokardveränderungen auf. Außerdem sind Frauen zum Zeitpunkt der Diagnose oft älter, haben stärkere Symptome und werden später zum Aortenklappenersatz überwiesen. Wenig überraschend kann dies die Ergebnisse eines chirurgischen (SAVR) oder Transkatheter-Aortenklappenersatzes (TAVI) beeinflussen.

Welche Option für Frauen besser ist, war bislang unklar. Als erste prospektive randomisierte Studie mit einem gendermedizinischen Fokus verglich RHEIA daher die Risiken und den Nutzen zwischen TAVI und SAVR bei Frauen mit schwerer Aortenstenose. Im Rahmen der Studie erhielten insgesamt 420 Frauen (Durchschnittsalter 73 Jahre) an 48 Zentren aus zwölf europäischen Ländern einen Klappenersatz – die Hälfte wurde chirurgisch, die andere Hälfte mit einer TAVI unter Verwendung einer ballonexpandieren Herzklappe der dritten Generation behandelt. Die Studienergebnisse erschienen im April im „European Heart Journal“.

TAVI überzeugt auf den ersten Blick

Je nach Alter und Risikoprofil der Patientinnen ergaben sich dabei Vor- und Nachteile der beiden Vorgehensweisen. So konnte für die TAVI mit Blick auf den primären Endpunkt aus Gesamtsterblichkeit, Schlaganfall und Rehospitalisierung nach einem Jahr eine Überlegenheit im Vergleich zur SAVR nachgewiesen werden. Getrieben war dies vor allem durch einen Vorteil bei den Krankenhauswiederaufnahmen: Während eine erneute Einweisung bei 5,8 Prozent der Patientinnen in der TAVI-Gruppe nötig wurde, war dies bei doppelt so vielen (11,4 %) in der SAVR-Gruppe der Fall.

„Dieses Ergebnis war erwartbar“, meint der chirurgische Studienkoordinator Nikolaos Bonaros von der Universitätsklinik für Herzchirurgie an der Medizinischen Universität Innsbruck, Österreich. „Eine Operation ist eine größere Manipulation am Gewebe, der Körper reagiert unmittelbar danach. Mehr Frauen hatten Pleuraergüsse oder Herzrhythmusstörungen, die gut behandelbar sind. Für die Patientinnen bedeuten diese wiederholten Krankenhausbesuche, auch wenn sie nur in den ersten Wochen nach dem Eingriff stattfinden, jedoch eine Einschränkung der Lebensqualität.“

Die anderen beiden Komponenten des primären Endpunktes unterschieden sich jedoch nicht wesentlich zwischen den Gruppen. So erlitten sieben Frauen nach TAVI und sechs Frauen nach SAVR (3,3 % vs. 3,0%) einen Schlaganfall. Ferner verstarben während der Nachbeobachtungszeit von einem Jahr zwei Patientinnen in der TAVI- und vier Patientinnen in der SAVR-Gruppe, davon jedoch nur jeweils eine Patientin an einer kardialen Ursache. Die gesammelten Resultate nach zwölf Monaten Beobachtungszeit würden zeigen, „dass beide Methoden exzellent für Frauen sind“, sagt Bonaros. 

Chirurgisches Verfahren hat auch Vorteile

In der Folge von TAVI war in der Studie allerdings mit 8,8 Prozent häufiger die Implantation eines Schrittmachers notwendig als nach der Operation (2,9 %). Der Grund ist, dass der Impulsgeber des Herz-Reizleitungssystems in unmittelbarer Nähe der Aortenklappe liegt. „Bei einem Eingriff mittels Katheter ist das Reizleitungssystem nicht erkennbar und kann daher abgedrückt werden. Wir Chirurgen sehen das System und setzen die Klappe so ein, dass kein Druck entstehen kann“, erklärt Herzchirurg Bonaros.

Auch die Funktion der Klappe in der Echokardiografie war für die chirurgischen Klappen besser. „Da TAVI über die alte, verkalkte Klappe gedrückt wird, ist sie nicht genau angepasst. Dadurch entsteht häufiger ein Rückfluss des Blutes. Die Prognose einer undichten Klappe, die nicht richtig schließt, ist schlechter. Dieses Ergebnis war nach der Operation besser“, erläutert der leitende Chirurg.

Individuelle Abwägung bleibt entscheidend

Diese Ein-Jahres-Ergebnisse können künftig bei den individuellen Abwägungen zur Wahl der Methode berücksichtigt werden. „Bei einer 70-Jährigen ohne Vorerkrankungen zählt, wie es ihr in den nächsten 15 Jahren geht. Man muss auf Langfristigkeit setzen und wird die klassische chirurgische Methode bevorzugen. Für eine Frau, die älter ist, oder bereits Vorerkrankungen wie Schlaganfall, Diabetes, Adipositas hat oder immobil ist, wird TAVI die bessere Methode sein. Wir können die Vor- und Nachteile der Interventionen für Patientinnen jetzt besser abgrenzen“, folgert Bonaros aus den Resultaten.

Die Auswertungen der RHEIA-Studie sind noch nicht abgeschlossen. Aktuell werden bereits die Ergebnisse für das Fünf-Jahres-Überleben gesammelt. Relevant wird auch der Outcome nach zehn Jahren sein.

(ah)