TechnikRadar 2021: Digitalisierung ändert das Arzt-Patienten-Verhältnis12. Juli 2021 Cover TechnikRadar 2021. Bildquelle: Körber-Stiftung Elektronische Patientenakte, Telemedizin, digitale Vernetzung der Akteure: Deutschland steigt großflächig in die Digitalisierung des Gesundheitssystems ein. Die Sicht der Beteiligten ist jetzt analysiert worden. Das TechnikRadar 2021 hat untersucht, was die betroffenen Stakeholder von der digitalen Transformation erwarten, wie sie die Chancen und Risiken bewerten und welche Zielkonflikte es gibt. Herausgeber des TechnikRadars sind acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, die Körber-Stiftung und das Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung der Universität Stuttgart (ZIRIUS). Das deutsche Gesundheitswesen steht vor einem tiefgreifenden Umbruch, da sind sich Ärzte sowie Vertreter von Krankenhäusern, Pharmaunternehmen und Patientenverbänden einig. Das zeigt das TechnikRadar 2021, das in diesem Jahr die Perspektiven gesundheitsrelevanter Stakeholder analysiert hat.Ärzte als „Informationsbroker“Die Experten gehen davon aus, dass sich im Zuge der digitalen Transformation das Arzt-Patienten-Verhältnis grundsätzlich wandelt: Die Ärzte entwickeln sich zu „Informationsbrokern“, die nicht nur selbst diagnostizieren, sondern auch weitere Informationen und Daten für die Patienten einordnen, bewerten und richtigstellen müssen. Den Patienten hingegen bietet die Digitalisierung die Chance, die eigene Souveränität zu stärken: Sie recherchieren in Gesundheitsfragen häufiger selbst, sind dadurch besser informiert und zunehmend mündiger. Die befragten Stakeholder befürchten durch diese neue Situation aber auch Ohnmachtserfahrungen und eine Entmenschlichung des Gesundheitssystems.Treiber dieses Wandels sind Gesundheitsdaten, die mit der Einführung der elektronischen Patientenakte und der digitalen Vernetzung des Gesundheitssystems schon bald in höherer Quantität und Qualität verfügbar sein werden. Patienten können diese Daten selbst verwalten und auch bestimmen, wofür sie genutzt werden. Ärzte haben dagegen die Möglichkeit, Daten mithilfe Künstlicher Intelligenz zu analysieren und abzugleichen – um am Ende bessere Diagnosen zu stellen und passgenauere Therapiemöglichkeiten abzuleiten. In diesem Zusammenhang betonen die befragten Experten jedoch, dass Algorithmen und Künstliche Intelligenz Mediziner nicht ersetzen können und dürfen. Vielmehr sollen sie unterstützend eingesetzt werden.Digital Health Literacy: Schlüsselkompetenz im künftigen Gesundheitswesen „Die digitale Transformation des Gesundheitswesens ist kein Selbstläufer“, kommentiert Cordula Kropp, wissenschaftliche Projektleiterin und Soziologin vom ZIRIUS. Sowohl Ärzte als auch Patienten benötigten digitale Gesundheitskompetenz – also Digital Health Literacy –, um das neue datenbasierte Wissen bewerten und nutzen zu können. „Je souveräner der Umgang mit digitalen Technologien gelingt, desto größer sind die Aussichten auf einen allgemeinen Zugewinn und mehr Selbstbestimmung.“ Datenqualität von essenzieller BedeutungSo müssten Patienten und Leistungserbringende beispielsweise darauf hingewiesen werden, dass Algorithmen mit Daten „trainiert“ werden. Seien diese Daten verzerrt, könne es zu Fehlbefunden kommen. Medizinische Studien würden beispielsweise zumeist an jungen, weißen, männlichen Probanden durchgeführt, vernachlässigten also Geschlecht, Alter und Ethnie. Wenn eine Künstliche Intelligenz auf Basis derartig verzerrter Daten Urteile fälle, müssten diese entsprechend hinterfragt und eingeordnet werden.„Gesundheitsrelevante Dienstleistungen, wie zum Beispiel der Einsatz von Algorithmen zur Diagnose oder Früherkennung von Krankheiten, haben ein großes Potenzial, vielen Menschen ein gesünderes und sichereres Leben zu ermöglichen“, meint Ortwin Renn, TechnikRadar-Projektleiter und acatech-Präsidiumsmitglied. Gleichzeitig sei es aber erforderlich, dass persönliche Daten geschützt und ihre kommerzielle Nutzung streng reguliert würden. „Wie wir Chancen nutzen, ohne die Risiken aus dem Blick zu verlieren, darüber sollten wir uns als Gesellschaft schon in einer möglichst frühen Phase von Innovationen verständigen“, empfiehlt Renn. Tatjana König, Vorstandsmitglied der Körber-Stiftung, macht deutlich: „Technischer Wandel ist nur mit den Menschen machbar. Sie müssen wissen, was auf sie zukommt, welche neuen Möglichkeiten, Fragen, Entscheidungen und Kompetenzen zukünftig erforderlich sind. Die digitale Transformation des Gesundheitswesens wird uns deshalb nur gelingen, wenn wir sie durch eine umfassende Aufklärung aller Bürgerinnen und Bürger begleiten und nicht zuletzt so einer möglichen Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken.“Weitere Informationen: https://www.acatech.de/publikation/technikradar-2021-stakeholderperspektiven
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