Telemedizin: Implantierbarer Chip ermöglicht kontinuierliches IOD-Monitoring

Die Entwicklung digitaler Anwendungen in der Augenheilkunde wird nach Einschätzung von DOG-Präsident Prof. Hagen Thieme “in Zukunft noch rasend Fahrt aufnehmen”. Illustration: © wladimir1804 – stock.adobe.com

In der Glaukom-Therapie zeichnen sich Fortschritte ab. So liefert ein implantierter Chip im Auge berührungslos zu jeder Tages- und Nachtzeit präzise Messdaten des Augeninnendruckes (IOD), der die Grundlage der Behandlung mit medikamentösen Augentropfen bildet. Zugleich prüfen Glaukomchirurgen weltweit neue minimalinvasive Operationstechniken, welche die bewährte Tropfentherapie in absehbarer Zukunft teilweise ersetzen könnten.

Die häufigste Form des Glaukoms ist das primäre Offenwinkelglaukom. Dabei sterben die Nervenfasern des Sehnervs langsam ab, im schlimmsten Fall droht Erblindung. Ein wichtiger Faktor bei diesem Prozess ist der IOD, der durch den Abfluss des Augenkammerwassers im Trabekelwerk des Auges reguliert wird: Ist der Abfluss dort gestört, erhöht sich der IOD und fördert so die Nervenschädigung. Um das Fortschreiten des Augenleidens aufzuhalten, werden meistens Augentropfen eingesetzt. Etwa eine Million Menschen leiden laut DOG hierzulande an der Erkrankung, jedes Jahr verlieren 1000 Deutsche aufgrund eines Glaukoms ihr Augenlicht.

Helfen Medikamente nicht, muss operiert werden. „Dafür steht uns seit 50 Jahren die Trabekulektomie zur Verfügung“, erläutert DOG-Präsident Prof. Hagen Thieme. Mit der Standard-Operation werden Strukturen am Auge so umgestaltet, dass ein künstlicher Abfluss für überschüssiges Kammerwasser entsteht. „Mit der Trabekulektomie können wir eine starke Drucksenkung erreichen“, erläutert der Direktor der Augenklinik am Universitätsklinikum Magdeburg. „Zu den Nachteilen zählen Komplikationen wie Blutungen, Sehverschlechterung und Vernarbung.“

Die neuen minimalinvasiven Methoden mit Mini-Implantaten sollen den Eingriff vereinfachen. Diesem Zweck dienen haardünne Röhrchen, die mithilfe eines Mikroskops durch einen kleinen Schnitt in die Abflusskanäle des Kammerwassersystems eingesetzt werden, um das gestaute Wasser aus dem Auge herauszuleiten. „Die Wissenschaft evaluiert diese neuen Verfahren derzeit weltweit“, berichtet Thieme. „Länge und Durchmesser der Röhrchen, aber auch der Implantationsort sind noch Gegenstand von Diskussionen.“ Dennoch sei jetzt schon absehbar, dass die Augenheilkunde in Zukunft eine patientenindividuelle Glaukomchirurgie mit mehreren Eingriffsmethoden anbieten werde, prognostiziert der Magdeburger Ophthalmologe.

Bislang unvorstellbare Fülle an Messdaten
Auch für die IOD-Messung sind neue Techniken in Entwicklung. So wurde in einer Studie ein wenige Millimeter großer Mess-Sensor getestet, der in einen Silikonring eingearbeitet ist und bei einer Katarakt-Operation mit der neuen Kunstlinse implantiert werden kann. Der Chip verbleibt dauerhaft im Auge und ermöglicht berührungslos eine Messung des IOD zu jeder Tages- und Nachtzeit. Dafür halten die Patienten ein Messgerät vor das Auge, das die Werte abruft, speichert und nebenbei den Chip mit Strom versorgt. Die Werte können telemedizinisch an die behandelnden Ärzte übermittelt werden.

„Der Chip lässt sich gut implantieren, wird gut vertragen und generiert eine Fülle an Messdaten, die jenseits unserer Vorstellungskraft gewesen ist“, berichtet Studienleiter Thieme. Bei keinem der 22 Studienteilnehmenden seien Komplikationen zu beobachten gewesen, kein Chip habe entfernt werden müssen. „Die Studie zeigte auch, dass dieses intensive Augeninnendruckmonitoring in einigen Fällen zu einer Korrektur der medizinischen Tropfentherapie führte“, so Thieme. Der Sensor könnte eine Option für Patienten sein, die sich mit Messungen schwertun und ohnehin vor einer Katarakt-Operation stehen. „Der Chip ist ein Beispiel für die Entwicklung digitaler Anwendungen in der Augenheilkunde, die in Zukunft noch rasend Fahrt aufnehmen wird“, resümiert der DOG-Präsident.