Tendinopathien an Handgelenk und Hand21. April 2023 Abb. 3: Radiale (3a) und fokussierte Stoßwellentherapie (3b) bei Strecksehnenentzündung im 4. Strecksehnenfach. Foto: Knobloch Im folgenden Beitrag gibt unser Autor einen Überblick zu neuen Therapieoptionen für Tendinopathien an Handgelenk und Hand mittels extrakorporaler Stoßwellentherapie (ESWT). Die ESWT ist eine nichtinvasive Therapieform, die über akustische Wellen bestimmter Energie und Frequenz über eine Mechanotransduktion im Zielgewebe unter anderem über Mechanorezeptoren eine biologische Antwort erzielt. Während die Behandlung von kaliberstärkeren Sehnen an der Schulter (Supraspinatussehne, Lange Bizepssehne, Subscapularissehne), dem Ellenbogen (Sehne M. ext. carpi radialis longus, Sehne M. flexor carpi ulnaris), dem Knie (Patella- und Quadricepsehne) sowie dem Fuß (Achillessehne, plantare Faszie) seit den 1990er-Jahren eine Standardindikation der Stoßwellentherapie darstellt, ist die Sehnentherapie an der Hand erst im letzten Jahrzehnt genauer studiert und angewendet worden. Die Entwicklung von Small-parts-Hockeysticklinearultrasonden (Abb. 1) ist gerade bei der Beugesehnensonographie der Hand insbesondere bei A1-Ringbandstenosen in der dynamischen Sonographie von immensem Vorteil, sodass die Verdickung der oberflächlichen und/oder tiefen Beugesehne sowie die Einklemmung derselben unter dem A1-Ringband visualisiert werden kann.Moderne Ultraschallverfahren wie die Power-Doppler-Sonographie mit der jüngsten Verfeinerung des „superb microvascular imagings (SMI)“ erlauben die Visualisierung der Inflammation der Sehne und deren quantitative Erfassung beispielsweise mit dem Vascular Index. Die Scherwellenelastographie kann weitere Informationen zur Elastizität beziehungsweise Steifigkeit einer Handbeuge- oder -strecksehne liefern, sodass mit der modernen Sonographie ein sehr genaues Bild der Sehnenpathologie an der Hand und dem Handgelenk gezeichnet werden kann. Eine exakte Diagnose ist die Basis für eine gezielte Therapie, dies gilt naturgemäß auch für die Beuge- und Strecksehnen der Hand. Die häufigsten Sehnenpathologien der Hand betreffen die A1-Ringbandstenose als Beugesehnenpathologie und die De Quervain-Tendinopathie des ersten Strecksehnenfachs sowie die Tendovaginitis des vierten Strecksehnenfaches der Sehne des M. ext. digitorum communis. A1-Ringbandstenose Die A1-Ringbandstenose ist Folge einer Verdickung der oberflächlichen und/oder der tiefen Langfingerbeugesehne beziehungsweise der Flexor-pollicis-longus-Sehne des zweigliedrigen Daumens. Typisch ist die morgendliche Steifigkeit der betroffenen Langfinger mit Verklebungen der Beugesehne über Nacht mit dem Peritendineum mangels nächtlicher Bewegung sowie mitunter das Schnellen des verdickten Sehnenknotens unter dem A1-Ringband. Sonographisch kann dies mit den hochfrequenten Hockeysticksonden (bis 22 MHz Auflösung) sehr genau dynamisch visualisiert werden (Abb. 1). Abb. 1: Canon-Hochfrequenz-Hockeysticksonde mit 22 MHz. Mit freundlicher Genehmigung von Canon. Etwaige A1/A2-Ringbandganglien können zusätzlich detektiert werden. Eine peritendinöse Flüssigkeitsvermehrung geht damit häufig einher. Bei längerfristiger Persistenz der Beschwerden kann sich eine fixierte Ringbandstenose durch langstreckige Verklebung der verdickten Beugesehne mit dem Paratenon und den Ringbändern ausbilden, die sich sonographisch dynamisch ebenfalls sehr gut visualisieren lässt. Die Stoßwellentherapie kann in Analogie zu den beschriebenen Effekten an den kaliberstärkeren Sehnen positive Effekte auf die Sehnengesundheit auslösen. Während insbesondere Anfang der 2000er-Jahre die Angiogeneseförderung experimentell durch die Stoßwellentherapie im Fokus stand, erscheinen heute aus meiner Sicht die folgenden Effekte der ESWT an der Sehne maßgeblich für den klinischen Erfolg: antiinflammatorischer Effekt mit Reduktion der Neovaskularisation Erhöhung des Lubricinspiegels in der Sehnenscheide Stammzellaktivierung. Die Stoßwellentherapie differenziert die radialen Druckwellentechniken, die ähnlich einer Luftpistole mechanisch funktionieren, von der fokussierten Stoßwellentherapie, die je nach Generator elektrohydraulisch, piezoelektrisch oder elektromagnetisch erzeugt wird. Sie unterscheiden sich in der erzeugten Energie und mithin der Eindringtiefe sowie in der Frequenz voneinander. Durch die oberflächliche Verortung der Sehnen der Hand sind für beide Techniken positive Studien in der Literatur belegt. Für die A1-Ringbandstenose liegen mithin fünf klinische Studien vor, seit der Erstpublikation in 2014. In drei Kohortenstudien wurde radial therapiert (1,4–2 bar, 5 Hz, 2000 Impulse, 5–8 Sitzungen), in einer randomisierten kontrollierten Studie nur radial (2,1 bar, 1000 Impulse), eine weitere Kohortenstudie behandelte radial (2,1 bar, 15 Hz, 1000 Schuss) versus fokussiert (0,1 mJ/mm2, 4 Hz, 500 Schuss). Malliaropoulos beschreibt den Einfluss der Beschwerdedauer vor radialer ESWT auf die Erfolgswahrscheinlichkeit: Bei weniger als drei Monaten Beschwerdedauer war er mit fünf radialen ESWT-Sitzungen erfolgreich, bei einer Beschwerdedauer von zwölf Monaten und mehr benötigte er acht radiale ESWT Sitzungen. Ich persönlich kombiniere die radiale ESWT (0,7–1,2 bar, 8 Hz, 2000 Impulse pro betroffenem Finger, Atlas Applikator) mit der fokussierten ESWT (elektromagnetisch, 0,03–0,07 mJ/mm2, 2000 Impulse) mit für gewöhnlich drei Sitzungen im wöchentlichen Abstand. Der Wirkeintritt ist klinisch nach sechs bis acht Wochen nachhaltig erkennbar. Für eine Übungstherapie bei A1-Ringbandstenose gibt es keine Evidenz. Im Gegensatz zu den Erfahrungen zum Beispiel an der Achilles- und Patellasehne würde ein exzentrisches Training den Sehnenquerschnitt erhöhen und damit bei der A1-Ringbandstenose eher kontraproduktiv den Diameter vergrößern. Strecksehnenentzündung im 4. Strecksehnenfach In Analogie zur Beugeseite stellt sich die häufige Strecksehnenentzündung im 4. Strecksehnenfach mit peritendinöser Flüssigkeit und oft auch klinischer Schwellung über dem Handgelenk im 4. Strecksehnenfach dar (Abb. 2). Abb. 2: Strecksehnenentzündung im 4. Strecksehnenfach mit peritendinöser Flüssigkeit mit einem 24 MHz-Hochfrequenzmatrixschallkopf in der kurzen Achse. In Analogie zur Beugeseite kann die kombinierte Stoßwellentherapie radial (Abb. 3a) wie fokussiert (Abb. 3b) in typischerweise drei Sitzungen hier eine Beschwerdelinderung mit Abschwellung erzielen. Abb. 3: Radiale (3a) und fokussierte Stoßwellentherapie (3b) bei Strecksehnenentzündung im 4. Strecksehnenfach. Foto: Knobloch Dies sollte zum Beispiel durch eine Kompressionstherapie und eine Übungstherapie mit dem TheraBand-FlexBarstab kombiniert werden. De-Quervain-Tendinopathie Die Strecksehnenentzündung im 1. Strecksehnenfach der Sehnen des M. abductor pollicis longus (APL) und des M. ext. pollicis brevis (EPB) trägt den Eigennamen von Fritz de Quervain (Basel 1895). Sonographisch sind, wie auch an der Achilles- und Patellasehne, Neogefäße nachweisbar, neben der peritendinösen Flüssigkeitsansammlung (Knobloch et al. 2007) (Abb. 4). Abb. 4: Neogefäße im 1. Strecksehnenfach (lange Achse) bei De Quervain Tendinopathie visualisiert mit dem superb microvascular imaging (SMI) Modus mit Quantifizierung durch den Vascular Index. Im 1. Strecksehnenfach kommt es dann typischerweise am Tunnelausgang zu einer schmerzhaften Kompression, die das klinische Finkelsteinzeichen auslöst. Die kombinierte radiale und fokussierte Stoßwellentherapie kann auch am 1. Strecksehnenfach in Analogie zum vierten Strecksehnenfach die Schmerzen nach drei Sitzungen verbessern helfen. Literatur beim Autor. Autor: Prof. Dr. Karsten Knobloch, FACSGeneralsekretär DIGEST, Vizepräsident ISMSTSportPraxis Prof. Dr. Karsten KnoblochHeiligerstr. 3, 30159 HannoverE-Mail: [email protected]www.sportpraxis-knobloch.de Vortrag auf dem VSOU-Kongress:Session am Donnerstag 27.04.08:30–10:00 UhrKongress-Saal 3 (2.OG)
Mehr erfahren zu: "Praxen können teils noch nicht mit E-Akten starten" Praxen können teils noch nicht mit E-Akten starten Am 1. Oktober beginnt eine entscheidende Stufe der Digitalisierung im Gesundheitswesen: Praxen müssen Befunde dann in die elektronische Patientenakte laden. Doch bei manchen lässt die Technik auf sich warten.
Mehr erfahren zu: "Molekulare Phage-Wirt-Beziehung entschlüsseln" Molekulare Phage-Wirt-Beziehung entschlüsseln Ein Schritt weiter in Richtung therapeutische Anwendung: Würzburger Forschenden sind Einblicke in molekulare Welt zwischen Phagen und Bakterien gelungen, die es ermöglichen, in die Vermehrung von Phagen gezielt einzugreifen.
Mehr erfahren zu: "Vom Schonprogramm zum Trainingsplan – Bewegung als Schlüssel in der Rheumatherapie" Vom Schonprogramm zum Trainingsplan – Bewegung als Schlüssel in der Rheumatherapie Lange galt für Patienten mit Rheuma: schonen statt trainieren. Inzwischen ist klar, dass regelmäßige, angepasste Bewegung ein zentraler Bestandteil der Behandlung ist – mit positiven Effekten auf Krankheitsaktivität, Schmerzen, Muskelkraft […]