Theodor-Frerichs-Preis der DGIM: Preiswürdige Krebsforschung im Bereich der Tumorgenetik15. Juni 2020 Grafik: © 4th Life Photography/Adobe Stock Meist sind es mehrere Mutationen im Zell-Erbgut, die der Entstehung einer Krebszelle vorausgehen. Besonders häufig entstehen solche genetischen Veränderungen, wenn die Reparaturmechanismen der DNA defekt sind – sie tragen normalerweise dafür Sorge, dass Fehler beim Kopieren des Erbguts, die etwa durch Bestrahlung oder durch Gifte auftreten, sofort korrigiert werden. Zwei Forschungsarbeiten, die sich auf ganz unterschiedliche Weise mit defekten DNA-Reparaturproteinen, der dadurch entstehenden Instabilität des Erbguts und dem Zusammenhang mit Krebsleiden beschäftigen, wurden nun mit dem Theodor-Frerichs-Preis der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) ausgezeichnet. Die höchste wissenschaftliche Auszeichnung der Fachgesellschaft ist mit 30.000 Euro dotiert, das Preisgeld wird geteilt. Die erste Arbeit wurde von Dr. Ron Daniel Jachimowicz eingereicht, der die zugrundeliegenden Experimente noch im Labor von Prof. H. Christian Reinhardt an der Klinik I für Innere Medizin in Köln durchführte. Mittlerweile leitet Jachimowicz eine eigene Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln und ist weiterhin als Arzt in der Klinik I für Innere Medizin an der Uniklinik Köln tätig. Verlust von UBQLN4: Verzögerte Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen Im Rahmen seiner Forschungsarbeit ist es ihm gemeinsam mit Kollegen gelungen, ein Protein zu identifizieren, das bei der Reparatur von DNA-Schäden eine wichtige Rolle spielt. Der Verlust von UBQLN4, so der Name des Proteins und des dazugehörigen Gens, führt zu einer verzögerten Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen. Bei zwei Familien mit einem erblichen Genominstabilitätssyndrom fanden die Forscher Mutationen im UBQLN4-Gen, mit der Folge schwerer Entwicklungsverzögerungen und Beeinträchtigungen bei betroffenen Kindern. Die DNA-Reparatur ist ein exakt orchestrierter Prozess – und auch ein Zuviel an UBQLN4 kann, wie Jachimowicz und seine Kollegen herausfanden, schädliche Folgen haben. Offenbar werden Doppelstrangbrüche unter dem Einfluss besonders hoher UBQLN4-Aktivität zwar schnell, aber oft fehlerhaft repariert, sodass sich Mutationen anhäufen. Bei Zellen verschiedener Krebstypen fand der Preisträger eine deutliche Korrelation zwischen der UBQLN4-Aktivität und der Aggressivität des Tumors: Eine hohe Expression des neu entdeckten Reparaturproteins ging mit einer geringeren Überlebenszeit der Patienten einher, machte die Tumorzellen aber bei In-vitro-Versuchen zugleich empfindlicher gegenüber einer Behandlung mit PARP-Inhibitoren. „Aus diesen Forschungsergebnissen könnten sich neue diagnostische und therapeutische Optionen bei der Krebsbehandlung ergeben“, sagt Prof. Jürgen Floege, Direktor der Klinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten an der Uniklinik RWTH Aachen und Vorsitzender der DGIM 2019/2020. Nachweis von Mikrosatelliten-Instabilität in histologischen Präparaten Auch die zweite prämierte Arbeit befasst sich mit der genetischen Instabilität, die Tumorzellen häufig aufweisen. Eingereicht wurde sie von Dr. Jakob Nikolas Kather, der eine Arbeitsgruppe an der Medizinischen Klinik III der Uniklinik RWTH Aachen leitet. In seiner Pilotstudie zur Anwendung künstlicher Intelligenz in der Tumordiagnostik untersuchte Kather, inwieweit sich eine Mikrosatelliten-Instabilität auch ohne aufwändige genetische Untersuchung, allein aufgrund histologischer Präparate feststellen lässt. Bei einer solchen Mikrosatelliten-Instabilität kommt es zu Längenveränderungen innerhalb kurzer, repetitiver DNA-Sequenzen als Folge defekter DNA-Reparatur. Hierfür trainierte er ein auf Deep Learning basierendes KI-System darauf, Tumorproben mit Mikrosatelliten-Instabilität von solchen ohne dieses Merkmal zu unterscheiden. Für seine Studie verwendete Kather Proben von Tumoren des Magen-Darm-Traktes – denn bei diesen Krebsarten entscheidet das Vorhandensein einer Mikrosatelliten-Instabilität in besonderem Maße darüber, ob die betreffenden Patienten von einer Immuntherapie profitieren. Die genetische Untersuchung auf diesen Tumormarker ist jedoch aufwändig und wird außerhalb spezialisierter Zentren nicht immer vorgenommen. Für die von Kather entwickelte KI-Anwendung werden dagegen ausschließlich Gewebeproben benötigt, die für die histologische Untersuchung ohnehin angefertigt werden. Mit der Methode verknüpft sich daher die Hoffnung, Patienten mit gastrointestinalen Tumoren künftig besser und zielgerichteter behandeln zu können. „In seiner Arbeit zeigt Dr. Kather auf beeindruckende Weise, wie die Zukunftstechnologie des Deep Learning auch für diese spezielle Fragestellung der Krebsdiagnostik eingesetzt werden kann“, so Floege. Sollten sich die Ergebnisse der Pilotstudie in der klinischen Praxis bestätigen, stünde eine einfache und kostengünstige Methode zu Verfügung, um mehr Menschen zu einer individualisierten Therapie zu verhelfen.
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