Therapie mit kardiosphärischen Zellen – Neue Hoffnung für Patienten mit Muskeldystrophie

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Die Diagnose der Duchenne-Muskeldystrophie wird im Kleinkindalter gestellt, die meisten Betroffenen versterben zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Ein neuer vielversprechender Therapieansatz sind sogenannte kardiosphärische Zellen, die die Funktionsverschlechterung von Skelettmuskulatur und Herz deutlich zu verlangsamen scheinen, wie die Deutsche Gesellschaft für Neurologie mit Verweis auf eine neue Studie berichtet.

Bis heute ist der Morbus Duchenne nicht heilbar, der Verlauf kann aber verlangsamt werden. So wird durch den frühen Einsatz von Kortikosteroiden, intensiver Physiotherapie und Heimbeatmung häufig ein Alter von über 20 Jahren erreicht, bei weniger schweren Verläufen sogar von bis zu 40 Jahren. Es gibt inzwischen auch eine Gentherapie, die aber nur bei einer bestimmten Mutation wirksam ist, wie die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) berichtet.

Einen anderen, vielversprechenden Therapieansatz stellen kardiale Stammzellen (kardiosphärische Zellen, CDCs „cardiosphere-derived cells“) dar; dies sind multipotente Vorläuferzellen (Progenitorzellen), die sich weiter zu Herzmuskelzellen differenzieren können und in präklinischen (Tiermodell) und klinischen Studien die Regeneration von Muskelzellen verbessern. CDCs werden aus dem Blut gesunder Menschen gewonnen und als pharmakologische Zubereitung (CAP-1002) seit wenigen Jahren zur Therapie von Herzinfarkten untersucht.

Die CDC-Therapie wirkt immunmodulatorisch, ändert das Verhalten von Makrophagen, hemmt Entzündungs- und Abbauprozesse, bremst Fibroblasten (Vernarbung) und stabilisiert den zellulären Energiestoffwechsel in den Mitochondrien. In einer klinischen Phase-1-Studie HOPE zeigten 13 Duchenne-Patienten nach einmaliger intrakoronarer CAP-1002-Infusion eine verbesserte Herz- und Skelettmuskelfunktion.1 Die nun in der renommierten Zeitschrift Lancet publizierte HOPE-2-Studie überprüfte die längerfristige Sicherheit und Effektivität wiederholter intravenöser Infusionen.2

In die aktuell publizierte, multizentrische, doppelblind randomisierte, placebokontrollierte Phase-2-Studie wurden an sieben Zentren in den USA 26 Patienten ab zehn Jahren mit fortgeschrittener Duchenne-Erkrankung eingeschlossen. Sie waren nur teilweise gehfähig (>10 Sekunden für 10 Meter) und wiesen eine moderate Muskelschwäche der oberen Extremitäten auf. Geplant waren zwei gleich große Gruppen, in denen die Patienten insgesamt viermal (alle drei Monate) entweder eine CAP-1002-Infusion (1,5×10⁸ Zellen) oder Placebo erhielten. Der primäre Endpunkt war die Änderung der Muskelkraft der oberen Extremität auf der PUL-Skala („Performance of Upper Limb“) bzw. der Ellenbogen-Funktion („mid-level elbow“) über ein Jahr.

Im Ergebnis hatten zwölf Patienten Placebo und acht Patienten CAP-1002 erhalten (sechs Patienten schieden wegen Screening-Fehlern aus). In der CAP-1002-Gruppe erzielten die Patienten nach zwölf Monaten signifikant höhere prozentuale Testwerte (65,5 % bzw. -0,8 Punkte auf der PUL-Skala) als mit Placebo (29,3 % bzw. -3,4 Punkte auf der PUL-Skala; p=0,014), d. h. die Funktion hatte gegenüber dem Ausgangswert in der Placebo-Gruppe um 70,7 Prozent abgenommen und in der CAP-1002-Gruppe nur um 34,5 Prozent. Die Ergebnisse der kardialen MRT-Untersuchungen waren noch deutlicher; so konnte in der CAP-1002-Gruppe eine Verschlechterung der Herzfunktion ganz aufgehalten werden (es kam sogar zur leichten Verbesserung der linksventrikulären Ejektionsfraktion von 51,7 % auf 54,5 %), wohingegen es unter Placebo zu einem signifikanten Rückgang kam (von 51,7 % auf 8,9 %). Drei Patienten hatten transiente infusionsassoziierte Nebenwirkungen, bei einem Patienten konnte die Therapie wegen einer ausgeprägten allergischen Reaktion nicht fortgesetzt werden. Schwere unerwünschte Ereignisse traten nicht auf.

„In dieser ersten Studie zur wiederholten, intravenösen Anwendung kardiosphärischer Zellen bei Duchenne-Patienten konnte die Verschlechterung der Schulter-Arm-Funktion um 71 Prozent verlangsamt werden; die Herzfunktion stabilisierte beziehungsweise verbesserte sich. Diese Ergebnisse machen Hoffnung, dass wir künftig den Patienten beziehungsweise ihren Eltern eine wirksamere Therapie anbieten können als das bisher der Fall ist“, kommentiert Prof. Heinz Reichmann, Dresden. „Unser Ziel ist die Lebensverlängerung bei möglichst umfassendem Erhalt der Selbstständigkeit. Hier ist die Schulter-Arm-Funktion ganz wesentlich, denn sie ermöglicht die Fortbewegung im Rollstuhl, eigenständige Nahrungsaufnahme und andere Tätigkeiten. Natürlich müssen nun weitere Studien folgen, die über noch längere Zeiträume gehen und dann irgendwann auch jüngere Kinder einbeziehen.“