Tiermodell: Biologische Interaktion zwischen Darm und Gehirn

Foto: © Holger/Fotolia

Wissenschaftler haben in einer neuen Studie gezeigt, dass die Transplantation von Darmbakterien eines Tieres, das anfällig für sozialen Stress ist, auf ein nicht gestresstes Tier zu Anfälligkeit auch beim Empfängertier führen kann. Die Arbeit enthüllt Details biologischer Interaktionen zwischen Gehirn und Darm, die laut den Forschern eines Tages zu probiotischen Behandlungen psychischer Erkrankungen wie Depressionen beim Menschen führen könnten.

„Bei Ratten, die in einem Labortest ein depressives Verhalten zeigten, stellten wir fest, dass Stress das Darmmikrobiom verändert“, berichten Dr. Seema Bhatnagar, Neurowissenschaftlerin in der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Children’s Hospital of Philadelphia (CHOP). „Außerdem zeigten die Empfängertiere ein ähnliches Verhalten, als wir Bakterien aus stressanfälligen Ratten in Ratten transplantierten, die nicht gestresst waren.“

Bhatnagar fügt hinzu, dass Stress auch die Entzündung im Gehirn der anfälligen Ratten erhöhte und diese Entzündung ebenfalls bei nicht belasteten Ratten auftrat, nachdem sie Transplantationen von stressanfälligen Tieren erhalten hatten.

Dass sich Gehirn und Darm gegenseitig beeinflussen, ist bekannt. Das Darmmikrobiom von Patienten mit psychischen Erkrankungen unterscheidet sich von dem Gesunder. Ähnliche Befunde ergaben auch Tiermodelle für psychische Erkrankungen. In der nun vorgelegten Studie wurden Mechanismen im Zusammenhang mit Gehirnentzündung, dem Mikrobiom und Stress untersucht.

„Nicht alle Menschen reagieren gleich auf dieselben Belastungen – manche sind anfälliger für psychische Störungen, andere sind widerstandsfähiger“, sagt Bhatnagar. „Ähnlich ist es auch bei Versuchstieren.“ Bei Nagetieren sind soziale Hierarchien und Territorialität die Hauptursachen für Stress. Ratten, die sich bei entsprechenden Tests passiver verhalten, sind anfälliger für die Auswirkungen von Stress, da sie auch mehr angst- und depressive Verhaltensweisen zeigen. Ratten hingegen, die aktiver reagieren, können halten den Auswirkungen von sozialem Stress eher stand. Aufgrund dieser Einschätzungen stuften die Forscher die Tiere entweder als anfällig oder als resilient ein.

Die Wissenschaftler analysierten dann die Mikrobiota im Kot von anfälligen Ratten, resilienten Ratten, Ratten aus einer Kontrollgruppe ohne Stress und aus einer Placebogruppe. Die Forscher fanden heraus, dass das Mikrobiom anfälliger Ratten einen höheren Anteil bestimmter Bakterien wie Clostridien aufwies als das der anderen Gruppen.

Die Studienautoren transferierten dann Mikrobiom von drei Spendergruppen (anfälligen bzw. resilienten Ratten oder nicht gestressten Kontrollratten) in stressnaive Tiere. Die Wissenschaftler stellten fest, dass Ratten, die Mikrobiom von anfälligen Ratten erhalten hatten, eher ein depressives Verhalten annahmen.

Ratten, die Transplantate von anfälligen Ratten erhielten, nahmen eher ein depressives Verhalten an, während Ratten, die Transplantate von widerstandsfähigen Tieren oder nicht gestressten Tieren erhielten, keine Verhaltens- oder neuronalen Veränderungen zeigten. Die Muster entzündlicher Prozesse im Gehirn bei Empfängertieren ähnelten ebenfalls denen, die im Gehirn resilienter Ratten. Dies deute laut den Forschern darauf hin, dass immunmodulierende Effekt von Darmbakterien wie Clostridien diese Entzündung gefördert haben könnten. Allerdings veränderte ein Mikrobiomtranser angstähnliches Verhalten nicht signifikant. Dies könnten auf unterschiedliche Mechanismen hinweisen: Offenbar werde depressives Verhalten stärker durch das Darmmikrobiom reguliert, während angsttypisches Verhalten in erster Linie durch neuronale Aktivitätsänderungen beeinflusst wird, die durch Stress hervorgerufen werden, sagen die Studienautoren.

„Obwohl noch viel zu erforschen ist, können wir uns zukünftige Anwendungen vorstellen, bei denen wir das Wissen über die Wechselwirkungen zwischen Mikrobiom und Gehirn nutzen können, um psychische Störungen beim Menschen zu behandeln“, sagt Bhatnagar. „Die Leute nehmen schon jetzt rezeptfreie Probiotika als Nahrungsergänzungsmittel. Wenn wir die positiven Auswirkungen von bestimmten Bakterien auf das Verhalten validieren können, wären wir in der Lage, die Voraussetzungen für neue psychiatrische Behandlungen schaffen.“