Tinnitus: Objektive Beurteilung des Schweregrads durch neue Biomarker6. Mai 2025 Die Nahaufnahme (l.) veranschaulicht die Nachverfolgung der Pupillen und des Gesichts eines Studienteilnehmers. Das Diagramm zeigt größere schallinduzierte Pupillenerweiterungen, aber schwächere Gesichtsbewegungen bei Teilnehmern mit Tinnitus/Geräuschempfindlichkeit. Bild: Massachusetts Eye and Ear US-amerikanische Forschende haben neue Biomarker für Tinnitus identifiziert: Sie konnten die Pupillenerweiterung und subtile Gesichtsbewegungen messen, die mit dem Grad der durch Tinnitus verursachten Belastung korrelieren. Von Tinnitus sind etwa 12 Prozent der Allgemeinbevölkerung und ein Viertel der Menschen ab 65 Jahren betroffen. Bei schätzungsweise 15 Prozent der Betroffenen leiden unter einen Tinnitus, der so stark beeinträchtigt, dass Schlaf, psychische Gesundheit und Alltag gestört sind. Bislang basierte die Beurteilung des Tinnitus-Schweregrads nicht auf objektiven Messgrößen, sondern auf Fragebögen, die eine subjektive Einschätzung von Betroffenen liefern. Dieser Umstand erschwert die Durchführung placebokontrollierter Behandlungsstudien. Das Team um den korrespondierenden Autor Daniel Polley, PhD, stellvertretender Vorsitzender für Grundlagenforschung und Direktor der Eaton-Peabody Laboratories am Massachusetts Eye and Ear nahm in seiner Studie das sympathische Nervensystem auf der Suche nach geeigneten Biomarkern in den Blick. „Wir haben zum ersten Mal direkt eine Signatur für den Schweregrad des Tinnitus beobachtet. Als wir mit dieser Studie begannen, wussten wir nicht, ob Geräusche Gesichtsbewegungen auslösen würden. Die Entdeckung, dass diese Bewegungen nicht nur auftreten, sondern auch das bisher aussagekräftigste Maß für die Tinnitus-Belastung darstellen können, ist daher ziemlich überraschend“, kommentierte Polley die Ergebnisse der Studie. Zusätzlich zu den Standardmessungen des Gehörs und der auditorischen Hirnfunktion richteten Polley und sein Team ihre Aufmerksamkeit auf den körpereigenen „Kampf-, Flucht- oder Erstarrungs“-Mechanismus. Sie suchten nach äußeren, unwillkürlichen Anzeichen von Stress bei Menschen mit Tinnitus, die möglicherweise „im Verborgenen“ liegen. Die Hypothese der Forschenden: Menschen mit lähmendem Tinnitus befinden sich chronisch im Wachsamkeitsmodus und reagieren auf alltägliche Geräusche, als wären diese ein Bedrohung. Bekannt ist außerdem, dass die Pupillenerweiterung ein Zeichen für erhöhte Erregung ist und dass unwillkürliche Gesichtsbewegungen einen Hinweis auf die Einschätzung der Bedrohung geben können. Das Team um Polley rekrutierte sie 97 Teilnehmer mit normalem Gehör, darunter 47 mit unterschiedlich starkem Tinnitus und unterschiedlicher Geräuschempfindlichkeit, sowie 50 gesunde Freiwillige als Kontrolle. Die Teilnehmer hörten angenehme, neutrale oder belastende und unangenehme Geräusche hörten (wie Hustenanfälle, Schreie oder das Weinen eines Babys) und wurden dabei gefilmt. Mithilfe von auf Künstlicher Intelligenz basierender Software konnten schnelle und subtile unwillkürliche Gesichtsbewegungen – Zuckungen der Wangen, Augenbrauen oder Nasenlöcher – auf den Videoaufnahmen erfasst werden, die mit dem angegebenen Tinnitus-Belastungsgrad korrelierten. In Kombination mit Daten zur Pupillenerweiterung erhöhte sich die Vorhersagekraft sogar noch weiter. Bei Personen mit schwerem Tinnitus weiteten sich die Pupillen bei allen Geräuschen (angenehm, neutral oder unangenehm) besonders stark, während die Gesichtsbewegungen bei denselben Geräuschen stumpf waren. Personen ohne Tinnitus oder mit weniger störendem Tinnitus zeigten dagegen nur bei den unangenehmsten Geräuschen eine übermäßige Pupillenerweiterung und Gesichtsbewegungen. Die Messungen sagten auch individuelle Fragebogenwerte für den Schweregrad der Hyperakusis (verminderte Geräuschtoleranz) voraus, obwohl die Ergebnisse nicht so genau waren wie bei der Einschätzung des Schweregrades des Tinnitus. „Das wirklich Spannende ist, dass für diesen Blickwinkel auf den Schweregrad des Tinnitus keine hochspezialisierten Gehirnscanner erforderlich waren, sondern dass der Ansatz relativ einfach war“, erklärte Polley. Er geht davon aus, dass ein breiter Einsatz ihrer Methode – etwa in Hörkliniken oder zur objektiven Messung im Rahmen von klinischen Studien – möglich ist, wenn sich der Ansatz an Elektronikgeräte für Endverbraucher anpassen lässt. Die größte Einschränkung der Studie der Teilnehmerkreis. Um den potenziellen Nutzen ihres videobasierten Ansatzes zu demonstrieren, mussten viele Personen mit Begleitproblemen wie Hörverlust, fortgeschrittenem Alter oder psychischen Problemen ausgeschlossen werden, die häufig mit komplexem und schwerem Tinnitus einhergehen. Bei künftigen Forschungsarbeiten sollen diese Risikogruppen einbezogen werden. Polley und sein Team nutzen diese Biomarker nun, um neue Therapien zu entwickeln, die neuronale Stimulation mit immersiven Softwareumgebungen kombinieren, um die Lautstärke des Tinnitus-Phantomgeräuschs zu eliminieren oder deutlich zu reduzieren.
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