Trotz Entbudgetierung: Fallzahlen in Kinder- und Jugendmedizin sinken

Im Jahr 2023 haben Ärztinnen und Ärzte etwas weniger Patienten behandelt als 2022. (Foto: © Siphosethu F/peopleimages.com – stock.adobe.com)

Im Jahr 2023 sind insgesamt 575 Millionen Behandlungsfälle in der ambulanten Versorgung dokumentiert worden. Somit sind die Fallzahlen im ersten postpandemischen Jahr 2023 gegenüber 2022 um 0,5 Prozent leicht zurückgegangen. Das zeigt der Trendreport zur Entwicklung der vertragsärztlichen Leistungen vom ersten Quartal 2021 bis zum vierten Quartal 2023.

Im Jahr 2022 lag die Gesamtfallzahl mit 578 Millionen Behandlungsfällen um 2,3 Prozent höher als 2021. Auch nach diesem leichten Rückgang lag die Gesamtfallzahl 2023 noch um 1,7 Prozent höher als im Jahr 2021.

Bei den Hausärzten ging die Zahl der abgerechneten Behandlungsfälle um 3,7 Prozent leicht zurück. Trotz des Wegfalls der Mengenbegrenzung im Zuge der Entbudgetierung war dies auch in der Kinder- und Jugendmedizin zu beobachten: Hier gaben die Fallzahlen 2023 um 1,7 Prozent nach. Einen deutlichen Anstieg der Behandlungsfallzahlen im Vergleich zum Vorjahr zeigen hingegen die Abrechnungsdaten 2023 insbesondere in der Humangenetik (+25,7 %) sowie bei der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (+6,8 %). Die Fachärzte verzeichneten insgesamt einen leichten Fallzahlzuwachs (+1,1 %).

Die Anzahl der telefonischen Beratungen ist 2023 im Vergleich zum Vorjahr mit 7,5 Millionen deutlich um 10,2 Prozent zurückgegangen. Auch bei der Videosprechstunde war der Trend 2023 rückläufig: Insgesamt gab es 2,2 Millionen Videosprechstunden und damit 18 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Das Angebot an Videosprechstunden verlagert sich immer mehr in Richtung hausärztliche Versorgung. Während 2022 lediglich 27,5 Prozent der Videosprechstunden von Hausärzten und 61,4 Prozent von Psychotherapeuten vorgenommen worden sind, fallen 2023 bereits 41,5 Prozent der Videosprechstunden auf den hausärztlichen und nur noch 44,1 Prozent auf den psychotherapeutischen Versorgungsbereich.

Bei den Früherkennungsuntersuchungen zeigt sich erneut ein uneinheitliches Bild: Während die Anzahl der Vorsorgeuntersuchungen bei Kindern 2023 um 1,1 Prozent auf insgesamt fünf Millionen leicht abgesunken ist, stiegen die Fallzahlen beim Hautkrebsscreening leicht an. Hier sind 2023 insgesamt 7,2 Millionen Behandlungen abgerechnet worden (+6,2 %). Das Mammographie-Screening liegt mit 2,9 Millionen Untersuchungen (+7,4 %) deutlich über den Ausgangswerten von 2022. Ebenso aufwärts ging es bei den Früherkennungskoloskopien: Hier gab es im Betrachtungszeitraum einen Fallzahlanstieg um 8,1 Prozent. Insgesamt sind 2023 611.000 Früherkennungskoloskopien vorgenommen worden.

Die Anzahl der ambulanten Operationen hat 2023 mit einem Plus von 256.000 Behandlungsfällen gegenüber 2022 deutlich zugenommen (+5,8 %). Im Bereich der antragspflichtigen Richtlinien-Psychotherapien weisen die Abrechnungsdaten für 2023 sowohl bei den Einzeltherapien als auch bei den Gruppentherapien deutliche Zuwächse auf. In diesem Zeitraum sind 4,3 Millionen Einzeltherapien und 290.000 Gruppentherapien abgerechnet worden. Das sind 3,5 Prozent mehr Einzeltherapien beziehungsweise 36,2 Prozent mehr Gruppentherapien als 2022.

Sinkende Fallzahlen trotz Entbudgetierung der Kinder- und Jugendmedizin

„Die von uns aktuell ausgewerteten Daten zur Inanspruchnahme der vertragsärztlichen und psychotherapeutischen Leistungen zeigen eines sehr deutlich: Die von den Krankenkassen regelmäßig befürchtete Mengenentwicklung bei ärztlichen Leistungen, die nicht einer Mengenbegrenzung unterliegen, lässt sich generell nicht beobachten. Allerdings arbeiten die Praxen offenbar an ihren Belastungsgrenzen. Die fast 185.000 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten kämpfen mit ihren hoch engagierten Praxisteams nach wie vor gegen unnötige Belastungen an: Die Digitalisierung und die Einführung neuer Anwendungen der Telematikinfrastruktur wie etwa das E-Rezept lassen sich mit den Praxissoftwaresystemen nach wie vor nicht reibungslos umsetzen. Die Anpassung der Preise für ärztliche Leistungen bleibt unterhalb der Lohnkosten- und Inflationsentwicklung und weit hinter den Zuwächsen zurück, die die Krankenhäuser erhalten“, kritisierte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried. Dies erschwere es den Praxen, Personal zu halten. Hinzu komme eine „zeitraubende Bürokratielast“. „Die hohe Fallzahl in der ambulanten Versorgung verdeutlicht, dass die Politik an diesen Stellschrauben nachjustieren muss, damit Ärztinnen und Ärzte in den Praxen mehr Zeit für ihre Patientinnen und Patienten haben, freiwerdende Arztsitze wiederbesetzt werden können und das Rückgrat der medizinischen Versorgung in Deutschland endlich wieder zukunftsfest wird“, erklärte von Stillfried.

Die Aufhebung der Budgetgrenzen im hausärztlichen Bereich werde ein wichtiger erster Schritt sein. Das Anheben des Budgetdeckels werde wie bei der Kinder- und Jugendmedizin auch für die hausärztliche Versorgung nicht zu einer angebotsinduzierten Mengenentwicklung führen. Dies ließe die Belastung der Praxen auch gar nicht zu, erklärte von Stillfried. Demotivierende Rahmenbedingungen müssten angesichts der zunehmend wahrgenommenen Engpässe beim Zugang zur Versorgung aber dringend abgebaut werden. Deshalb müssten weitere konsequente Schritte zur Entlas­tung aller Praxen nun rasch folgen – zuallererst die Entbudgetierung aller haus- und fachärztlichen Leistungen, so von Stillfried weiter.

„Vielerorts werden aufgrund der aus der Zeit gefallenen Mengenbegrenzungen immer noch erhebliche Leistungsanteile ohne entsprechende Leistungsvergütung erbracht. Viele niedergelassene Ärztinnen und Ärzte spielen aktuell mit dem Gedanken, in ihren Praxen vorzeitig das Licht auszumachen. Und dies in Zeiten, in denen wir eigentlich jeden aktiv in der Versorgung benötigen. Es bleibt daher unverständlich, warum nicht jede Leistung voll bezahlt wird“, kritisierte von Stillfried.