Trotz gleicher Komplikationsraten: Frauen versterben häufiger nach Herz-OP

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Nach einer hochrisikoreichen Herz- und Gefäßoperation entwickeln Frauen in den USA mit gleicher Wahrscheinlichkeit postoperative Komplikationen wie Männer – aber versterben daran signifikant häufiger, wie eine aktuelle Studie zeigt.

Geleitet wurde die Studie von Forschern der University of Michigan (USA). Sie untersuchten mehr als 850.000 Fälle von Medicare-Begünstigten, die sich zwischen 2015 und 2020 einer Hochrisiko-Herzoperation unterzogen, einschließlich eines Koronar-Bypass, einer Aortenaneurysma-Reparatur sowie einer Mitral- und Aortenklappenreparatur. Davon waren 304.176 (35,2 %) Frauen. Das Durchschnittsalter war bei den eingeschlossenen Patientinnen mit 74,8±9,3 Jahre etwas höher als bei den Patienten mit 73,4±8,5 Jahren, und die Frauen wiesen etwas häufiger zwei oder mehr Komorbiditäten auf als die Männer (86,4 % versus 83,2 %).

Frauen überleben ähnliche Komplikationen seltener

Bei Männern und Frauen lag die Rate der Komplikationen nach einer Operation mit etwa 15 Prozent ähnlich hoch. Allerdings starben Frauen deutlich häufiger an diesen Komplikationen: In 10,7 Prozent der Fälle gelang es den Operationsteams nicht, die weiblichen Patienten zu retten, während es bei den männlichen Patienten nur 8,6 Prozent waren. Ein Patient, der nach einer Operation an Komplikationen stirbt, wird oft als „Misserfolg bei der Rettung“ (engl. „failure to rescue“) bezeichnet. Auch die 30-Tage-Sterblichkeit war bei Frauen nach einer Hochhrisiko-Operation mit 4,22 Prozent signifikant höher als bei Männern mit 3,34 Prozent. Die Ergebnisse erschienen kürzlich in „JAMA Surgery“.

„Dies ist ein Problem für das gesamte Gesundheitssystem der Vereinigten Staaten: Wir versäumen es, Frauen nach Hochrisikooperationen zu retten, obwohl die Rate der postoperativen Komplikationen ähnlich hoch ist wie bei Männern“, betont Dr. Catherine M. Wagner, Erstautorin und Assistenzärztin für Thoraxchirurgie an der University of Michigan Health. „Wir müssen diese Komplikationen besser erkennen und darauf reagieren, wenn wir die geschlechtsspezifischen Unterschiede nach Hochrisikooperationen verringern wollen.“

Die Forscher fanden ein ähnliches Muster für jeden untersuchten Eingriff. Die häufigsten Komplikationen bei Männern und Frauen waren Nierenversagen, Lungenentzündung und Lungenversagen. Die Qualität des Krankenhauses, in dem der Eingriff durchgeführt wurde, hatte keinen Einfluss auf die beobachteten Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Vielmehr wurden die Frauen in der Studie eher in Krankenhäusern operiert, die traditionell ein höheres Volumen an Hochrisiko-Eingriffen aufweisen.

„Bei diesen risikoreichen Eingriffen ist naturgemäß mit einer höheren Komplikationsrate zu rechnen, aber die Patienten können dennoch ein positives Outcome erwarten, wenn die Komplikation schnell behandelt wird“, sagt Co-Autor Dr. Gorav Ailawadi, Vorsitzender der Herzchirurgie an der U-M Health und Direktor des University of Michigan Health Frankel Cardiovascular Center.

Die Forscher entdeckten auch, dass weibliche Patientinnen innerhalb der ersten Tage nach der ersten Operation seltener erneut operiert wurden als männliche Patienten. „Dies ist möglicherweise nicht auf einen geringeren Bedarf an Reoperationen zurückzuführen, sondern könnte vielmehr ein Zeichen dafür sein, dass ihre Komplikationen nicht angemessen behandelt wurden“, spekuliert Ailawadi.

Früherkennung von Komplikationen bei Frauen verbessern

Seit Jahren weisen Forscher nach, dass Frauen nach kardiovaskulären Eingriffen mit höherer Wahrscheinlichkeit sterben. Die Erklärung dafür lag bisher vor allem darin, dass Frauen bei der Operation älter sind und mehr Begleiterkrankungen aufweisen als Männer. Frauen haben auch eine kleinere Anatomie und Gefäßgröße, was die Operation technisch schwieriger machen kann. Diese Ungleichheit kommt zu früheren Studien hinzu, in denen festgestellt wurde, dass Anzeichen und Symptome allgemeiner Krankheiten wie Herzinfarkt und Schlaganfall bei weiblichen Patienten häufiger entweder übersehen oder nicht ernst genommen werden.

„Wir müssen nicht nur die Komplikationen insgesamt reduzieren, sondern uns auch darauf konzentrieren, was nach dem Auftreten einer Komplikation geschieht“, sagt Mitautor Dr. Andrew Ibrahim, außerordentlicher Professor für Chirurgie an der U-M Medical School und Co-Direktor des Michigan Medicine Center for Healthcare Outcomes and Policy. „Auch nach der Operation haben wir die Möglichkeit, die Früherkennung von Komplikationen bei Patientinnen zu verbessern, bevor sie so weit fortgeschritten sind, dass wir sie nicht mehr retten können. Eine bessere Erkennung und Reaktion auf postoperative Komplikationen, insbesondere bei Frauen, ist notwendig, um die seit langem bestehenden Ungleichheiten bei den Ergebnissen nach risikoreichen Operationen zu verringern.“

Frauen in der medizinischen Forschung unterrepräsentiert

Im Juni 2016 haben die National Institutes of Health eine Richtlinie eingeführt, die fordert, dass das Geschlecht als biologische Variable in Forschungsdesigns, Analysen und Berichten berücksichtigt werden muss.

„Wir müssen nicht nur Maßnahmen auf der Ebene des Gesundheitssystems ergreifen, um diese Ungleichheit zu verringern, sondern auch weiterhin geschlechtsspezifische Unterschiede in der biomedizinischen Forschung untersuchen, um die seit langem bestehende Vernachlässigung der Gesundheit von Frauen anzugehen und die zugrunde liegenden Mechanismen zu identifizieren, die, wenn sie angegangen werden, die Ergebnisse für alle Patienten verbessern können“, sagt Wagner.