Tuberkulose bei Inhaftierten: Viele Fälle blieben während der COVID-19-Pandemie möglicherweise unentdeckt2. April 2025 In Haftanstalten ist die Wahrscheinlichkeit, sich mit Tuberkulose anzustecken, höher als in der Allgemeinbevölkerung. (Foto © bibiphoto/stock.adobe.com) Das Risiko, an Tuberkulose zu erkranken, ist bekanntermaßen unter Insassen von Haftanstalten erhöht: Aus vergangenen Untersuchungen ergeben sich Hinweise auf eine bis zu zehnmal höhere Infektionsrate als in der Allgemeinbevölkerung. Während der COVID-19-Pandemie fielen die gemeldeten Tuberkulosefälle unter Inhaftierten in Europa und Amerika jedoch deutlich niedriger aus als erwartet. Dies geht aus einer neuen Studie der Boston University School of Public Health (BUSPH; USA) und der London School of Hygiene and Tropical Medicine (LSHTM; Großbritannien) hervor. Die nun in „The Lancet Public Health“ veröffentlichte Studie ergab, dass die Tuberkulosediagnosen in Mittel- und Nordamerika im Jahr 2021 um bis zu 100 Prozent und in Westeuropa im Jahr 2022 um fast 87 Prozent (im Vergleich zu den erwarteten Werten) zurückgingen. Dieses Muster unterschied sich von den Tuberkulosediagnosen in der Allgemeinbevölkerung, für die 2020 zwar einen Rückgang verzeichnet wurde, die in den Folgejahren jedoch wieder zunahmen. Die Inhaftierungszahlen blieben zwischen 2020 und 2022 hingegen weitgehend konstant. Dies deutet darauf hin, dass der Rückgang der gemeldeten Tuberkulosefälle wahrscheinlich auf andere Faktoren zurückzuführen ist, wie beispielsweise die verringerte Kapazität der Gefängnisse, Tuberkulose während der COVID-19-Pandemie zu testen und zu diagnostizieren. Die Studienautoren weisen darauf hin, dass bei Personen mit unerkannter und damit unbehandelter Tuberkulose eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür besteht, die Krankheit auf andere Menschen zu übertragen, schwere Krankheitsverläufe zu entwickeln und an der Infektion zu versterben. Da jedes Jahr mindestens elf Millionen Menschen in Haft sind, hat die Ausbreitung und Erkennung der Krankheit in Gefängnissen Auswirkungen sowohl auf die Inhaftierten als auch auf die Allgemeinbevölkerung. „Wenn Länder Tuberkulose bei Hochrisikogruppen – wie beispielsweise Inhaftierten – nicht erkennen können, erhöht sich das Übertragungsrisiko sowohl innerhalb der Gefängnisse als auch auf die Bevölkerung nach der Entlassung“, unterstreicht Amy Zheng, Doktorandin in der Abteilung für Epidemiologie der BUSPH und zusammen mit Dr. Lena Faust, Postdoktorandin am LSHTM Co-Hauptautorin der Studie. Verschärfung der Situation während der Pandemie Vor der COVID-19-Pandemie habe in Bezug auf die Gesundheit bereits ein enormer Unterschied zwischen Gefängnissen und der Allgemeinbevölkerung bestanden, erklärt Zheng – ein Umstand, der durch die Pandemie noch weiter verschärft wurde. „Investitionen in die Gesundheitssysteme in Gefängnissen sind entscheidend für die Diagnose und Behandlung von Tuberkulose und schützen letztlich sowohl die Inhaftierten als auch die Öffentlichkeit“, betont die Forscherin. In der Studie wurde nach Angaben der Autoren erstmals untersucht, wie sich die COVID-19-Pandemie auf die Tuberkuloseerkennung unter Inhaftierten in einer ganzen Reihe von Ländern ausgewirkt hat. Für die Analyse arbeiteten Zheng und ihre Kollegen mit der Weltgesundheitsorganisation, der Pan American Health Organization und den European Centers for Disease Control and Prevention zusammen. Sie nutzten internationale Tuberkulosemeldedaten, um zu bestimmten, wie sich die Erkennung der Infektion unter Inhaftierten in den Jahren 2010 bis 2022 in 47 Ländern Europas und Amerikas entwickelte. Diese Stichprobe repräsentierte jährlich fast fünf Millionen Strafgefangene oder 42 Prozent der weltweiten inhaftierten Bevölkerung. Mithilfe innovativer Modelle berechnete das Forschungsteam die Unterschiede zwischen beobachteten und prognostizierten Tuberkulosefällen, den Fallzahlen in Gefängnissen und der Population in Haftanstalten. Überrascht zeigten sich die Studienautoren davon, dass die Inhaftierungsraten während der gesamten COVID-19-Pandemie konstant blieben (und in einigen Ländern sogar anstiegen). „Wir gingen bisher davon aus, dass die Inhaftierungszahlen in der Anfangsphase der Pandemie zurückgingen, weil Maßnahmen ergriffen wurden, um Inhaftierungen zu reduzieren, damit eine COVID-19-Ansteckung verhindert wird“, sagt Zheng. „Wir waren auch überrascht, dass Tuberkulosediagnosen auch in den Jahren 2021 und 2022 weiterhin übersehen wurden.“ Die zehn Länder mit dem stärksten prozentualen Rückgang zwischen beobachteten und erwarteten Tuberkulosediagnosen waren die Slowakei, die Tschechische Republik, El Salvador, Bulgarien, Belgien, Aserbaidschan, Armenien, Rumänien, Uruguay und die Ukraine. Negative Folgen der Kürzung finanzieller Mittel Diese nun vorgestellten Forschungsergebnisse fallen in eine Zeit, in der sich Gesundheitsaktivisten und Hilfsorganisationen international verstärkt Sorgen machen und versuchen, auf die massiven Kürzungen finanzieller Unterstützung der Trump-Regierung und die Auflösung der US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) zu reagieren. Diese hatte in der Vergangenheit erhebliche Mittel für die globale Tuberkulosebekämpfung bereitgestellt, vor allem für Länder mit hohen Tuberkuloseraten. Laut der WHO konnten durch die weltweiten Bemühungen zur Bekämpfung von Tuberkulose seit dem Jahr 2000 rund 79 Millionen Menschenleben gerettet werden. Auf der Grundlage eines digitalen Tracking-Tools, das die Echtzeit-Auswirkungen der USAID-Finanzierungskürzungen auf die Tuberkulose weltweit berechnet, schätzt man (Stand 31.03.2025), dass die Kürzungen zu mehr als 15.000 zusätzlichen Tuberkulosefällen und mehr als 12.000 Tuberkulosetoten beigetragen haben. „Die jüngsten Kürzungen der USAID-Finanzierung und -Programme haben die Tuberkulosebekämpfung bereits erheblich beeinträchtigt und werden die in den vergangenenJahrzehnten weltweit erzielten Fortschritte bei der Tuberkulosebekämpfung erheblich gefährden“, unterstreicht der leitende und korrespondierende Autor der Studie, Dr. Leonardo Martinez, Assistenzprofessor für Epidemiologie an der BUSPH. „Weitere Untersuchungen werden notwendig sein, um besser zu verstehen, wie sich diese Mittelkürzungen negativ auf die Tuberkulosebekämpfung in Gefängnissen auswirken könnten.“ „Angesichts der aktuellen Finanzierungslücken ist es möglicherweise nicht mehr machbar, die globalen Ziele für 2030 zur Beendigung der Tuberkulose-Epidemie zu erreichen“, ergänzt Zheng. „Daher müssen Tuberkuloseforschende global und regional zusammenarbeiten, um neue, realistische Ziele zu setzen und neue, alternative Finanzierungsmechanismen zu finden, um diese Ziele zu erreichen.“
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