Tuberkulose: Standard-Test allein reicht nicht aus, um bei Immungeschwächten die Erkrankung vorherzusagen8. August 2025 Menschliche Lunge mit Mycobacterium-tuberculosis-Infektion. (Abbildung: © Dr_Microbe/stock.adobe.com) Eine gerade in „The Lancet Regional Health – Europe“ veröffentlichte Auswertung von Daten aus elf Ländern zeigt, dass der Test QuantiFERON-TB-Gold-Plus auf Tuberkulose nur geringe Aussagekraft besitzt, wenn er bei immungeschwächten Patienten allein eingesetzt wird. In vielen Teilen Europas ist Tuberkulose selten, doch für Menschen mit geschwächtem Immunsystem – etwa nach Organtransplantation oder bei einer HIV-Infektion ‒ kann diese bakterielle Infektion nach wie vor sehr gefährlich sein. „Bei immungeschwächten Patienten kann sich das Bakterium sehr viel besser vermehren“, gibt Prof. Martina Sester vom Lehrstuhl Transplantations- und Infektionsimmunologie an der Universität des Saarlandes zu bedenken. Für Menschen mit geschwächtem Immunsystem ist es daher besonders wichtig zu wissen, ob bei ihnen möglicherweise eine aktive Tuberkulose droht. Sester hat daher gemeinsam mit zahlreichen Kollegen bei Menschen aus elf europäischen Ländern untersucht, wie aussagekräftig der heutige Goldstandard der Tuberkulose-Tests speziell bei der Gruppe von Immungeschwächten ist. Indirekte Testung liefert häufig falsch-negative Ergebnisse Der QuantiFERON-TB-Gold-Plus-Test (QFT) ist heutzutage häufig das Mittel der Wahl, wenn auf den Erreger oder eine aktive Tuberkulose getestet werden soll. „Dieser Test ist ein indirekter Test, das heißt, er misst, ob es im Körper bereits eine Immunantwort auf den Erreger gegeben hat oder nicht“, erklärt Sester das Wirkprinzip. Er weist also nicht den Erreger selbst nach, sondern die Reaktion des Immunsystems auf diesen. Ist das Immunsystem nun geschwächt, sei es gezielt, um die Abstoßung eines Spenderorgans zu verhindern, oder durch einen das Immunsystem schwächenden Erreger wie HIV, fällt auch die Immunantwort auf den Tuberkulose-Erreger schwächer aus. „Der QFT+-Test kann dann also häufiger falsch-negativ ausfallen“, schlussfolgert Sester.In ihrer groß angelegten Studie haben die Saarbrücker Professorin und ihre Kollegen im Zeitraum 2015‒2019 bei mehr als 2600 Patienten untersucht, wie aussagekräftig der QFT+-Test zum Nachweis einer Infektion mit Mykobakterien und einer Tuberkuloseerkrankung ist. Zudem wurde durch Nachbeobachtung verfolgt, wie gut der Test zur Beurteilung des Risikos, eine Tuberkulose zu entwickeln, geeignet ist. Martina Sester (Foto: © Iris Maurer) „Größte multizentrische Studie dieser Art“ Insgesamt 1788 Menschen stammten dabei aus einer von fünf Gruppen, deren Immunsystem geschwächt war: Menschen mit Organtransplantation, mit Stammzelltransplantation, mit Rheumatoider Arthritis, chronischer Niereninsuffizienz oder einer HIV-Infektion. 861 weitere, immungesunde Personen dienten als Kontrollgruppe. Die Patienten wurden an 21 medizinischen Zentren in elf europäischen Ländern behandelt. „Damit ist diese Studie die größte multizentrische Studie dieser Art, die bisher durchgeführt wurde“, betont Sester.„Es hat sich gezeigt, dass der QFT+-Test nicht aussagekräftig genug ist, um ihn für die Diagnose der aktiven Erkrankung alleine einzusetzen. Außerdem ist die Vorhersagekraft des Tests für eine zukünftige Erkrankung sehr gering“, erklärt die Immunologin. Denn auch nach zwei Jahren gab es weder bei den positiv noch bei den negativ getesteten Personen eine aktive Tuberkulose-Erkrankung – selbst dann nicht, wenn der QFT+-Test positiv war und keine vorbeugende Therapie erfolgte. „Lediglich einige HIV-positive Personen entwickelten in Einzelfällen aktive Tuberkulose“, nennt Sester die einzige Ausnahme von dieser Beobachtung. Keine zuverlässige Vorhersage in Ländern mit niedriger Inzidenz Christoph Lange (Foto:© Pukall/FZB) „Für die Diagnose der Tuberkulose gibt es bessere Tests als den QFT+-Test“, lautet das Fazit von Prof. Christoph Lange. „Dieser erfüllt nicht die Anforderungen, welche die Weltgesundheitsorganisation (WHO) an einen Tuberkulosetest stellt.“ Der Medizinische Direktor am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum ergänzt: „Der QFT+-Test reicht auch nicht aus, um das individuelle Risiko einer Tuberkulose in Niedriginzidenz-Ländern zuverlässig vorherzusagen. Künftig sollten zusätzliche Risikofaktoren – wie HIV-Status, Immunlage und Herkunft – stärker in die Entscheidung für eine präventive Behandlung einfließen.“Die Studie ist im Rahmen des Forschungsnetzwerks zur Tuberkuloseforschung TBnet entstanden. Dabei handelt es sich um ein europaweites Netzwerk von Ärzten sowie Wissenschaftlern, das sich der klinischen Forschung, Ausbildung und Vernetzung im Bereich Tuberkulose widmet. Gegründet im Jahr 2006, umfasst TBnet mehr als 500 Mitglieder aus über 70 Ländern. Ziel ist nach eigenen Angaben die Verbesserung von Diagnostik, Therapie und Prävention der Tuberkulose, insbesondere bei multiresistenten Formen. TBnet organisiert multizentrische Studien, entwickelt konsensbasierte Leitlinien und fördert Nachwuchskräfte durch Kurse, Akademien und Stipendien. TBnet arbeitet eng mit europäischen und internationalen Partnern wie der Weltgesundheitsorganisation WHO und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung zusammen.
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