Tuberkulosestämme, die gegen neue Medikamente resistent sind, übertragen sich von Patient zu Patient

Mycobacterium tuberculosis (Abbildung: © Dr_Microbe/stock.adobe.com)

Eine neue Studie zeigt, dass sich Resistenzen gegen das kürzlich von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene neue Behandlungsschema für multiresistente Tuberkulose (MDR-TB) bereits zwischen Patienten ausbreiten.

Die Ergebnisse unterstreichen, wie dringend es ist, die Tuberkulose-Überwachung und -Kontrolle zu verbessern, um der antimikrobiellen Resistenz entgegenzuwirken. Im Jahr 2022 hatte die WHO ein neues, sechsmonatiges Behandlungsschema – BPaL(M) – empfohlen, dessen erhöhte Sicherheit und Wirksamkeit in zahlreichen klinischen Studien, darunter TB-PRACTECAL, nachgewiesen wurde.

Überwachung der Einführung eines neuen Behandlungsschemas

„Das neue Behandlungsschema ist zwar ein Wendepunkt für Patient*innen, die an MDR-TB leiden“, sagt Sébastien Gagneux, Leiter des Departements Medical Parasitology and Infection Biology am Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) und Hauptautor der Publikation. „Wir wussten aber, dass es schwierig sein würde, Mycobacterium tuberculosis, das Bakterium, das Tuberkulose verursacht, zu überlisten. Es war deshalb wichtig zu untersuchen, wie die Tuberkulosebakterien auf die weltweite Einführung dieses neuen Behandlungsschemas reagieren würden“.

In einer Studie unter der Leitung des Swiss TPH in Zusammenarbeit mit dem National Centre for Tuberculosis and Lung Diseases in Tiflis (Georgien), die kürzlich im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht wurde, haben die Forschenden nun im Detail untersucht, ob sich seit der Einführung des neuen Behandlungsschemas bereits Resistenzen gegen die Medikamente gebildet haben und ob diese Resistenzen von Mensch zu Mensch übertragen werden.

Mehr als ein Viertel der resistenten Stämme geht auf Übertragungen zwischen Patienten zurück

Die Forschenden analysierten die Genome von fast 90.000 M.-tuberculosis-Stämmen aus Georgien und vielen anderen Ländern der Welt. Sie identifizierten insgesamt 514 Stämme, die gegen Tuberkulose-Medikamente resistent sind, und zwar sowohl gegen alte als auch gegen das neue Behandlungsschema. Diese hochresistenten Stämme wurden in 27 Ländern auf vier Kontinenten gefunden.

Als alarmierend bezeichnen es die Wissenschaftler, dass 28 Prozent dieser Stämme direkt von einer infizierten Person auf eine andere übertragen wurden. „Wir hatten bereits vereinzelte Hinweise auf die Entstehung von Resistenzen, wussten aber nicht, in welchem Ausmaß die Übertragung für die Verbreitung dieser hochresistenten Stämme verantwortlich ist“, sagt Galo A. Goig, Postdoktorand am Swiss TPH und Erstautor der Publikation. „Die gute Nachricht ist, dass die Gesamtzahl dieser Fälle noch gering ist. Besorgniserregend ist jedoch die Tatsache, dass mehr als ein Viertel dieser hochresistenten Fälle auf die Übertragung von einer erkrankten Person auf die nächste zurückzuführen ist – und das nur zwei Jahre, nachdem die WHO das neue Schema genehmigt hat“, so Goig weiter.

Forderung nach besserer Überwachung von Tuberkulose

Die Ergebnisse haben große Bedeutung für die Gesundheitspolitik. „Die Entwicklung dieser neuen Medikamente hat viele Jahre gedauert“, sagt Chloé Loiseau, Postdoktorandin am Swiss TPH und Mitautorin der Publikation. „Um das Auftreten von Resistenzen zu verhindern, ist es wichtig, die Einführung dieser neuen Therapien mit robusten Diagnose- und Überwachungssystemen zu kombinieren.“ Die Autoren betonen auch, dass bessere Diagnoseinstrumente gebraucht werden – ebenso wie eine bessere Infektionskontrolle und robustere Überwachungssysteme, um die Ausbreitung dieser hochresistenten Stämme einzudämmen und die Wirksamkeit der neuen Therapien zu gewährleisten.

Obwohl neue Tuberkulose-Medikamente in der Pipeline sind, befürchten Fachleute, dass M. tuberculosis auch weiterhin Wege finden wird, den neuen Medikamenten zu entgehen. „Das Beispiel dieser hochgradig arzneimittelresistenten Tuberkulosestämme zeigt einmal mehr, dass die Antibiotikaresistenz heute eine der größten Bedrohungen für die globale Gesundheit darstellt“, unterstreicht Gagneux. „Wir müssen in diesem ständigen Wettlauf zwischen Medikamentenentwicklung und bakterieller Resistenz die Oberhand gewinnen und proaktive Maßnahmen ergreifen, um ein ‚post-antibiotisches Zeitalter‘ zu verhindern.“