Tuberkulosetherapie: Vielversprechender neuer Wirkstoff gefunden

Darstellung von Mycobacterium tuberculosis. (Abbildung, KI-generiert: © Emilio/stock.adobe.com

Wissenschaftler haben einen neuen Wirkstoff entwickelt, der nach ihren Angaben einen Durchbruch im weltweiten Kampf gegen Tuberkulose bedeuten könnte.

In einer kürzlich in „Nature“ veröffentlichten Studie beschreiben die Autoren das Behandlungspotenzial des neuartigen Wirkstoffs mit der Bezeichnung CMX410. Das Medikament zielt auf ein wichtiges Enzym von Mycobacterium tuberculosis ab. Besonders erwähnenswert ist laut den Forschenden, dass dieser Wirkstoff in ihren Untersuchungen sogar gegen medikamentenresistente Infektionen wirksam war, die ein zunehmendes Problem darstellen.

„Viele Menschen halten Tuberkulose für eine Krankheit der Vergangenheit“, verdeutlicht Dr. James Sacchettini, Inhaber des Lehrstuhls für Naturwissenschaften der Rodger J. Wolfe-Welch Foundation, Wissenschaftler bei Texas A&M AgriLife Research und Professor an den Fakultäten für Biochemie und Biophysik des Texas A&M College of Agriculture and Life Sciences sowie für Chemie des College of Arts and Sciences. „Doch in Wirklichkeit bleibt sie ein großes Problem der öffentlichen Gesundheit, dessen Überwindung erhebliche Aufmerksamkeit, Zusammenarbeit und Innovation erfordert.“

Neue Verbindung nimmt Bakterium die schützende Zellwand

Die neue Verbindung blockiert die Polyketidsynthase 13 (Pks13), die M. tuberculosis zum Aufbau seiner schützenden Zellwand benötigt. Ohne dieses Protein können die Bakterien nicht überleben und keine Infektion auslösen. Es ist bereits seit mehr als zehn Jahren ein wichtiges Ziel im Kampf gegen Tuberkulose, doch bisherige Bemühungen, ein entsprechendes Medikament zu entwickeln, scheiterten immer wieder – vor allem wegen der hohen Anforderungen an Sicherheit und therapeutische Wirksamkeit.

Der besondere Mechanismus des nun entwickelten Wirkstoffs CMX410 macht diesen hochspezifisch für sein Zielmolekül, was zu einem günstigen Sicherheitsprofil führt. Durch den Einbau einer reaktiven Gruppe, die eine irreversible Bindung mit einer kritischen Stelle auf Pks13 eingeht, erhöhten die Forschenden die Selektivität der Verbindung und minimierten so potenziell negative Off-Target-Effekte. Diese Modifikation verringert zudem die Wahrscheinlichkeit der Resistenzbildung.

Entwicklung nach dem Prinzip der Klick-Chemie

Die Einführung dieser wichtigen chemischen Gruppe erfolgte mithilfe des Konzepts der Klick-Chemie – einer Methode, die Moleküle wie Puzzleteile zusammenfügt. Das Prinzip der Klick-Chemie wurde von Dr. Barry Sharpless, W. M. Keck Professor für Chemie am Scripps Research Institute, zweifacher Nobelpreisträger sowie Co-Autor der aktuellen Studie, entwickelt. In der Folge entstanden umfangreiche Bibliotheken chemischer Verbindungen.

„Diese Technik stellt ein neues Werkzeug für die Arzneimittelentwicklung dar“, betont Dr. Case McNamara, leitender Direktor für Infektionskrankheiten am Calibr-Skaggs Institute for Innovative Medicines – der gemeinnützigen Arzneimittelentwicklungsabteilung von Scripps Research –, die sich der Beschleunigung der Entwicklung von Medikamenten der nächsten Generation widmet. „Wir erwarten, dass ihre Anwendung in den kommenden Jahren erweitert wird, um dringend benötigte Probleme der öffentlichen Gesundheit, einschließlich Tuberkulose, zu lösen.“

Erste Ergebnisse belegen Sicherheit und Wirksamkeit

Das Forschungsteam untersuchte zunächst eine vom Sharpless-Labor bereitgestellte Substanzbibliothek, um Moleküle zu identifizieren, die das bakterielle Wachstum von M. tuberculosis hemmen könnten. Nach intensiver Optimierung zur Verbesserung der Wirksamkeit und anderer pharmakologischer Eigenschaften erwies sich CMX410 als starker Kandidat. Die Arbeitsgruppe hatte mehr als 300 Analoga untersucht, um eine Substanz mit dem richtigen Verhältnis von Wirksamkeit, Selektivität und Sicherheit zu finden. Das Team testete CMX410 schließlich an 66 M.-tuberculosis-Stämmen und stellte fest, dass es sowohl bei Laborstämmen als auch bei multiresistenten Stämmen von realen Patienten wirkte.

In anderen frühen Experimenten hatten die Wissenschaftler festgestellt, dass CMX410 ohne Einbußen bei der Sicherheit mit anderen Tuberkulose-Antibiotika kombiniert werden kann. In ihren ersten Tests an Tiermodellen stellten die Forschenden zudem selbst bei Einsatz der Höchstdosis keine Nebenwirkungen fest. Da CMX410 hochspezifisch auf sein Zielprotein reagiert, halten es die Untersuchenden für unwahrscheinlich, dass es andere nützliche Bakterien beeinträchtigt oder allgemein eine Dysbiose verursacht.

Fortschritte hin zu besseren Therapien

Die Zugabe einer speziellen chemischen Gruppe, die es CMX410 ermöglicht, irreversibel an sein Zielprotein zu binden, macht die Verbindung nach Angaben des Forscherteams extrem selektiv. Es sei aber noch weitere Forschungsarbeit nötig, um die Sicherheit dieser Medikamentengruppe für den Menschen zu bestätigen. Doch: „Diese ersten Ergebnisse sind sehr ermutigend“, erklärt Dr. Inna Krieger, leitende Wissenschaftlerin in Sacchettinis Labor und Co-Erstautorin der Studie. „Zellwand-gerichtete Antibiotika sind seit Langem ein Eckpfeiler der Tuberkulosebehandlung. Nach Jahrzehnten des weit verbreiteten Einsatzes lässt ihre Wirksamkeit jedoch aufgrund der Zunahme medikamentenresistenter Stämme nach. Wir arbeiten daran, neue Medikamente zu finden, die wichtige biologische Prozesse stören, und optimale Kombinationen mit bestehenden Medikamenten zu identifizieren, um kürzere, sicherere und wirksamere Behandlungsschemata zu ermöglichen. Mit diesen Bemühungen hoffen wir, die Welt einer Zukunft ohne Tuberkulose näherzubringen.“