Typ-2-Diabetes: Heterogene Subtypen könnten neue Perspektiven für individualisierte Therapie und Prävention eröffnen

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Prof. Martin Heni, Präsident des Diabetes Kongresses 2025, stellte auf der Vorab-Pressekonferenz neueste Erkenntnisse zu klinisch relevanten Subtypen von Typ-2-Diabetes mit unterschiedlichem Risiko für Komplikationen vor.

„Menschen mit Typ-2-Diabetes unterscheiden sich erheblich in ihrer Stoffwechsellage, Krankheitsdynamik und Komplikationsgefährdung“, erklärt Heni, der auch Leiter der Sektion für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Ulm ist. „Ein Teil der Patienten benötigt frühzeitig eine intensive Behandlung und engmaschige Therapiebegleitung, um Folgeerkrankungen und Komplikationen zu vermeiden. Andere profitieren möglicherweise eher von einer zurückhaltenden Strategie. Wir müssen die Therapie stärker am individuellen Krankheitsverlauf ausrichten, um so Schäden zu verhindern, bevor sie entstehen“, fügt er hinzu.

5 Subtypen mit unterschiedlichen Krankheitsverläufen

Wissenschaftliche Arbeiten der letzten Jahre identifizieren 5 Subtypen des Diabetes, die sich anhand klinischer, immunologischer und metabolischer Merkmale voneinander unterscheiden.

  • Beim Severe Autoimmune Diabetes (SAID) handelt es sich um eine autoimmun vermittelte Form des Diabetes mit starkem Insulinmangel, die klinisch dem klassischen Typ-1-Diabetes entspricht.
  • Der Severe Insulin-Deficient Diabetes (SIDD) ist durch einen ausgeprägten Insulinmangel gekennzeichnet, allerdings ohne immunologische Merkmale. Diese Form geht mit einem hohen Risiko für diabetische Retinopathie einher.
  • Menschen mit Severe Insulin-Resistant Diabetes (SIRD) weisen eine deutliche Insulinresistenz auf. Dieser Subtyp ist mit einem erhöhten Risiko für Nierenerkrankungen, Fettleber und Herz-Kreislauf-Komplikationen verbunden.
  • Der Mild Obesity-related Diabetes (MOD) tritt häufig bei Menschen mit Adipositas auf und ist durch eine moderate metabolische Entgleisung charakterisiert. Das Risiko für Folgeerkrankungen ist im Vergleich zu anderen Subtypen geringer.
  • Der fünfte Subtyp, Mild Age-related Diabetes (MARD), betrifft überwiegend ältere Menschen. Hier steht eine nur leicht ausgeprägte Stoffwechselstörung im Vordergrund, mit einem insgesamt niedrigen Komplikationsrisiko.

Diese differenzierte Klassifikation bietet neue Perspektiven für eine gezieltere Diagnostik und individuell angepasste Therapie.

Neue Marker für die klinische Praxis

Ein Instrument zur besseren Unterscheidung dieser Krankheitsformen ist das C-Peptid. Es erlaubt Rückschlüsse auf die körpereigene Insulinproduktion, da es im Gegensatz zum Insulin nicht in der Leber abgebaut wird. Besonders hilfreich ist die C-Peptid-Glukose-Ratio, die zunehmend als einfaches diagnostisches Hilfsmittel genutzt wird. Sie unterstützt unter anderem bei der Abgrenzung zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes und hilft, einen absoluten Insulinmangel zu erkennen – mit unmittelbaren Konsequenzen für die Therapiewahl.

Die derzeit verfügbaren Erkenntnisse zu den Subtypen sind vielversprechend für eine individualisierte Behandlung. Für eine Umsetzung in die Leitlinien fehlen jedoch bislang Ergebnisse aus prospektiven randomisierten Studien. „Wir stehen hier noch am Anfang einer differenzierten Versorgung“, erklärt Heni und fügt hinzu: „Umso wichtiger ist es, dass wir Forschung, klinische Praxis und Versorgungsperspektiven eng miteinander verzahnen.“ Das gelte besonders für die schweren Formen des Typ 2 Diabetes, die eine große Herausforderung in der medizinischen Praxis darstellen, betont der Kongresspräsident: „Ein Symposium stellt verschiedene Untertypen und Risikogruppen des Typ-2-Diabetes in den Mittelpunkt, die besonders stark betroffen sind. Dabei diskutieren wir unter anderem die besondere Gefährdung junger Patienten als Hochrisikogruppe.“

Quellenangaben:
Gallwitz, B., Aberle, J., Birkenfeld, A. L., Fritsche, A., Kellerer, M., Klein, H. H., … & Wiesner, T. (2024). Therapie des Typ-2-Diabetes. Diabetologie und Stoffwechsel, 19(S 02), S186-S202.
Misra, S., Wagner, R., Ozkan, B., Schön, M., Sevilla-Gonzalez, M., Prystupa, K., … & Udler, M. S. (2023). Precision subclassification of type 2 diabetes: a systematic review. Communications medicine, 3(1), 138.
Wagner, R. (2024). Typ-2-Diabetes: Einteilung in Subgruppen vorteilhaft?. MMW-Fortschritte der Medizin, 166(4), 68-71.
Fritsche, A., Heni, M., Peter, A., Gallwitz, B., Kellerer, M., Birkenfeld, A. L., … & Wagner, R. (2022). Considering insulin secretory capacity as measured by a fasting C-peptide/glucose ratio in selecting glucose-lowering medications. Experimental and Clinical Endocrinology & Diabetes, 130(03), 200-204.