Über eine Milliarde Abfallteile jährlich durch die Diabetestherapie16. September 2025 Die Diabetestherapie verursacht Schätzungen zufolge jährlich über eine Milliarde Abfallteile. Symbolbild: Vadym/stock.adobe.com Mehrweg statt Müllberg: Medizinische Einrichtungen und Menschen mit Diabetes können die Umwelt schon durch wenige Maßnahmen schonen, wie aktuelle Studien zeigen. Der Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD) möchte das Bewusstsein für ressourcenschonende Möglichkeiten schärfen. In einer deutschen Praxisstudie1 sammelten 80 Menschen mit Diabetes in nur drei Monaten über 23.000 Einzelteile an Therapieabfällen, darunter Teststreifen, Nadeln, Sensoren und Pens. Hochgerechnet ergibt das jährlich über eine Milliarde Teile bundesweit. Ähnlich alarmierende Zahlen kommen aus den USA: Dort verursacht die Therapie mit einer Insulinpumpe durchschnittlich 1,2 Kilogramm Müll pro Monat – bei Mehrfachinjektionen sind es sogar 1,4 Kilogramm.2 Etwa 2 Prozent des gesamten Haushaltsmülls Die Diabetestherapie trägt damit zu etwa 2 Prozent des gesamten Haushaltsmülls bei, folgern die Studienautoren. „Die Zahlen verdeutlichen: Wir brauchen dringend nachhaltigere Lösungen – sowohl auf Herstellerseite als auch in den Praxen“, betont Theresia Schoppe, stellvertretende Vorsitzende des VDBD, Diabetesberaterin, Oecotrophologin und Fitnesstrainerin aus Warstein. „Die Untersuchungen zeigen eindrucksvoll, wie groß der Müllberg einer Diabetestherapie tatsächlich ist – das hat auch viele Menschen mit Diabetes und Praxisteams, die unsere Untersuchung unterstützten, überrascht“, ergänzt Privatdozent Dr. Sebastian Petry, Mitautor der deutschen Praxisstudie sowie Oberarzt und Leiter der Klinischen Forschungseinheit am Universitätsklinikum Gießen. Die beiden Experten setzen sich in der Arbeitsgemeinschaft „Diabetes, Umwelt & Klima“ der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) dafür ein, nachhaltige Lösungen in der täglichen Arbeit mit Menschen mit Diabetes zu finden.3 Wiederverwendbare Systeme sparen Plastik und Kosten Ein Ansatz, um Müll zu reduzieren, sind mehrfach verwendbare Insulinpens. Eine britische Untersuchung zeigt, dass deren Einsatz bis zu 95 Prozent des bei der Diabetestherapie entstehenden Plastikmülls einsparen und gleichzeitig die Behandlungskosten senken kann.4 Gerade moderne Systeme wie kontinuierliche Glukosemessung (CGM) oder Insulinpumpen lassen den Abfallberg durch häufigen Wechsel zusätzlich wachsen. „Für Menschen mit Diabetes und ihre Behandlungsteams gibt es bislang kaum Spielraum, bei Pens auf Nachhaltigkeit zu achten. Wo medizinisch möglich, könnten wiederverwendbare Pens die Abfallmenge senken. Auch Einweg-Pens verursachen weniger Abfall, wenn sie größere Füllmengen oder höhere Insulinkonzentrationen enthalten, langwirksame Insuline mit längeren Dosierungsintervallen eingesetzt werden oder die Pens langlebiger sind“, regt Petry an. „Es geht nicht darum, Menschen mit Diabetes zu stigmatisieren und ihnen Umweltverschmutzung vorzuwerfen – moderne Hilfsmittel sind unverzichtbarer Bestandteil des alltäglichen Diabetesmanagements“, betont Petry. Es sollten vielmehr mit allen an der Diabetesversorgung Beteiligten Lösungen und Wege gefunden werden, die Therapie nachhaltiger zu gestalten und so langfristig zu sichern. Kleine Schritte mit großer Wirkung Medizinische Einrichtungen sowie Menschen mit Diabetes können im Alltag die Umwelt mit einfachen Gewohnheiten schonen: „Beispielsweise lassen sich Verpackungsmaterialien bewusst trennen oder Elektronikkomponenten wie Sensoren über Sammelstellen zurückgeben“, betont Schoppe. Tipps zur richtigen Entsorgung: Pen-Nadeln, Lanzetten & Spritzen: In einem stichfesten Abwurfbehälter sammeln, verschließen und über den Hausmüll entsorgen. Fertig-Pens & Insulinampullen: Leere Pens in den Hausmüll, sofern keine Recyclingprogramme bestehen. Abgelaufene Medikamente z.B. in Apotheken abgeben, alternativ ebenfalls über den Hausmüll entsorgen. Glukosesensoren & Patchpumpen: Diese zählen zu Elektroschrott und gehören an Wertstoffhöfe oder Sammelstellen, nicht in den Hausmüll. Verpackungen: Nach Möglichkeit trennen – Papier von Kunststoff abziehen und getrennt entsorgen. Politik in der Verantwortung “Für eine umweltschonende Müllvermeidung und -entsorgung braucht es mehr als das individuelle Engagement“, so Schoppe. Die Politik ist gefordert klare Rahmenbedingungen zu setzen: gemeinsame Recyclingprogramme, Anreize für Hersteller zu „Eco-Design“ sowie eine bessere Aufklärung der Menschen mit Diabetes zusammen mit deren sozialem Umfeld in den Praxen.5 Um Praxisteams konkrete Wege für ressourcenschonendes Handeln aufzuzeigen, organisiert der VDBD die Fortbildungsveranstaltung „Nachhaltig gut beraten“. Sie findet am 18. Oktober 2025 in Essen statt und bietet Keynotes, Workshops und praxisnahe Tipps rund um Klima- und Gesundheitsschutz.
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