Überraschender Effekt: Weniger klimaschädliche Emissionen durch Adipositasmedikation bei Herzinsuffizienz28. August 2025 Symbolfoto: ©blacksalmon/stock.adobe.com Der Einsatz von GLP-1-Rezeptoragonisten verbessert womöglich nicht nur die klinischen Ergebnisse bei der Behandlung von Herzinsuffizienz. Einer neuen Studie zufolge könnte sich damit auch der CO2-Fußabdruck im Gesundheitswesen verringern. Der Gesundheitssektor ist für fast fünf Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich, was die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Verringerung des ökologischen Fußabdrucks in der klinischen Versorgung unterstreicht. Eine jüngst im Rahmen des Kongresses der European Society of Cardiology (ESC) in Madrid (Spanien) vorgestellte Untersuchung widmete sich genau diesem Aspekt. Die Studie ist laut ESC eine der ersten, die die positiven Nebeneffekte der pharmakologischen Behandlung für die Umwelt quantifiziert. Demnach führt die Behandlung von Herzinsuffizienzpatienten mit GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA, z.B. Semaglutid) zu weniger Krankenhausaufenthalten und einer geringeren Kalorienaufnahme, was insgesamt mit einem Rückgang der Treibhausgasemissionen, weniger medizinischen Abfällen und einem geringeren Wasserverbrauch einherging. „Das Ausmaß der potenziellen Einsparungen an Umweltemissionen, die wir in unserer Analyse festgestellt haben, war beeindruckend“, hebt Studienleiter Dr. Sarju Ganatra, Direktor für Nachhaltigkeit und stellvertretender Vorsitzender für Forschung am Lahey Hospital & Medical Center in den USA, hervor. Metaanalyse deckt Reduktion von Treibhausgasen auf GLP-1-Rezeptoragonisten sind bislang nur zur Behandlung von Typ-2-Diabetes und Übergewicht zugelassen. Klinische Studien weisen aber auf potenziell positive Effekte bei der Behandlung von – insbesondere adipösen – Patienten mit Herzinsuffizienz und erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) hin, beispielsweise eine verbesserte Herzinsuffizienzsymptomatik und seltenere Verschlechterungsereignisse (Worsening Heart Failure, WHF), aber auch eine Gewichtsreduktion. Wie sich das auf die Treibhausgasemissionen auswirkt, untersuchten Ganatra und sein Team anhand einer Metaanalyse von vier randomisierten kontrollierten Studien (SELECT, FLOW, STEP-HFpEF und STEP-HFpEF-DM) auf Patientenebene. An allen Studien nahmen Patienten mit HFpEF teil, die entweder mit einem GLP-1-RA (n=1914) oder einem Placebo (n=1829) behandelt worden waren. Unter GLP-1-RA kam es zu 54 WHF-Ereignissen, unter Placebo sogar zu 86. In diesem Punkt stützen die Ergebnisse der Metaanalyse frühere Forschungsergebnisse, wonach die Behandlung mit GLP-1-RA die Zahl der Krankenhausaufenthalte von Patienten mit HFpEF reduzierte. Auf Basis zuvor veröffentlichter Literatur schätzten die Forscher dann die Treibhausgasemissionen der durchschnittlichen Krankenhaus- und intensivstationären Aufenthalte, der Notaufnahmenbesuche und der ambulanten Behandlungen pro WHF-Ereignis. Für die Berechnung gingen die Studienverantwortlichen bei jedem WHF-Ereignis von einer stationären Aufnahme und einer Hin- und Rückfahrt zum Krankenhaus aus. Die mit der Herstellung und Verwendung eines GLP-1-RA verbundenen Treibhausgasemissionen wurden von einem führenden Pharmahersteller bereitgestellt. Bei den Patienten, die die Behandlung erhielten, ermittelten sie so einen Emissionswert von 9,45 kg CO2-Äquivalent pro Patient und Jahr, verglichen mit 9,70 kg CO2-Äquivalent pro Patient und Jahr bei den Placebo-Anwendern. Die Unterschiede waren vor allem auf Emissionen zurückzuführen, die durch Krankenhausaufenthalte und ambulante Behandlungen aufgrund von WHF-Ereignissen entstanden. Einsparung von mehr als zwei Milliarden Kilogramm CO2 möglich „0,25 kg CO2-Äquivalent pro Person, die jährlich durch weniger Krankenhausaufenthalte eingespart werden, mögen gering erscheinen. Wenn man diese Zahl jedoch auf die Millionen von Patienten hochrechnet, die für diese Therapien in Frage kommen, ergibt sich eine Einsparung von mehr als zwei Milliarden kg CO2-Äquivalent“, rechnet Studienleiter Ganatra vor. Um das in Verhältnis zu setzen: Zwei Milliarden kg CO2 entsprechen in etwa 20.000 Langstreckenflügen einer Boeing 747 mit voller Auslastung oder den Emissionen der Stadt Brüssel über einen Zeitraum von drei Monaten. Um zwei Milliarden kg CO2 auszugleichen, wären etwa 30 Millionen Bäume erforderlich, die über einen Zeitraum von zehn Jahren wachsen. Ähnliche Reduzierungen sind ihm zufolge bei der Abfallerzeugung und dem Wasserverbrauch beobachtet worden. Die Analyse ergab weiterhin, dass diejenigen, die mit dem GLP-1-RA behandelt wurden, aufgrund einer Verringerung des täglichen Kalorienverbrauchs im Vergleich zu Placebo etwa 695,33 kg CO2-Äquivalent weniger Emissionen pro Patient und Jahr verursachten. „Diese Forschung zeigt, wie selbst bescheidene individuelle Gewinne zu einer erheblichen kollektiven Wirkung führen können“, resümiert Ganatra. Umweltaspekte sollten stärker berücksichtigt werden „Durch die Kombination von Daten aus klinischen Studien mit Kennzahlen zur Umweltlebenszyklusbewertung bieten wir eine neue Perspektive, um die vollständigen Auswirkungen von Verschreibungsentscheidungen zu bewerten. Wir zeigen auch, dass medizinische Behandlungen einen doppelten Nutzen haben können – eine bessere Gesundheit für die Patienten und einen gesünderen Planeten“, fügt Ganatra hinzu. „Wir hoffen, dass die politischen Entscheidungsträger in Zukunft Nachhaltigkeitskennzahlen in die Bewertung von Gesundheitstechnologien, Entscheidungen über die Erstattung von Arzneimitteln und Beschaffungsrahmen integrieren werden.“ Einschränkend muss erwähnt werden, dass die Forscher für ihre Analyse Modellierungsdaten aus früheren Studien und etablierte Datensätze zur Umweltlebenszyklusbewertung von Emissionen anstelle von direkten Messungen verwendeten. Sie konnten keine patientenspezifischen Variablen wie Verhaltensunterschiede berücksichtigen und nutzten Durchschnittswerte für krankenhausbezogene Emissionen. „Der nächste Schritt für diese Forschung besteht darin, unsere Modellierung mit realen Emissionsdaten und klinischen Ergebnissen zu validieren. Wir hoffen, dass die Umweltbelastung in Zukunft in die Gestaltung klinischer Studien, Arzneimittelzulassungsverfahren und Entscheidungen über die Aufnahme in die Arzneimittelliste einbezogen wird, um sicherzustellen, dass die Gesundheitssysteme mit den globalen Gesundheitszielen in Einklang stehen“, schließt Ganatra. (ah/BIERMANN)
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