Ultrahochverarbeitete Lebensmittel gefährden die Hirngesundheit22. Juli 2025 Fertiggerichte ersparen zeitaufwendiges Kochen und sind in Deutschland sehr beliebt, (Foto: © Monkey Business – stock.adobe.com) Anlässlich des internationalen „World Brain Day“ am 22. Juli machen die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Hirnstiftung auf die Bedeutung ultrahochverarbeiteter Lebensmittel auf die Hirngesundheit aufmerksam. Denn die Hinweise mehren sich, dass sie Schlaganfälle begünstigen und das Demenz- und Parkinson-Risiko erhöhen. Im 15. Ernährungsbericht von 2023 definiert die Deutsche Ernährungsgesellschaft ultrahochverarbeitete Lebensmittel („ultraprocessed foods“/UPF) als „Lebensmittel und Getränke, bei deren Herstellung die eingesetzten Rohstoffe einem umfangreichen industriellen Verarbeitungsprozess unterzogen wurden, und die in der Regel eine Vielzahl von zusätzlichen Zutaten, insbesondere Zusatzstoffe (z. B. Aromen, Konservierungsmittel, Farbstoffe) und energiereiche Inhaltsstoffe mit geringer Essenzialität (gesättigte Fettsäuren, Zucker), enthalten.“1 Der Bericht zeigt einen Zusammenhang zwischen UPF und Übergewicht/Adipositas, Hypertonie, Typ-2-Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen auf. Allein deshalb sollte man den Verzehr dieser energiedichten, verarbeiteten Lebensmittel auf ein Minimum begrenzen. Aktuelle Daten zeigen allerdings, dass es noch weitere Gründe gibt: UPF erhöhen auch das Demenz- und Parkinson-Risiko und können Depressionen begünstigen. Deutsche konsumieren viele ultrahochverarbeitete Lebensmittel Deutschland liegt mit fast 39 Prozent der gesamten Energieaufnahme aus hochverarbeiteten Lebensmitteln (Nahrung und Getränke) weit oben im europäischen Vergleich.2 Das Geschäft boomt: 2025 sollen etwa 6,58 Mrd. € allein mit Fertiggerichten umgesetzt werden, und es wird in den Folgejahren mit einem jährlichen Umsatzplus von mehr als fünf Prozent gerechnet.3 Beworben werden vermeintliche gesunde Aspekte des Produkts, womit suggeriert werde, es handele sich insgesamt um ein gesundes Lebensmittel, kritisieren DGN und Deutsche Hirnstiftung und rechnen am Beispiel einer Fertigpizza vor: Mit einer 400 g-Salamipizza nimmt man 857 Kalorien zu sich, 28 g Fett, 14 g Zucker und 5,8 g Salz (97% des Tagesbedarfs).4 Die vegane Alternative enthält 100 Kalorien weniger, gleich viel Zucker, weniger Salz (58% des Tagesbedarfs), dafür aber 35 g Fett.5 Lobenswert sei, dass im Fall der beiden Pizzen der Nutri-Score den Verbrauchern einen schnellen Vergleich ermögliche. „Es wäre wünschenswert, wenn diese Nährstoff-Ampel auf allen Verpackungen verpflichtend wäre“, erklärt Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN. Ultrahochverarbeitete Lebensmittel und Demenz Verschiedene große Studien legen nahe, dass es zwischen UPF und Demenz einen Zusammenhang gibt. Ein systematisches Review anhand einer Metaanalyse6 zeigte beispielsweise im Vorjahr, dass ein hoher UPF-Konsum mit einem 44 Prozent höherem Demenzrisiko (jedweder Ursache) einhergeht. Eine aktuelle Analyse der Framingham-Kohorte7 untersuchte den Einfluss von UPF in den mittleren Lebensjahren (bei Menschen unter 68 Jahren zu Beginn der Erhebung) auf das spätere Alzheimer-Risiko. Sie kam zu dem Ergebnis, dass diejenigen, die im Durchschnitt über zwölf Jahre lang mehr als zehn Portionen verarbeitete Lebensmittel am Tag konsumierten, ein 2,7-fach erhöhtes Alzheimer-Risiko hatten. Das Risiko stieg mit der Menge des Konsums an: Jede Portion ultraverarbeiteter Lebensmittel pro Tag ging nach dieser Zeitspanne im Durchschnitt mit einem um 13 Prozent erhöhtem Alzheimer-Risiko einher. „Auch wenn diese Analysen methodisch hochwertig sind, handelt es sich lediglich um retrospektive Beobachtungsdaten, die immer Bias-behaftet sein können. Besonders beunruhigend ist allerdings, dass im vergangenen Jahr eine erste prospektive Studie8 ebenfalls einen Zusammenhang zwischen hochprozessierten Lebensmitteln und Demenzrisiko zeigte“, erklärte Berlit. In der Studie ging jede Erhöhung des UPF-Konsums um zehn Prozent mit einer 25-prozentigen Erhöhung des Demenzrisikos und 14-prozentigen Erhöhung des Alzheimer-Risikos einher. „Angesichts dieses Ergebnisses und der vielen retrospektiven Studien, die in die gleiche Richtung deuten, halten wir einen Zusammenhang für wahrscheinlich und möchten darüber informieren.“ Wie lässt sich dieser Zusammenhang erklären? Wie Prof. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung, ausführt, sind die Mechanismen nicht vollständig geklärt, vermutet würden aber verschiedene Wege, wie hochprozessierte Nahrung zu einer Demenz beitragen kann. „Zum einen gibt es den indirekten Zusammenhang via Übergewicht und den Folgekrankheiten Bluthochdruck und Diabetes, die mit einem höheren Demenzrisiko einhergehen. Daneben geht man von einem Mechanismus aus, der über das Darmmikrobiom vermittelt wird: Prozessierte Lebensmittel enthalten viele gesättigte Fette, Transfette, raffinierte Kohlenhydrate, Salz und wenig Ballaststoffe, was die mikrobielle Vielfalt im Darm verändern kann. Wir wissen, dass diese Veränderungen via Darm-Hirn-Achse krankmachende Veränderungen im Gehirn nach sich ziehen können.“ Last, but not least könnten auch einzelne Stoffe, wie künstliche Aromen oder andere Zusatzstoffe direkt neurotoxisch wirken und die Entstehung einer Demenz begünstigen. In Verdacht stehen beispielsweise Glutamat, Nitrate und seit Kurzem auch Mikroplastik9 – „hier fehlen bisher aber Beweise für einen kausalen Zusammenhang“. Ultrahochverarbeitete Lebensmittel – Parkinson und psychische Störungen UPF scheinen auch einen Einfluss auf das Parkinson-Risiko zu haben. Eine prospektive Kohorten-Analyse aus neun europäischen Ländern10 zeigte unter anderem, dass die Parkinson-spezifische Mortalität bei hohem UPF-Konsum um 23 Prozent höher lag. Wie Erbguth unterstreicht, ergab die Studie im Umkehrschluss auch, dass sich das Risiko durch eine Ernährungsumstellung beeinflussen lässt. „Der Ersatz von zehn Gramm ultraverarbeiteter Lebensmittel pro Tag durch die gleiche Menge unverarbeiteter Lebensmittel ging mit einem geringeren Risiko für die Gesamtsterblichkeit und die ursachenspezifische Sterblichkeit einher. Wir selbst haben also die Möglichkeit, hier direkt Einfluss zu nehmen.“ Auch interessant: In einer aktuellen Arbeit wird auf das höhere Risiko für psychische Störungen, Angststörungen und depressive Störungen durch den Konsum hochverarbeiteter Lebensmittel hingewiesen.11 Eine australische Erhebung12 hatte zuvor gezeigt, dass der Konsum von UPF mit einem elfprozetigen Anstieg des Depressionsrisikos verbunden war. „Insgesamt lässt sich feststellen, dass wir uns mit Fast Food und Fertiggerichten, was die Hirngesundheit angeht, keinen Gefallen tun. Ernährung ist ein wichtiger Baustein für die Hirngesundheit, und es ist inzwischen gut belegt, dass wir uns mit einer frischen, Salat-, Gemüse- und Ballaststoff-betonten Ernährungsweise vor vielen Krankheiten schützen können“, schlussfolgert Berlit.
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