Umfrage: Hypertonie-Leitlinien kaum praxistauglich

Das Hypertoniemanagement spielt eine wesentliche Rolle in deutschen Hausarztpraxen. (Foto: ©Racle Fotodesign/stock.adobe.com)

Nationale und internationale Hypertonie-Leitlinien gelten als zu umfangreich und im Praxisalltag nur bedingt umsetzbar. Eine Umfrage unter 437 Hausärztinnen und Allgemeinmedizinern zeigt: Die Implementierung ist mit zahlreichen Hürden verbunden.

Die Empfehlungen klinischer Leitlinien sollen zu einer standardisierten und zeitgemäßen medizinischen Versorgung und Behandlung beitragen. Insbesondere die S3-Leitlinie Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Hypertonie, die von 21 medizinischen Fachgesellschaften und Organisationen erarbeitet wurde, ist von vielen Ärztinnen und Ärzten in Deutschland als zentrale Leitlinie akzeptiert. Sie legt unter anderem die Standardbehandlung in der hausärztlichen Versorgung fest, und bietet evidenzbasierte Entscheidungshilfen – etwa zur korrekten Blutdruckmessung und zu geltenden Zielwerten.

Die seit 2023 geltende NVL ist jedoch sehr umfangreich: Sie umfasst in der Kurzfassung 45 und in der Langfassung 119 Seiten. Daneben gibt es für Medizinerinnen und Mediziner zwei europäische und sogar eine kürzlich publizierte amerikanische Leitlinie. „Diese Fülle an Vorgaben kann nur sehr begrenzt rezipiert, differenziert betrachtet und individuell umgesetzt werden“, kritisiert Prof. Markus van der Giet, Vorsitzender der Deutschen Hochdruckliga. „Konkrete Fragen wie ‚Was muss ich in der Diagnostik unternehmen?‘, ‚Wie sieht die medikamentöse Behandlung aus?‘ und ‚Wie kontrolliere ich die Patientinnen und Patienten?‘ werden darüber hinaus häufig nicht klar beantwortet.“

Leitlinien zu umfangreich und praxisfern

Die damit verbundenen Hürden werden durch eine aktuelle Umfrage unter 437 niedergelassenen Hausärztinnen und Hausärzten deutlich. Deren Ergebnisse wurden jüngst auf dem Deutschen Hypertonie Kongress 2025 in Heidelberg vorgestellt. Demnach ist Implementierung mit zahlreichen organisatorischen und technischen Hürden verbunden und scheitert häufig an fehlender Zeit, mangelnden Ressourcen und fehlendem Praxisbezug.

So gaben zwei Drittel (67 %) der Befragten an, dass die Leitlinien zu umfangreich seien, jeder Zweite (52 %) findet sie zu praxisfern. Die von Juli bis Oktober 2024 bundesweit durchgeführte Befragung zeigt zudem, dass in den geltenden Leitlinien zu wenig berücksichtigt wird, wie Patientinnen und Patienten die Empfehlungen im Alltag umsetzen können. So empfehlen die Leitlinien beispielsweise eine salzarme Ernährung, viel Bewegung und den Verzicht auf Alkohol. „Die Betroffenen sollen ihren Lebensstil ändern, ohne konkrete Angebote, wie das gelingt“, so van der Giet. Diesen Mangel auszugleichen, werde zur Aufgabe von Fachgesellschaften wie der Deutschen Hochdruckliga, resümiert der Vorstandsvorsitzende.

In diesem Zusammenhang weist die Deutsche Hochdruckliga auf ihr breites Informationsmaterial hin, das sich sowohl an Fachkreise als auch an Patientinnen und Patienten richtet.