Umweltproblem Kunststoff: Neuer Lancet Countdown zu Plastik und Gesundheit ins Leben gerufen6. August 2025 Plastik als billige Alternative zu natürlichen Materialien? Dieses Denken könnte die Menschheit teuer zu stehen kommen. (Foto: © Strabiliante/stock.adobe.com) Wissenschaftler warnen vor einer weiteren Kunststoffbelastung in der Umwelt. Eine internationale Kollaboration dokumentiert nun entsprechende Verschmutzungen sowie Maßnahmen dagegen. Plastikverschmutzung und Kunststoffbelastung stellen eine wachsende Gefahr für die Gesundheit von Menschen, Tieren und das Ökosystem Erde dar: Davor warnen Wissenschaftler in einem aktuellen Beitrag in „The Lancet“. Die Forschenden – darunter der Epidemiologe, Mathematiker und Statistiker Prof. Joacim Rocklöv von der Universität Heidelberg – haben zudem Anfang August den neuen „Lancet Countdown on Health and Plastics“ in Genf (Schweiz) vorgestellt. Die internationale Forschungskollaboration soll die globale Belastung durch Plastikmüll, deren Folgen sowie Maßnahmen dagegen dokumentieren. Verstärkung des Klimawandels durch Plastikmüll Schätzungsweise acht Milliarden Tonnen Plastikmüll verschmutzen nach Angaben der Forscher mittlerweile den Planeten. Gleichzeitig steigt die Plastik-Produktion weiter an – die Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich die Kunststoffproduktion bis zum Jahr 2060 ohne Veränderungen fast verdreifachen wird. Das hat gravierende Folgen: So trägt die Produktion von Plastik massiv zum Klimawandel bei, sie ist für mehr Treibhausgas-Emissionen verantwortlich als der gesamte Staat Brasilien. Mikro- und Nano-Partikel sowie zahlreiche Kunststoffchemikalien finden sich selbst in entlegenen Winkeln der Erde, ebenso wie in den Körpern von Meeres- und Landlebewesen und auch von Menschen. Die Wissenschaftler zeigen in dem „Lancet-Beitrag“ auf, wie diese Kunststoffbelastung beim Menschen zu Krankheiten und Todesfällen in Altersgruppen von der frühen Kindheit bis ins hohe Alter führt. Sie dokumentieren außerdem, dass zahlreiche gefährdete Bevölkerungsgruppen unverhältnismäßig stark belastet sind. Die Experten verweisen zugleich auf die hohen wirtschaftlichen Kosten, die dadurch entstehen, sowie auf große Informationslücken: So wurden 75 Prozent aller in Kunststoff enthaltenen Chemikalien nie auf ihre Sicherheit überprüft. Luftbelastung durch Verbrennung im Freien und weitere Probleme In ihrem aktuellen Beitrag in „The Lancet“ nennen die Autoren als Luftemissionen aus der Kunststoffproduktion explizit Feinstaub, Schwefeldioxid, Stickoxide und andere gefährliche chemische Stoffe, denen vor allem Arbeitnehmer in dieser Branche ausgesetzt sein können. Die Verfasser betonen außerdem, dass es einen Mangel an Transparenz darüber gebe, welche Chemikalien in Kunststoffen enthalten sind, wie viel produziert und verwendet wird und welche bekannte oder potenzielle Toxizität sie aufweisen. Viele Kunststoffchemikalien würden mit vielfältigen gesundheitlichen Auswirkungen in allen Lebensphasen in Verbindung gebracht, betonen die Forschenden. Mikroplastik sei bereits in menschlichem Gewebe und Körperflüssigkeiten nachgewiesen worden. Für das Verständnis eines Zusammenhangs mit möglichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit müsse zwar noch weiter geforscht werden, doch Vorsicht sei schon jetzt geboten. Die Autoren des Berichts machen auch darauf aufmerksam, dass schätzungsweise 57 Prozent des nicht anderweitig entsorgten Kunststoffabfalls im Freien verbrannt werden. Dieser Umstand stellt in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen eine Hauptquelle der Luftverschmutzung dar. Ein weiterer Punkt, den die Forschenden nennen, ist, dass Kunststoffabfälle Mücken einen Lebensraum für die Eiablage bieten können und auch eine Nische für das Wachstum von Mikroorganismen darstellen. So könne Plastikmüll möglicherweise zur Verbreitung von durch Vektoren übertragenen Krankheiten und antimikrobiellen Resistenzen beitragen. Auf dem Weg zu einem globalen Abkommen gegen Plastikverschmutzung Um Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung von Plastik zu diskutieren, treffen sich vom 5. bis 14. August 2025 Vertreter der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen in Genf. Ziel der Vereinten Nationen ist ein globales Abkommen gegen Plastikverschmutzung. Mit der Vorstellung des „Lancet Countdown on Health and Plastics“ wollen die beteiligten Experten aus den Bereichen Global Health, Umweltwissenschaften, Chemie und Politik diese Verhandlungen unterstützen. „Wir zeigen, wie gravierend die gesundheitlichen Auswirkungen von Plastikverschmutzung und Kunststoffbelastung bereits sind – und welche Folgen drohen, wenn nicht entschieden gehandelt wird“, betont Rocklöv, der Co-Vorsitzender des Countdowns ist. „Wir nehmen eine breite Perspektive ein und schauen etwa auf das Zusammenwirken von Plastikverschmutzung mit anderen globalen Bedrohungen für die Gesundheit, etwa durch Mücken übertragene Krankheiten und antimikrobielle Resistenz“, ergänzt Dr. Marina Treskova, Ökoepidemiologin an der Universität Heidelberg und Co-Leiterin der Arbeitsgruppe zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Countdowns. Indikatoren für vier Bereiche Für den ersten „Lancet Countdown on Health and Plastics“-Report werden die Forscher wissenschaftlich aussagekräftige und regional repräsentative Indikatoren für die vier Bereiche Plastikherstellung, Exposition, gesundheitliche Folgen sowie Interventionen und Engagement identifizieren und regelmäßig darüber berichten. „Wir werden unabhängige Daten liefern, auf deren Grundlage Entscheidungen zur Förderung der öffentlichen Gesundheit getroffen werden können“, erläutert Rocklöv. Der erste entsprechende Bericht wird nach Angaben des „Lancet“ voraussichtlich Mitte 2026 veröffentlicht werden.Die Gründung des „Lancet Countdown on Health and Plastics“ wird maßgeblich von der Universität Heidelberg sowie vom Boston College (USA), dem Centre Scientifique de Monaco und der australischen Minderoo-Stiftung unterstützt. Die neue Forschungskollaboration ist an die Aktivitäten des „Lancet Countdown on Health and Climate Change“-Reports angelehnt. Damit dokumentieren etwa 300 Forschende die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels.Rocklöv forscht als Alexander von Humboldt-Professor der Universität Heidelberg in einer Reihe von Projekten an der Universität und am Universitätsklinikum Heidelberg zu Auswirkungen von Klima- und Umweltveränderungen auf die öffentliche Gesundheit. Dazu leitet er den Heidelberg Planetary Health Hub (Hei-Planet), der am Heidelberger Institut für Global Health und am Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen angesiedelt ist. Er ist einer der beiden Koordinatoren des europäischen Lancet-Countdown-Berichts zu Gesundheit und Klimawandel sowie einer von zwei Vorsitzenden des neuen „Lancet Countdown on Health and Plastics“.Treskova ist Nachwuchsgruppenleiterin und Co-Projektleiterin eines Flaggschiffprojektes im Heidelberg Planetary Health Hub an der Universität Heidelberg. Rocklöv und Treskova leiten das EU-finanzierte Konsortium „Community-based engagement and interventions to stem the tide of antimicrobial resistance spread in the aquatic environments catalysed by climate change and plastic pollution interactions“ (TULIP), das sich mit den Wechselwirkungen zwischen antimikrobieller Resistenz und Kunststoffen befasst. Öffentliches Bewusstsein schärfen: Plastik ist nicht harmlos und billig „Wir möchten die Menschen darauf aufmerksam machen, dass Plastik nicht so sicher, nicht so praktisch und nicht so billig ist, wie sie denken“, betont Prof. Philip Landrigan, Professor für Biologie am Boston College (USA) und Direktor des Global Observatory on Planetary Health. Er ist Erstautor der unter anderem gemeinsam mit Rocklöv und Treskova verfassten aktuellen Publikation in „The Lancet“. Der Biologe unterstreicht: „Plastik wird aus fossilen Brennstoffen hergestellt, verunreinigt Lebensmittel und Wasser, wird mit vielen menschlichen Krankheiten in Verbindung gebracht und verursacht hohe Kosten für die medizinische Versorgung und Umweltschäden.“ „Der ‚Lancet Countdown on Health and Plastics‘ wird politischen Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit glaubwürdige Informationen darüber liefern, wie wir die globale Plastikkrise angehen, sobald der UN-Plastik-Vertrag in Kraft tritt“, erklärt Landrigan weiter. „Der Countdown wird die Wirksamkeit des Vertrags verfolgen, indem er Informationen aus der ganzen Welt sammelt, die derzeit über viele Datenbanken verstreut sind. Sie werden uns ein schlüssiges, aktuelles Bild davon liefern, welche Auswirkungen Kunststoffe auf die menschliche Gesundheit haben.“ Landrigan weist darauf hin, dass Klimakrise und Plastikkrise eng miteinander verknüpft sind: Beide seien auf den Missbrauch fossiler Brennstoffe – Gas, Öl und Kohle – durch die Menschheit zurückzuführen. „Das Ausmaß sowohl der Klimakrise als auch der Plastikkrise ist nicht zu unterschätzen“, betont Landrigan. „Beide verursachen heute bei Zehntausenden von Menschen Krankheiten, Tod und Behinderungen. Diese Schäden werden sich in den kommenden Jahren noch verschärfen, da sich der Planet weiter erwärmt und die Plastikproduktion weiter zunimmt.“
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