Unerwartete Entdeckung lässt aufgegebenes Brustkrebsmedikament wieder aufleben

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Eine neue Studie unter der Leitung der Universität Lund in Schweden hat ein jahrelanges Rätsel gelöst: Welchen Patientinnen mit aggressivem Brustkrebs hilft eine zielgerichtete Krebstherapie, die sich in der Entwicklung befand, aber auf Eis gelegt wurde?

Trotz der Bemühungen der nordamerikanischen Forscher, vieler Jahre an Forschung und Entwicklung und Millionenausgaben wurde ein Medikament namens Ganitumab, das in Tierversuchen vielversprechende Ergebnisse gegen Brustkrebs gezeigt hatte, auf Eis gelegt. Das Medikament wurde auch klinisch getestet, aber trotz einiger Erfolge blieb die Frage unbeantwortet, welchen Brustkrebspatientinnen die Behandlung half.

Bei der Entwicklung neuer Krebstherapien kommt es häufig vor, dass nicht allen Patienten mit derselben Krankheit dieselbe Behandlung hilft. Deshalb werden eindeutige diagnostische Marker benötigt. Es war jedoch nicht möglich, eindeutige Indikatoren zu finden, die dem medizinischen Fachpersonal zeigen konnten, welche Personen tatsächlich von der Behandlung profitierten. Das Medikament blockiert einen Rezeptor (IGFIR) auf dem Tumor, der, wenn er aktiviert wird, zum Wachstum und zur Ausbreitung des Tumors führen kann.

„Für viele von uns in diesem Bereich war das eine große Enttäuschung. In präklinischen Studien haben wir klare Ergebnisse gesehen, aber als wir ganze Patientenkohorten betrachteten, konnten wir keine eindeutigen Schlussfolgerungen ziehen. Als ich also die Ergebnisse der Forschungsgruppe in Schweden sah, deren Analyse die Antwort auf die Frage lieferte, welcher Marker diejenigen identifizierte, die von dem Medikament profitierten, war ich sehr angenehm überrascht“, freut sich Co-Autor Prof. Michael Pollak von der McGill University in Kanada.

Glücklicherweise hatten die Forscher in den USA alle ihre Daten aus der I-SPY2-Studie zur Verfügung gestellt – vielleicht könnten andere Forscher das Problem lösen?

Dr. Christopher Godina, Postdoktorand an der Universität Lund und Assistenzarzt am Universitätskrankenhaus Skåne, war von all den Daten angetan, die nach den klinischen Studien in Schweden und Kanada gesammelt wurden. In den klinischen Studien wurde den Patientinnen das neue Medikament vor der Brustkrebsoperation verabreicht, doch Godina betrachtete die Daten aus einer neuen Perspektive.

Er kartierte die Art und Weise, wie verschiedene Gene in den Tumoren exprimiert werden, und die laufenden Prozesse rund um den Krebstumor und verglich dies mit den Ergebnissen der Patientinnen. Dabei handelt es sich um hochentwickelte bioinformatische Berechnungen, die Biologie, Informatik und Mathematik kombinieren, um biologische Daten zu analysieren, wobei der Schwerpunkt hier auf genetischen, molekularen und klinischen Daten liegt.

Ziel war es herauszufinden, ob es möglich war, einen Marker zu finden, den die Patientinnen, denen die Behandlung geholfen hatte, gemein hatten. Überraschenderweise spielte es keine Rolle, ob der Tumor den Rezeptor auf der Zelloberfläche hatte, den das Medikament blockieren soll, oder nicht.

„Wir haben einen Biomarker, IGFBP7, gefunden, der uns hilft zu zeigen, welche Patientinnen von dieser Behandlung profitieren könnten. In der Gruppe mit den niedrigsten Markerwerten verschwanden fast 50 Prozent (bei 15 von 32 Patientinnen) der aggressiven Tumoren vor der Operation vollständig und 66 Prozent der aggressivsten triplenegativen Tumoren (bei 12 von 18 Patientinnen). Dies war sicherlich nicht der Biomarker, von dem wir die Antwort erwartet hatten, und das könnte der Grund sein, warum das Rätsel bisher nicht gelöst wurde“, sagt Erstautor Godina.

Das Ergebnis war überraschend. Bisher ging man davon aus, dass Tumore, die viel dieses speziellen Proteins, IGFBP7, enthielten, mit dem Medikament behandelt werden könnten. Das Gegenteil erwies sich als richtig: Das Medikament ist bei denjenigen wirksam, deren Tumoren wenig von dem Protein enthielten. Die Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift „NPJ Precision Oncology“ veröffentlicht wurde, zeigt, dass es möglich ist, die Patientengruppe zu identifizieren, der die Behandlung helfen wird.

„Ein Viertel aller Patientinnen mit aggressivem Brustkrebs könnte von der Behandlung profitieren. Die Entdeckung ist möglicherweise so etwas wie ein Durchbruch nach mehreren erfolglosen Versuchen, zu zeigen, welche Patientinnen von dieser Behandlung profitieren“, hofft Seniorautorin Prof. Helena Jernström von der Universität Lund, Schweden. Denkbar ist auch, dass Patienten mit anderen Krebsarten als Brustkrebs mit dem Medikament geholfen werden kann.

Dieses Ergebnis zeige den Wert offener Daten, heben die Wissenschaftler hervor. Hätten die amerikanischen Forscher ihre Ergebnisse nicht veröffentlicht, wäre es schwierig gewesen, das Rätsel zu lösen.

„In diesem Fall war es anderen möglich, die Ergebnisse zu analysieren und zu sehen, ob sie etwas finden konnten, was den früheren Forschern entgangen war. Es ist also alles ihrer Offenheit zu verdanken. Wir hoffen, dass dies nun die Pharmaunternehmen, die dieses Medikament zur Krebsbehandlung auf Eis gelegt haben, dazu veranlasst, seine Entwicklung wieder aufzunehmen“, schließt Godina.