Unfallchirurgen geben Erste-Hilfe-Tipps bei Handwerkerverletzungen

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Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) beobachtet mehr Handwekerverletzungen in Corona-Zeiten und warnt davor, “Do-It-Yourself-Videos” im Internet allzu leichtfertig auf die eigenen Fähigkeiten zu übertragen.

Zurzeit verbringen viele Menschen coronabedingt mehr Zeit zu Hause. Sie nutzen die Gelegenheit, zu Renovierungs- oder Verschönerungsarbeiten. „Viele informieren sich in YouTube-Videos. Diese erzeugen den Eindruck, dass Handwerken ohne Vorwissen für jeden machbar ist, doch die Umsetzung endet oft mit Verletzungen. Wir sehen jetzt etwa ein Drittel mehr Handwerkerverletzungen in der Notaufnahme“, sagt Prof. Dr. Michael J. Raschke, DGU-Präsident und Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Münster.

„Wer keine Erfahrung mitbringt, sollte besonders bedacht vorgehen. Denn sonst können Schnitt- und Stichwunden, Quetschungen und Brüche, aber auch abgetrennte Finger und Fingerkuppen die Folge sein“, ergänzt Prof. Dr. Dietmar Pennig, DGU-Generalsekretär und Chefarzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Handchirurgie und Orthopädie am St. Vinzenz-Hospital der Universität Köln.

Zu selten dächten Hobbyhandwerker an Arbeitsschutz und sicheres Werkzeug. Statt einer Leiter benutzten sie einen wackligen Hocker. Regelmäßig werde auch mit schwerem Gerät gewerkelt, ohne über die nötige Erfahrung zu verfügen. Zum Einsatz kämen Kreissäge, Flex, Hobelmaschinen oder sogar Motorsägen, mit zum Teil gravierenden Folgen, berichtet die Fachgesellchaft.

„Wir appellieren deshalb dringend an alle Hobby-Handwerker, geeignetes Werkzeug zu verwenden und passende Schutzkleidung zu tragen“, sagt Dr. Thomas Brockamp, Präventionsexperte der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie (DGH). „Falls es jedoch zu einem Unfall kommt, sollte man einen Verbandkasten in der Nähe haben und wissen, was nach einem Unfall als Erstes zu tun ist.“

5 Ersthilfe-Tipps von Unfallchirurgen:

  • Bei Quetschungen: PECH-Regel anwenden – Pause, Eis, Kompression (compression), ggf. hochlegen. Sollten die Beschwerden am Folgetag nicht wesentlich rückläufig sein, so empfiehlt es sich, einen Arzt aufzusuchen, um strukturelle Verletzungen abklären zu lassen.
  • Beim Schnitt mit einem Cuttermesser: Blutung mit einem sauberen Tuch stoppen und die Wunde beobachten. Kribbelt der Finger oder ist er taub, könnte ein Nerv verletzt sein. Auch hier gilt, dass im Zweifel ein Arzt kontaktiert werden sollte.
  • Beim Schlag mit dem Hammer auf Finger oder Daumen: Wenn es keine offene Wunde ist, dann mit einem feuchten Tuch kühlen. Wenn der Schmerz oder die Schwellung nicht nachlässt, sollte auch hier eine Abklärung erfolgen, um ggf. Brüche auszuschließen. Auch ein Bluterguss unter dem Nagel sollte abgeklärt werden, er kann auf einen Bruch des Fingerendgliedes hindeuten.
  • Bei einem abgeschnittenen Finger: Falls mit der Kreissäge ein Finger abgetrennt wurde, ist schnelles Handeln erforderlich. Die Blutung am Stumpf muss mit einem Druckverband gestoppt werden. Das Fingerglied muss trocken in eine Plastiktüte. Diese Tüte wird in eine weitere Plastiktüte gesteckt, die mit etwas Wasser und wenig Eis gefüllt ist. Das Fingerglied darf keinesfalls direkt mit Eis in Berührung kommen, sonst kann es zu thermischen Schädigungen am Gewebe kommen.
  • Beim Sturz auf den Rücken: Bei starken Schmerzen oder Bewusstlosigkeit sollte umgehend ein Rettungswagen gerufen werden, da es sich um eine Wirbelsäulenverletzung oder schwerere Kopfverletzung handeln kann.

Die Experten raten zudem dazu auch kleine Verletzungen, beispielsweise am Handteller oder am Fuß, ernst zu nehmen, da Keime bei einem Stich oder Schnitt tief in die Wunde eindringen könnten, die in den unteren Gewebeschichten zu Knochen- und Gewebeschädigenden Infektionen führen könnten. Bei länger anhaltender Rötung, pochenden pulssynchronen Schmerzen oder Entzündungszeichen sollte auch hier unbedingt der Facharzt aufgesucht werden – auch in Corona-Zeiten – , so die Experten, die zur Prävention Folgendes raten:

5 häusliche Tipps für Hobbyhandwerker:

  • Festes Schuhwerk tragen: nicht in Hausschuhen oder Flipflops auf die Leiter steigen
  • Sicher stehen: keine wackligen Leitern benutzen und nicht auf Tische, Stühle oder Hocker steigen, um an höhergelegene Stellen zu kommen
  • Nicht ablenken lassen: konzentriert arbeiten mit Bohrmaschine, Flex und Co
  • Keine Mutprobe: eigene Fähigkeiten einschätzen, besonders wenn beim Handwerken keine Vorerfahrung vorhanden ist; bei Zweifel besser einen Handwerker hinzuziehen, beispielsweise bei Elektroarbeiten
  • Vorsicht bei Ratgeber-Videos: Nicht immer liefern Amateur-Videos die richtigen Sicherheits-Informationen und vieles sieht einfacher aus, als es ist.