Ungeklärte Fragen bei der ePA für Kinder und Jugendliche

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Ab dem Frühjahr 2025 soll die elektronische Patientenakte (ePA) standardmäßig für alle Bürger eingerichtet werden, die nicht ausdrücklich widersprechen (Opt-Out-Modell). Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen e.V. (BVKJ) sieht große Probleme, die sich im Praxisalltag bei der ePA mit Minderjährigen stellen werden, die von der Politik noch nicht gelöst wurden. 

So ist laut BVKJ bislang unklar, wie sich Ärzte bei der Befüllung der ePA verhalten sollen, wenn die Sorgeberechtigten differente Wünsche äußern, was in der ePA ihrer Kinder gespeichert werden soll. Auch sei unklar, ob der Widerspruch eines Elternteils ausreicht, um die ePA nicht anzulegen. Weiterhin kritisiert der BVKJ, dass die Befüllung der ePA von Kindern mit hochsensiblen Daten, die zu Stigmatisierung oder Diskriminierung führen könnten, für Ärzte verpflichtend ist, auch wenn diese überzeugt sind, dass dies nicht im Interesse des Kindes ist.

Fatal ist aus Sicht des BVKJ außerdem, dass Jugendliche unter 15 Jahren datenschutzrechtlich ihren Sorgeberechtigten gegenüber bisher ungeschützt sind, auch wenn sie ein berechtigtes Interesse auf Nichtinformation der Sorgeberechtigten äußern (z. B. Inanspruchnahme von Verhütungsberatung, Verordnung von Verhütungsmitteln). Auch hierfür gibt es aktuell keine Lösung. Hochproblematisch sei weiterhin, dass, wenn ein oder gegebenenfalls auch beide Elternteile das Sorgerecht verlieren, bislang nicht geklärt ist, wer die ePA-Nutzungsrechte diesen nicht mehr Sorgeberechtigten entzieht und umgehend sicherstellt, dass insbesondere im Kinderschutzfall Informationen nicht an nicht mehr Sorgeberechtigte gelangen, die unter Umständen das Kind gefährden können.

Dr. Michael Hubmann, Präsident des BVKJ, betont: „Wir begrüßen eine moderne und funktionale digitale Patientenakte. Aber solange die von uns benannten Probleme nicht gelöst sind, werde ich Sorgeberechtigten und Patient*innen dazu raten, die Entscheidung über ihre Teilnahme an der ePA sorgsam abzuwägen. Der Opt-Out muss bei Kindern die niederschwelligste Option sein. Der Wunsch auf Nichtspeicherung muss, auch wenn er nur von einem Elternteil oder einem Kind über 14 Jahren geäußert wird, Berücksichtigung finden. Eine zukünftige Bundesregierung ist aufgefordert, hier gesetzlich nachzubessern.“

Diesen Forderungen, die der BVKJ bei seiner Delegiertenversammlung bekräftigt hat, hat sich inzwischen auch die KV Bayern (KVB) angeschlossen. Und auch die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung verabschiedete am 6. Dezember einen Beschluss mit folgenden Forderungen: Die ePA bei Minderjährigen müsse von einem Opt-Out- auf ein Opt-In-Modell umgestellt werden, da Minderjährige keine Verantwortung für spätere Nachteile übernehmen können. Abrechnungs- und Diagnosedaten der Versicherten müssten von den Krankenkassen so in die ePA eingestellt werden, dass sie ausschließlich vom Versicherten selbst eingesehen und erst bei Bedarf anderen behandelnden Personen zur Verfügung gestellt werden können. Des Weiteren müssten die Krankenkassen ihre Versicherten sachgerechter und sehr viel umfangreicher als bisher über die ePA aufklären, fordern BVKJ und KVB.

Schwerwiegende Sicherheitslücken aufgedeckt

Auf seinem zrückliegenden Jahreskongress hatte der Chaos Computer Club (CCC) schwerwiegende Sicherheitslücken in der ePA aufgedeckt. Laut den Experten des CCC könnten potenziell die Gesundheitsdaten von mehr als 70 Millionen Versicherten gefährdet sein – ein Risiko, das aus Sicht des BVKJ unter keinen Umständen eingegangen werden darf. Die für die ePA verantwortliche Gematik räumte ein, dass solche Angriffsszenarien technisch denkbar seien, betonte jedoch, dass sie in der Praxis als äußerst unwahrscheinlich gelten. Laut Minister Lauterbach werde schon länger an einer Lösung gearbeitet.

„Es ist frustrierend, wie die Verantwortlichen versuchen, eine für professionelle Angreifer leicht zu überwindende Datenlücke kleinzureden und den Eindruck zu erwecken, die ePA würde die Datensicherheit in Deutschland sicherstellen. Bereits Ende November haben wir uns mit unseren Sorgen bezüglich der Rechte von Kindern und Jugendlichen in der ePA an das Bundesgesundheitsministerium, die Bundesdatenschutzbeauftragte, den Patientenbeauftragten und die Gematik gewandt – doch das Ministerium sieht offenbar keinerlei Handlungsdruck und die Probleme bleiben weiterhin ungelöst“, erklärte Hubmann. In einer Rückmeldung der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit habe das Referat die Bedenken des Berufsverbandes als nachvollziehbar bezeichnet und dessen Einschätzungen geteilt, berichtet der BVKJ. Konkrete Maßnahmen zur Lösung der Probleme stünden jedoch weiterhin aus, monierte der Berufsverband.

„Wir hören immer nur, das sei alles im Werden. Wir gehen jedoch nicht davon aus, dass bis zur Einführung der ePA im Frühjahr unsere schwerwiegenden Bedenken oder die jüngsten Warnungen des CCC zu den Sicherheitsmängeln ausgeräumt sein werden. Bis die Rechte von Kindern und Jugendlichen in akzeptabler Weise verwirklicht sind, können wir Patienten und deren Eltern nur empfehlen, sich aktiv gegen die ePA zu entscheiden. Richtig wäre jetzt, die Reißleine zu ziehen und dann ein sicheres System an den Start zu bringen“, erklärte Hubmann.