Universitätsklinikum Gießen führt erste robotische PCI in Deutschland durch19. Dezember 2019 Prof. Holger Nef, stellvertretender Direktor der Klinik Kardiologie und Angiologie am Uniklinikum Gießen, im Hintergrund: Prof. Albrecht Elsässer, Leiter der Akademie-eigenen Kurse der DGK. Foto: © Andi Mährlein/Universitätsklinikum Gießen Das Universitätsklinikum Gießen ist das erste Klinikum in Deutschland, an dem assistiert von einem Robotersystem ein Stent minimalinvasiv in ein verengtes Herzkranzgefäß eingesetzt wurde. Diese perkutane Koronarintervention (PCI) führte das Team von Prof. Holger Nef durch. Um den Katheter zu führen und den Stent zu setzen, nutzen die Ärzte ein endovaskuläres Roboter-System zusammen mit einem Angiographie-System. Die PCI ist im klinischen Alltag nach wie vor mit einigen potentiellen Risiken, sowohl für den Patienten als auch für das Personal des Herzkatheterlabors, verbunden. „Für den Patienten sind dies unter anderem die Strahlenbelastung, das akute Nierenversagen durch Kontrastmittelgabe und die Stentthrombose / Stentstenose bei falscher visueller Einschätzung der Läsionslänge“, berichtet Nef . Auch das klinische Personal ist auf Dauer einer Belastung ausgesetzt, welche sich vor allem durch das Tragen von schweren Bleischürzen und die Röntgenstreustrahlung bemerkbar macht. Interventionelle Kardiologen entwickeln bereits in frühen Lebensjahren häufiger Katarakte als Ärzte aus anderen Fachgebieten. In einer kürzlich publizierten Beobachtungsstudie wurde zudem die Sorge um einen möglichen Zusammenhang zwischen der lebenslangen Strahlenbelastung bei interventionellen Kardiologen und der Entwicklung von linksseitigen Hirntumoren geäußert. Nicht zuletzt aus diesen Gründen wurde seit Jahren nach einer Roboter-gestützten und ferngesteuerten Alternative geforscht. In diesem Zusammenhang wurden Roboter-gestützte und ferngesteuerte Systeme für koronare und endovaskuläre Eingriffe entwickelt, um einige dieser oben erwähnten Risiken zu minimieren. Roboter im OP: Ärzte am Universitätsklinikum Gießen nutzen erstmals in Deutschland das Robotersystem von Corindus, einem Tochterunternehmen von Siemens Healthineers. Foto: © Andi Mährlein/Universitätsklinikum Gießen Erste Versuche haben die Sicherheit, Anwendbarkeit und Effektivität des nun in Gießen eingesetzten Gerätes mit der konventionellen PCI verglichen. In der ersten veröffentlichten Studie beurteilen die Behandler die Leistungen des Robotersystems in 97,5 Prozent der Fälle als gleichwertig oder besser als das herkömmliche manuelle PCI-Verfahren. Die Strahlenbelastung des interventionellen Kardiologen reduzierte sich um 97 Prozent im Vergleich zur konventionellen PCI. Darüber hinaus wurden Robotersysteme für die PCI auch mit dem Ziel entwickelt, die Präzision zu erhöhen. So erlaubt ein Robotersystem durch seine mechanische Präzision eine exakte Steuerung der Stent- und Ballonpositionierung (0,5-mm-Schritte). „Eine genaue Positionierung von Stent und Ballon ist entscheidend für den prozeduralen Erfolg der PCI und das langfristige Ergebnis“ sagt Prof. Christian Hamm, Direktor der Medizinischen Klinik I, Kardiologie und Angiologie, am Uniklinikum Gießen. „Wenn koronare Läsionen nicht vollständig durch Stents abgedeckt werden, ist dies ein wesentlicher Risikofaktor für Folgeeingriffe durch Restenosen.“ Zukünftige Implementierung von künstlicher Intelligenz erlaubt zudem eine weitere Simplifizierung der PCI-Prozedur. Technische Innovationen ermöglichen komplexere Eingriffe Durch diesen technischen Fortschritt im Bereich der interventionellen Kardiologie kann es ferner gelingen, zunehmend komplexere Prozeduren wie beispielsweise Mehrgefäßerkrankungen, Hauptstammstenosen, Bifurkationsstenosen oder auch Wiedereröffnungen von chronischen Verschlüssen erfolgreich routinemäßig durchzuführen. „Gerade bei diesen Untersuchungen kann die Präzision durch robotische Unterstützung, sowie die Reduktion der Strahlenbelastung elementar wichtig sein.“ so Nef. Doch um die zahlreichen Optionen der Robotersysteme im Rahmen der Prozedur zu nutzen, sollte eine standardisierte und differenzierte Ausbildung der Interventionalisten mit dieser Technik erfolgen. “Hierdurch könnten wir optimale Eingriffsergebnisse bei gleichzeitiger Risikoreduktion für unsere Patienten erzielen”, so Prof. Albrecht Elsässer, Leiter der Akademie-eigenen Kurse der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK). „Derzeit wird bereits ein Curriculum erstellt und der Ausbildungsprozess wissenschaftlich begleitet. Wenn wir von einer flächendeckenden Verbreitung der Methode in den kommenden Jahren ausgehen, können wir durch solche Programme eine hohe Versorgungsqualität der Patienten garantieren.“
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