Unterschätzte Bedeutung von Ernährung und Hörminderung für die Demenzentwicklung

Hörgeräte dienen auch der Demenzprävention. (Foto: © Peter Maszlen – stock.adobe.com)

Das Thema Demenz wird in den Gesundheitsmedien immer präsenter; dabei werden zunehmend auch die modifizierbaren Demenz-Risikofaktoren thematisiert. Eine aktuelle Studie belegt nun den großen Nutzen von Hörgeräten bei der Demenzprävention.1 Auf einen anderen, bislang zu wenig berücksichtigten Faktor weist eine weitere Studie hin – den Verzehr hochprozessierter Lebensmittel.2

Die Zahl demenzkranker Menschen nimmt weltweit zu. Dies liegt nicht nur an der sich verändernden Altersstruktur der Gesellschaft beziehungsweise der zunehmenden Lebenserwartung. Neben genetischer Veranlagung und dem Alter per se sind schon lange verschiedene beeinflussbare Risikofaktoren bekannt, die langfristig zum Verlust kognitiver Fähigkeiten bzw. zur Entwicklung einer Demenz beitragen. Umgekehrt kann die konsequente Vermeidung aller bekannten modifizierbaren Risikofaktoren nachweislich mehr als 30 Prozent der Demenzfälle verhindern.3,4 Neue Daten rücken nun zwei bislang wenig bekannte – und dabei jedoch sehr einfach zu korrigierende – Faktoren in den Fokus der Demenzprävention: Dies sind ein schlechtes Hörvermögen und eine ungesunde Ernährung beziehungsweise zu große Mengen hochprozessierter Nahrungsmittel, wie die Deutsche Gesellschaft für Neurologie berichtet.

Hörminderung und Hörverlust sind signifikant mit dem Rückgang kognitiver Fähigkeiten und der Demenzinzidenz assoziiert. Ob im Umkehrschluss der Einsatz von Hörhilfen (Hörgeräte oder Cochlea-Implantate) positive Effekte auf die Kognition haben, untersuchte nun eine große Metaanalyse.1 Von 3243 gescreenten Studien wurden insgesamt die Daten von 137.484 Teilnehmenden aus 31 randomisierten oder Beobachtungsstudien ausgewertet. Die Dauer des Follow-ups betrug bis zu 25 Jahre. Das Ergebnis zeigte, dass die Verwendung von Hörhilfen verglichen mit Teilnehmenden ohne entsprechende Geräteversorgung langfristig mit einem signifikanten, um 19 Prozent niedrigeren Risiko für jede Art des kognitiven Abbaus einherging (HR 0,81). Außerdem belegten elf Studien (n=568) eine Assoziation zwischen hörverbessernden Maßnahmen und einer Verbesserung kognitiver Scores um drei Prozent bereits bei kurzfristigen Kontrollen kognitiver Tests.

Die zweite Studie2 untersuchte die Assoziation von Demenzentwicklung und dem Verzehr hochprozessierter Lebensmittel. Darunter fallen solche mit einem hohen Grad an industrieller Verarbeitung. Zum einen sind das die typischen „Ready-to-eat“- und „Ready-to-heat“-Produkte, aber auch Süßwaren, Softdrinks oder Fertigsaucen fallen in diese Kategorie. Obwohl Zusammenhänge zwischen dem Verzehr ultraprozessierter Lebensmittel und dem Risiko für kardiovaskuläre und metabolische Erkrankungen beschrieben sind, war bisher nur wenig bekannt über die Bedeutung für die Kognition.

Beamte aus sechs brasilianischen Städten im Alter zwischen 35 und 74 Jahren nahmen an der multizentrischen, prospektiven longitudinalen Kohortenstudie (2008–2017) teil. Zu Beginn erhielten sie Fragebögen zu ihren Ernährungsgewohnheiten. Individuen mit extrem niedriger oder hoher Kalorienzufuhr (<600 oder >6000 kcal/Tag) und Personen mit Einnahme von Medikamenten, die kognitive Tests beeinflussen könnten, wurden ausgeschlossen. Die tägliche Aufnahme hochprozessierter Nahrung wurde prozentual zur Gesamtzufuhr ermittelt und in Quartile eingeteilt. Kognitive Veränderungen wurden im Verlauf durch unterschiedliche Sprach- und Gedächtnistests evaluiert. Insgesamt 10.775 Teilnehmende einer ethnisch gemischten Population mit einem mittleren Alter von 51,6±8,9 Jahren (zu Studienbeginn) wurden analysiert; 54,6 Prozent waren weiblich und 56,6 Prozent hatten mindestens einen College-Abschluss. Während einer medianen Nachbeobachtungszeit von acht Jahren (6–10) hatten Teilnehmende mit einem Verzehr von hochprozessierter Nahrung oberhalb der ersten Quartile (gegenüber denjenigen, deren Verzehrmenge in der ersten Quartile lag) einen signifikanten, um 28 Prozent schnelleren Rückgang globaler kognitiver Fähigkeiten (p=0,003) und einen um 25 Prozent schnelleren Verlust von Exekutivfunktionen (p=0,01).

„Dass Demenzprävention überhaupt möglich ist, ist bisher in unserer Gesellschaft noch gar nicht richtig angekommen – nicht bei jedem Einzelnen, besonders nicht in jungen Altersgruppen, auch nicht bei allen Ärztinnen und Ärzten“, erklärt DGN-Generalsekretär Prof. Peter Berlit. „Hirngesundheit ist ein extrem wichtiges Thema – für uns alle. Wir sollten konsequent die bekannten Demenz-Risikofaktoren vermeiden. Wie die aktuellen Studien zeigen, ist der positive Effekt, den Hörhilfen zur Korrektur von Schwerhörigkeit und eine gesunde, frisch zubereitete Kost auf unsere kognitive Gesundheit haben, sehr hoch. Wir möchten daher die Bevölkerung auf diese Präventionsmaßnahmen, die im Alltag leicht umzusetzen sind, hinweisen.”