Unterstützung bei Lebensstiländerung hilft bei chronischen Rückenschmerzen23. Januar 2025 Symbolfoto: ©Dragana Gordic/stock.adobe.com Werden Menschen mit chronischen Rückenschmerzen gezielt dabei unterstützt, ihren Lebensstil zu verändern, wirkt sich das positiv auf den Grad ihrer Behinderung, ihr Gewicht und ihre Lebensqualität aus – und zwar stärker als die standardmäßige physiotherapeutische Intervention. Schmerzen im unteren Rückenbereich sind weltweit eine der häufigsten Ursachen für Behinderungen, wobei viele Behandlungen, wie z. B. Medikamente, oft keine dauerhafte Linderung bringen. Forscher von der Universität Sydney (Australien) haben eine mögliche Lösung aufgedeckt. Ihre in „JAMA Network Open“ veröffentlichte Studie ergab, dass die Integration von gezielter Unterstützung bei Lebensstiländerungen in die Behandlung von Rückenschmerzen die Behinderungen verringern und die Lebensqualität verbessern könnte. Die Effekte waren zwar eher klein, dennoch sind die Forscher überzeugt, ihre Studie unterstreiche die Notwendigkeit eines Umdenkens bei der Behandlung von Rückenschmerzen – weg von Pillen und Eingriffen, hin zur Berücksichtigung von Lebensstilfaktoren. Mit gesünderem Lebensstil zu weniger Einschränkungen und mehr Lebensqualität An der randomisierten, kontrollierten Studie nahmen 346 Personen aus ganz Australien teil, die alle unter chronischen Kreuzschmerzen und mindestens einem Risikofaktor in der Lebensführung litten, z. B. Fettleibigkeit, schlechte Ernährung, Bewegungsmangel oder Rauchen. Die Studienteilnehmer waren im Durschnitt 50,2 Jahre alt und etwas mehr als die Hälfte (55%) waren Frauen. Nach dem Zufallsprinzip wurden sie einer von zwei Gruppen zugeteilt: dem „Healthy Lifestyle Program (HeLP)“ (n=174) oder der standardmäßigen leitliniengetreuen physiotherapeutischen Versorgung zur Behandlung ihrer Kreuzschmerzen (n=172). Die HeLP-Teilnehmer erhielten Unterstützung von Physiotherapeuten, Ernährungsberatern und telefonischen Gesundheitsberatern, die ihnen dabei halfen, herauszufinden, welche Lebensgewohnheiten ihre Rückenschmerzen beeinflussen könnten, z. B. Gewicht, Bewegungsmangel, schlechte Ernährung, wenig Schlaf, Rauchen oder übermäßiger Alkoholkonsum. Anschließend erhielten sie über einen Zeitraum von sechs Monaten evidenzbasierte Ratschläge zur Bewältigung dieser Lebensstilprobleme. Der Ansatz zeigte im Vergleich zur Standardbehandlung mehrere Vorteile, darunter eine geringere Behinderung, wobei die Teilnehmer im Roland Morris Disability Questionnaire (RMDQ) durchschnittlich 1,3 Punkte weniger erreichten (höhere Werte bedeuten eine größere Behinderung, Skala 0–24). Eine Sensitivitätsanalyse, die die Compliance der Teilnehmer berücksichtigte, ergab mit Blick auf die Behinderung einen klinischen bedeutsamen Nutzen für die Teilnehmer der HeLP-Gruppe ((-5,4 Punkte im RMDQ). Außerdem nahmen die HeLP-Teilnehmer im Durchschnitt 1,6 kg mehr ab als die Kontrollgruppe. Stärkere Berücksichtigung von Lebensstilfaktoren Der leitende Prüfarzt, Associate Professor Chris Williams, ist der Ansicht, dass die Ergebnisse die traditionellen Ansichten über die Behandlung von Rückenschmerzen in Frage stellen: „Bei der Behandlung von Rückenschmerzen muss man sich auf mehr als nur den Rücken konzentrieren. Unser Körper ist nicht wie eine Maschine, sondern eher wie ein Ökosystem, in dem viele Faktoren zusammenwirken und bestimmen, wie wir funktionieren und uns fühlen. Rückenschmerzen sind da nicht anders. Wenn jemand also Rückenschmerzen hat, die nicht besser werden, sollte er eine umfassende Behandlung erwarten, die sich auf eine Reihe von Gesundheitsfaktoren konzentriert und nicht nur auf das, was in der Wirbelsäule passiert. Diese Botschaft sollten wir von den Dächern schreien.“ Immer mehr Studien hätten gezeigt, dass Pathologien wie Bandscheibenvorfälle und Gelenkverschleiß nur selten die Ursache für langfristige Rückenschmerzen seien, verdeutlicht Williams. „Das Problem ist, dass dies nur wenigen Menschen gesagt wird, und noch weniger erhalten Unterstützung, um sich auf die Dinge zu konzentrieren, die langfristige Schmerzen und Behinderungen beeinflussen. Zu viele Menschen werden für eine Operation überwiesen oder bekommen Medikamente verschrieben, die nicht helfen – und möglicherweise sogar zu noch mehr Schaden führen.“ Selbstmanagement fördern Die Hauptautorin und leitende Forschungsbeauftragte der Universität Sydney, Dr. Emma Mudd, betonte die Auswirkungen, die das Programm in der Praxis haben könnte. Ihrer Erfahrung nach fühlen sich viele Menschen mit lang anhaltenden Rückenschmerzen „im Stich gelassen“. Sie würden zu oft zu unwirksamen Behandlungen überwiesen, ohne dass ihnen empfohlene Behandlungen angeboten würden, die das Selbstmanagement fördern, betont Mudd. „Indem wir den Schwerpunkt auf Veränderungen des Lebensstils legen und einfache, unterstützende Maßnahmen anbieten, fühlen sich die Patienten in die Lage versetzt, ihre Schmerzen selbst in die Hand zu nehmen. Dieser Ansatz verbessert nicht nur ihre Symptome, sondern auch ihre Lebensqualität insgesamt.“ Die Forscher sind der Ansicht, dass eine in den Lebensstil integrierte Behandlung, wie das HeLP-Programm, den Patienten auch über die Schmerzbehandlung hinaus zugute kommen und möglicherweise das Risiko für andere chronische Krankheiten verringern könnte. Mudd weist jedoch darauf hin, dass dieser Ansatz in den globalen Leitlinien noch nicht vollständig berücksichtigt wurde: „Unsere Forschung könnte künftige Aktualisierungen der Leitlinien für Rückenschmerzen beeinflussen. Die Patienten schätzten die ganzheitliche Unterstützung, und die Ergebnisse sprechen für sich selbst.“ „Kliniker, die Rückenschmerzen behandeln, sollten sich überlegen, wie sie die Unterstützung des Lebensstils in ihre tägliche Arbeit integrieren. Es scheint keinen richtigen oder falschen Weg zu geben, solange der Patient das Gefühl hat, dass er angehört wird und an der Entscheidungsfindung beteiligt ist“, ergänzt Williams. (ah)
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