Untersuchung am Saltonsee: Schädlicher Staub beeinträchtigt das Lungenmikrobiom22. Oktober 2025 Wissenschaftler von der UC Riverside sammelten am Saltonsee in den USA Staub für die Erforschung eines möglichen Zusammenhangs mit Schäden für die Lungengesundheit. (Foto: © Linton Freund/UCR) Wissenschaftler in den USA haben an Mäusen Untersuchungen zu lungentoxischem Staub vom Saltonsee durchgeführt. In der Studie kam es schon nach einer einwöchigen Exposition zu einer Veränderung im Mikrobiom der Lunge. Der Anfang des 20. Jahrhunderts durch einen Dammbruch entstandene Saltonsee (Salton Sea) im US-Bundesstaat Kalifornien trocknet seit Jahren immer mehr aus. Wo das Wasser zurückgeht, bleibt eine Staubwüste – mit Folgen auch für die Gesundheit der Bewohner von Gemeinden und Städten in der Umgebung. Verändertes Mikrobiom, veränderte Immunantwort Schon in der Vergangenheit sei gezeigt worden, dass genetische oder bakterielle Erkrankungen einen Effekt auf das Lungenmikrobiom haben können, erklären Wissenschaftler von der University of California Riverside (USA). Die aktuellen Forschungsergebnisse lieferten nun erstmals einen Beleg dafür, dass solche Veränderungen möglicherweise eher durch Umweltfaktoren verursacht werden. Die Veröffentlichung in der Zeitschrift „mSphere“ zeigt, dass das Einatmen von Staub in der Luft, der von den Ufern des flachen Salzsees stammt, bei ansonsten gesunden Mäusen die mikrobielle Landschaft in der Lunge veränderte. Auch kam es zu einer modifizierten Immunantwort bei den Tieren. „Selbst Salzseestaub, der durch Filterung von lebenden Bakterien und Pilzen befreit wurde, führt zu Veränderungen hinsichtlich derjenigen Mikroben, die in der Lunge überleben“, sagt die Mykologin Mia Maltz von der UC Riverside, Hauptautorin der Arbeit. „Er verursacht tiefgreifende Veränderungen der Umgebung im Körperinneren.“ Wahrscheinlich ein Hauptfaktor für die hohe Asthmainzidenz in der Umgebung des Sees „Unsere Untersuchungen im Labor zeigten, dass der sich am Salzsee bildende Staub signifikante Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann, vor allem in der Lunge“, berichtet Prof. David Lo, Biomediziner an der UC Riverside, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. Es sei wahrscheinlich, so fügt er hinzu, dass es sich bei diesem Staub um einen der Hauptfaktoren für die hohe Asthmainzidenz in Gemeinden in der Seenähe handele. Forschende um Lo hatten bereits im Jahr 2022 eine Untersuchung zu Entzündungen in der Lunge veröffentlicht, die auf Staub vom trockenfallenden Saltonsee zurückzuführen sind (wir berichteten). In dieser älteren Studie waren die Wissenschaftler zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die beobachteten Entzündungen in den Lungen exponierter Mäuser wahrscheinlich durch bakterielle Bestandteile verursacht werden als durch klassische Allergene wie Schimmelpilze, Hausstaubmilben oder Pollen. Umwelteinflüsse schon bei Beprobung der Seeufer feststellbar Die Wissenschaftler bedienten sich für ihre aktuelle Studie wieder einer Expositionskammer, in der reale Luftbedingungen nachgeahmt wurden. Das Team nahm Staubproben sowohl in der Nähe des Sees als auch etwas weiter davon entfernt. Anschließend setzten sie Mäuse über einen Zeitraum von einer Woche Umgebungsluft aus, die Partikel aus diesen Proben enthielt. Schon vor einer genaueren Analyse gab es Hinweise auf schädliche Effekte. „Die Bewohner am Saltonsee haben beständig den Verdacht, dass ihre Umwelt Einfluss auf ihre Atemwegserkrankungen hat“, berichtet Talyssa Topacio, Doktorandin an der UCR und Erstautorin der Studie. Sie fügt hinzu: „Die Mitarbeiter aus unserem Labor haben die Auswirkungen von Hitze, Staub und stechender Luft bei den Feldarbeiten deutlich gespürt.“ Die Umweltmikrobiologin Emma Aronson, ebenfalls von der UCR und an der Studie beteiligt, ergänzt: „Der Staub riecht außerdem einfach nicht gut. Bei der Verarbeitung im Labor konnte er regelrecht stinken.“ Mehr Pseudomonas-Bakterien und Staphylokokken Zu den Bakterienarten, die sich bei den Mäusen, die dem Staub vom Saltonsee ausgesetzt waren, vermehrten, gehörten Pseudomonas und Staphylococcus. Beide sind mit Entzündungen der Atemwege assoziiert. Die am stärksten betroffenen Proben waren reich an Bakterien mit Lipopolysacchariden (LPS) auf ihrer Hülle. LPS lösen bekanntermaßen Immunreaktionen aus. „Wir glauben, dass mikrobielle Produkte wie LPS zur Entzündungsursache beitragen“, erklärt Maltz. „Es ist, als würde man einen chemischen Fingerabdruck toter Bakterien einatmen.“ Einige Staubproben erwiesen sich im Labor als besonders potent. In einem Fall enthielten bis zu 60 Prozent der Lungenimmunzellen Marker für die Aktivierung von Neutrophilen, was auf eine aggressive Entzündung hindeutet. Bei Mäusen, die gefilterte Luft atmeten, lag der Neutrophilenspiegel bei nur zehn bis 15 Prozent. Veränderungen auch ohne Vorerkrankungen Laut Aronson stellen diese neuen Forschungsergebnisse langjährige Annahmen in der Lungenforschung infrage. „Wir haben solche mikrobiellen Veränderungen bei Menschen mit Mukoviszidose oder Infektionen beobachtet“, erläuterte die Wissenschaftlerin. „Aber diese Mäuse hatten keine Vorerkrankungen. „Sie waren wie ein unbeschriebenes Blatt, und trotzdem kam es zu diesen Veränderungen.“ Da der Boden des Saltonsees immer weiter austrocknet, gelangen immer mehr toxische Sedimente in die Luft. Die Forschungsgruppe untersucht, ob ähnliche mikrobielle Veränderungen bei Kindern vor Ort auftreten. „Das Einatmen von Staub kann im Laufe der Zeit chronische Auswirkungen auf die Lunge haben“, fasst Lo zusammen. „Diese Untersuchungen zum Potenzial für Veränderungen des Lungenmikrobioms sind ein wichtiger erster Schritt zur Identifizierung von Faktoren, die zu Asthma und anderen chronischen Erkrankungen führen können.“ Andere Expositionen im Fokus künftiger Forschungen Die Studie wirft laut ihren Autoren auch allgemeinere Fragen auf. Wenn Staub das Lungenmikrobiom verändern kann, wie sieht es dann mit Rauch, Abgasen oder E-Zigaretten aus? Die Forscher wollen nun prüfen, ob auch solche Expositionen ähnliche Störungen verursachen. Die aktuelle Arbeit stützte sich auf eine von Maltz über vier Jahre entwickelte Methode zur Isolierung mikrobieller DNA aus Wirtsgewebe. Diese ermögliche einen detaillierteren Einblick in das Lungenmikrobiom als zuvor, erklären die Wissenschaftler. Im nächsten Schritt soll ermittelt werden, ob unter solchen Umständen schützende Mikrobenarten verloren gehen und wie lange erkennbare Veränderungen des Mikrobioms anhalten. „Wir beginnen gerade erst zu verstehen, wie Staubbelastung das Lungenmikrobiom verändert“, unterstreicht Maltz. „Wir wissen noch nicht, wie lange die Veränderungen anhalten oder ob sie reversibel sind. Das ist eine weitere große Frage.“ (ac/BIERMANN)
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