„Unveröffentlichte Studienergebnisse gefährden die evidenzbasierte Gesundheitsversorgung“15. Mai 2024 Symbolfoto: Tada Images/stock.adobe.com Cochrane Deutschland und das „Bündnis Transparenz in der Gesundheitsforschung“ fordern eine klare Regelung für die vollständige und zeitnahe Veröffentlichung der Ergebnisse sämtlicher interventionellen klinischen Studien in Deutschland. Ein Positionspapier des Bündnisses erklärt, warum unveröffentlichte Studienergebnisse unsere Gesundheit gefährden und was geschehen muss, um dieses Problem zu lösen: Demnach verzerren Ergebnisse aus klinischen Studien, die verspätet, unvollständig oder gar nicht veröffentlicht werden, die Datenbasis für evidenzbasierte Gesundheitsentscheidungen. Wie Prof. Jörg Meerpohl, Direktor von Cochrane Deutschland, im Rahmen eines Pressegesprächs erklärte, weiß man seit 30 Jahren, dass es Studien gebe, die nicht veröffentlicht werden. Dies passiere nicht immer zufällig, sondern zum Teil oder sogar häufig in Abhängigkeit der Ergebnisse. Er verwies auf eine Arbeit des Berlin Institute of Health, die Studien untersucht hat, die in Deutschland zwischen 2011 und 2014 sowie zwischen 2014 und 2017 durchgeführte Studien untersucht hat. Demnach hätten 24 Monate nach Studienabschluss 40 Prozent der Studien veröffentlicht, fünf Jahre nach Studienabschluss sind immer noch rund 30 Prozent der Ergebnisse nicht veröffentlicht. „Diese Lücke wollen wir schließen“, betonte Meerpohl. Die möglichen Folgen dieser auch als „Publication Bias“ oder „Dissemination Bias“ bekannten Verzerrung wiegen schwer: Im schlimmsten Fall werden Patientinnen und Patienten suboptimal behandelt und gesundheitspolitische Entscheidungen auf Grundlage falscher Annahmen getroffen. Zudem bedeute die Nichtveröffentlichung von Studienergebnissen eine Verschwendung von Forschungsgeldern – oft solchen aus öffentlicher Hand, wie das Bündnis betont. Lücken durch gesetzliche Regelungen schließen Das „Bündnis Transparenz in der Gesundheitsforschung“ will deshalb mit breiter Unterstützung von zwölf weiteren Instituten und Organisationen den Anstoß geben, verbleibende Gesetzeslücken in der Registrierung und Berichterstattung von klinischen Studien durch eine gesetzliche Regelung zu schließen. In seinem Positionspapier beschreibt das Bündnis das Problem, skizziert mögliche Lösungswege – und lädt alle Verantwortlichen zu einem Dialog darüber ein, wie sich in Deutschland die Rahmenbedingungen für eine vollständige Studienregistrierung und Ergebnisveröffentlichung schaffen lassen. Das Ziel: Klare Rahmenbedingungen und Regelungen, die dafür sorgen, dass sich unsere Gesundheitsversorgung wirklich auf die „bestmögliche“ Evidenz aus klinischer Forschung stützen kann. AWMF: Transparenz durch verpflichtende Offenlegung aller Forschungsergebnisse Unterstützung für das Bündnis und sein Positionspapier kommt von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), die allerdings auch fordert, die Empfehlungen des Positionspapiers weiterzuentwickeln. „Der AWMF ist das Problem der zum Teil verzerrten Evidenz in der medizinischen Forschungsliteratur durch bevorzugte Publikation der erwarteten Studienergebnisse bekannt. Wenn zukünftig verpflichtend alle Forschungsergebnisse offengelegt werden, wird die Gesundheitsforschung wesentlich transparenter und der Patientennutzen durch realitätsnähere Behandlungsempfehlungen gesteigert“, erklärte Prof. Erika Baum, Vorsitzende der Kommission Qualitätsentwicklung in Forschung und Lehre der AWMF. „Die Intention des Positionspapiers halten wir für richtig“, betonte Prof. Rolf-Detlef Treede, Präsident der AWMF in einer Mitteilung. „Einige Aspekte der Umsetzung sollten aber überarbeitet werden. Hierzu zählt unter anderem die Erhöhung des bürokratischen Aufwands durch zusätzliche gesetzliche Regelungen durch das Bundesgesundheitsministerium, oder die Überflutung der Öffentlichkeit mit ungeprüften Rohdaten durch Preprint-Server“, erklärte Treede. „Bei geförderten Projekten müssen prinzipiell ausreichende Mittel für Open-Access-Publikationen eingeplant werden und die Drittmittelgeber sollten größere Anteile der Sachberichte nach Projektende veröffentlichen“, forderte der AWMF-Präsident. Gerade die Forderung des Positionspapiers nach gesetzlichen Regelungen sieht auch Dr. Christine Fuhrmann, Vorständin des KKS-Netzwerks (Koordinierungszentren für klinische Studien) und Leiterin der Studienzentrale des Studienzentrums Bonn am Universitätsklinikum Bonn. Das Netzwerk hat das Positionspapier nicht unterschrieben. Das Netzwerk stehe zwar hundertprozentig hinter der Forderung nach mehr Transparenz in der Wissenschaft wie Fuhrmann betonte, aber: „Aus Sicht der KKS/ZKS des Netzwerks trägt eine zusätzliche gesetzliche Regulation nicht dazu bei, dass wir als Forschungsstandort in Deutschland vorankommen. Das sind immer mehr Daumenschrauben, die uns und vor allem unseren Forschenden angelegt werden.“ Fuhrmann forderte mehr Ressourcen zu schaffen. Sie hob auch hervor, dass bei mit öffentlichen Mitteln geförderte Studien, die Förderung in der Regel auch an die Pflicht zur Veröffentlichung geknüpft sei. „Da haben wir eigentlich schon diese Regularien“, so Fuhrmann. Die nichtveröffentlichen Studien seien etwa chirurgische Studien – „einfach alles, was nicht Arzneimittel-, Medizinproduktestudien sind“. (ja)
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