Update der europäischen Herzinsuffizienz-Leitlinien: Was erwartet uns?13. April 2023 Welche Neuerungen dürfen wir beim Update der europäischen Leitlinien zum Management der Herzinsuffizienz erwarten? (Foto: ©Alex/stock.adobe.com) Nach zwei Jahren und diversen neuen Studien wird die europäische Leitlinie zum Management der chronischen und akuten Herzinsuffizienz im Sommer 2023 ein Update erfahren. Einen Einblick gab der Co-Autor und Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) Prof. Michael Böhm. Ende August 2021 veröffentlichte die European Society of Cardiology (ESC) die aktuelle Herzinsuffizienz-Leitlinie. Eine der wichtigsten Neuerungen darin: Die medikamentöse Vier-Säulen-Therapie, wonach die Basismedikation bestehend aus ACE-Inhibitoren (ACE-I) oder Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI), einem Betablocker, einem Mineralkortikoidrezeptorantagonisten (MRA) und einem SGLT2-Inhibitor (Dapagliflozin oder Empagliflozin) allen Patienten mit HFrEF (also einer Herzinsuffizienz mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion von 40% oder weniger) mit einer Klasse-IA-Empfehlung gegeben werden sollte. Bei Patienten, die bereits einen ACE-I erhalten, wird in der aktuellen Leitlinie der Austausch durch einen ARNI empfohlen (Klasse I-B). Bei Patienten ohne ACE-I-Vorbehandlung wird die direkte Verwendung eines ARNI anstelle des ACE-I mit einer Klasse-IIb-B-Empfehlung ausgesprochen. Bereits bekannt: Alles und schnell! Insgesamt ist man mit der Leitlinie von 2021 von dem vorherigen konventionellen Stufenschema der Medikamentenverabreichung abgerückt, mit welchem sich die Auftitration der einzelnen Substanzen über Monate hinzog. Stattdessen soll die Standardmedikation mit allen vier Substanzklassen seit der Neuerung gleichzeitig und so schnell wie möglich verabreicht werden. „Alle Therapien rein, so schnell es geht!“, erinnerte Prof. Michael Böhm (Homburg/Saar) anlässlich der 89. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK). Die Rationale dahinter ist, dass für die einzelnen Medikamente jeweils nach wenigen Wochen (z. B. Empagliflozin 12 Tage, ACE-I 28 Tage) ein Wirkungseintritt gezeigt wurde. „Wenn man das postponiert, hat man schon viele Patienten verloren. Und wenn sich das ein Jahr hinzieht, hat man viele Todesursachen indirekt verschuldet“, mahnte der Herzspezialist Böhm, der auch an der aktuellen Weiterentwicklung der Leitlinie beteiligt ist und Einblicke lieferte, was das Leitlinien-Update, das beim kommenden ESC-Kongress in Amsterdam publiziert werden wird, mit sich bringen könnte. Denn seit 2021 gibt es eine Reihe neuer Studienergebnisse, die eine Anpassung der letzten Leitlinien notwendig machen. Intensivierung der Medikation Eine relevante Neuerung, die Böhm im Rahmen des kommenden Updates erwartet, ist die Intensivierung der medikamentösen Therapie nach der Entlassung eines Patienten und noch im Krankenhaus, die bislang eine Empfehlung der Klasse Ic war. Das bedeutet eine Empfehlung auf der Basis von Expertenmeinungen ohne Studienevidenz. „Der Empfehlungsgrad für die intensive Behandlung wird wohl heraufgestuft werden“, deutete Böhm an. Grundlage dafür ist die neue Strategiestudie STRONG-HF, die eine nichtmodifizierte Standardbehandlung („regular care“) mit einer Therapie der stetigen Intensivierung der Medikationen verglichen hat. Die Patientinnen und Patienten der Interventionsgruppe mussten hierbei wesentlich häufiger gesehen werden. Damit ging die Aufforderung einher, die Dosen der Medikation, soweit verträglich, immer wieder zu erhöhen und anzupassen. Dies resultierte in der Studie in einer Reduktion des kardiovaskulären Todes, der HI-Hospitalisierungen und der Gesamtsterblichkeitsrate bei der intensiv behandelten Gruppe. Behandlung des Eisenmangels Von einer Verstärkung des Empfehlungsgrades geht Böhm auch in Bezug auf die Behandlung des Eisenmangels aus. Die ESC-Leitlinie empfiehlt eine intravenöse Eisentherapie bei allen Patientinnen und Patienten mit nachgewiesenem Eisenmangel zur Verbesserung der Lebensqualität und der Belastbarkeit. Die AFFIRM-AHF-Studie zeigte im Jahr 2020 eine Reduktion der Hospitalisierungsrate wegen einer Herzinsuffizienzverschlechterung nach Korrektur des Eisenmangels durch Eisen-Carboxymaltose, woraufhin eine Klasse-IIa-Empfehlung ausgesprochen wurde. Jetzt wurde mit der IRONMAN-Studie eine zweite Studie veröffentlicht, die eine signifikante Reduktion von kardiovaskulärem Tod und Herzinsuffizienz-Hospitalisierung nach Gabe von Eisen-Derisomaltose zeigte. Zusätzlich belegen Metaanalysen eine Wirkung beider Eisensubstanzen auf den kombinierten Endpunkt. Neubewertung der Therapieempfehlung für HFmrEF und HFpEF Weiterhin müssen auch die Therapieempfehlungen für Patientinnen und Patienten mit Herzschwäche mit mäßig eingeschränkter Pumpfunktion (HFmrEF) und mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF) neu bewertet werden. Da die Leitlinie von 2021 nur wenige Stunden vor den Ergebnissen der EMPEROR-Preserved-Studie publiziert wurde, flossen deren Ergebnisse nicht in die Therampieempfehlungen für HFmrEF und HFpEF ein. Demensptrechend gab es hierzu bisher keine Empfehlung in der europäischen Leitlinie – anders als in den amerikanischen Guidelines, die einige Wochen später publiziert wurden und worin SGLT2-Inhibitoren eine Klasse-IIa-Empfehlung bei der Behandlung dieses Patientenkollektivs erhalten haben. Laut Böhm basiert die aktuelle Neubewertung sowohl auf den Ergebnissen von EMPEROR-Preserved sowie der DELIVER-Studie. Die Studien untersuchten die Wirksamkeit der SGLT2-Inhibitoren Empagliflozin oder Dapagliflozin auf den kombinierten primären Endpunkt kardiovaskulärer Tod und Herzinsuffizienz-Hospitalisierungen. Metaanalysen konnten zeigen, dass über das gesamte Spektrum der Ejektionsfraktionen der untersuchten Patientinnen und Patienten (≥40%) der primäre Endpunkt signifikant reduziert wurde. Prävention der Herzinsuffizienz Schließlich gab Böhm einen Ausblick auf die neuen Empfehlungen zur Prävention der Herzinsuffizienz bei Diabetikern und Niereninsuffizienten. Die Empfehlung zur Gabe von SGLT2-Inhibitoren bei Diabetikern ohne Herzinsuffizienz zur Prävention von Herzinsuffizienz-Ereignissen existiert bereits. Grundlage dafür waren die Ergebnisse der EMPA-REG-OUTCOME-Studie, die eine Reduktion von Herzinsuffizienz-Hospitalisierungen und kardiovaskulären Todesfällen durch Empagliflozin auch bei Diabetikern ohne vorbestehende Herzschwäche gezeigt hat. Ähnliches konnte mit den Studien DAPA-CKD und EMPA-KIDNEY für Dapagliflozin bzw. Empagliflozin bei niereninsuffizienten Patienten ohne vorbestehende Herzschwäche gezeigt werden. Dementsprechend geht der Kardiologe von einer Erweiterung der SGLT2-Inhibitor-Empfehlung zur Herzinsuffizienz-Prävention auch bei Niereninsuffizienz aus. Auch der MRA Finerenon könnte es in diese Reihe der präventiven Empfehlungen schaffen, wie Böhm auf Basis der gepoolten Analyse FIDELITY erläuterte. „Jeder dieser der neuen Datenlage angepassten Empfehlungen wird die Betreuung von Herzinsuffizienz-Patientinnen und -Patienten verbessern. Ihre Bedeutung für die Behandlung kann nicht genug betont werden“, schloss Böhm. (ah)
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