Update orthopädische Rheumatologie – Bis wann ist der Gelenkerhalt möglich?

Abb. 1: Zottige, hoch aktive Synovialitis im dorsomedialen Rezessus eines linken Kniegelenkes. (Bild: Gaulke)

Die Entscheidung zwischen Erhalt, Ersatz, Resektion oder Versteifung eines Gelenkes bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen ist von vielen Faktoren abhängig und sollte von erfahrenen Rheumachirurgen vorgenommen werden. Im Folgenden gibt der Experte und derzeitige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh) eine Übersicht zu den aktuellen Optionen.

Vor der Ära der Biologika war der Gelenkerhalt häufig nur durch eine totale Synovial­ektomie möglich. Bei noch intaktem Gelenk spricht man dabei von einer Frühsynovialektomie, liegen bereits Gelenkschäden vor, so wird die ­Prozedur als Spätsynovialektomie bezeichnet. Durch die Entfernung der Gelenk­innenhaut mit anschließender Radiosynoviorthese war es in vielen Fällen möglich, über Jahre die Gelenkzerstörung aufzuhalten oder zumindest zu verlangsamen und das Gelenk zu erhalten.

Seit Einführung der Biologika (bDMARDs) und der small molecules (tsDMARDs) schreitet die Gelenk­zerstörung sehr viel langsamer voran als unter den klassischen Basistherapeutika (csDMARDs). Das therapeu­tische Fenster für gelenkerhaltende Eingriffe ist somit länger geöffnet, was als günstig anzusehen ist. Dem entgegen steht allerdings, dass die Entzündung des Gelenkes unter wirksamer medikamentöser Therapie häufig schmerzarm oder -frei und daher vom Patienten unbemerkt verläuft, sodass sich das länger geöffnete therapeutische Fenster für gelenkerhaltende Eingriffe heute öfter ungenutzt schließt als früher, als die entzündeten Gelenke stark schmerzten (Abb. 1).

Die Patienten entwickeln heutzu­tage häufig erst Beschwerden, wenn das Gelenk bereits stark zerstört ist und dann nur noch Resektionsarthroplastiken, Arthrodesen und Endo­prothesen zur Schmerzbefreiung möglich sind. Um das primäre Ziel des Gelenkerhaltes zu erreichen, ist es daher unbedingt erforderlich, Hausärzte, internistische und orthopädische Rheumatologen sowie die Patienten selbst dafür zu sensibilisieren, sich bei persistierenden Gelenkschwellungen frühzeitig beim orthopädischen Rheumatologen vorzustellen, um durch eine zeitnahe Synovialektomie die Gelenke möglichst lange erhalten zu können.

Da durch die bDMARD- und ­tsDMARD-Therapie die Entzündung häufig beruhigt oder stark reduziert werden kann, kommen für diese Patien­ten, vor allem an der unteren Extremität, auch achskorrigierende Osteotomien zur Anwendung, welche früher der Arthrose vorbehalten waren.

Abb. 2: Klassische Vorfußkorrektur bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen: Tarsometatarsale I-Arthrodese und Resektionsarthroplastik Zehengrundgelenke II–V nach Hoffmann/Tillmann rechts.
Abb. 3: Vorfußkorrektur analog zum Senk-Spreiz-Fuß bei beruhigter Krankheitsaktivität: Tarsometatarsale I-Arthrodese, Modifizierte Chevronosteotomie und Verkürzungsosteotomien MFK II und III rechts.

Auch am Fuß haben die ­varisierende Osteotomie des Fersenbeins gegenüber der subtalaren Arthrodese und die Verkürzung der Mittelfußknochen bei Überlänge gegenüber den Resektionsarthroplastiken auch bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen an Bedeutung gewonnen. Die Resektionsarthroplastik der Zehengrundgelenke entspricht einer funktionellen Vorfußamputation, das heißt die Zehen sind zwar erhalten, können aber nicht kraftvoll bewegt werden (Abb. 2). Bei erhaltenen Gelenken hingegen ermöglicht die kräftige aktive Beugung der Zehen einen physiologischeren dynamischen Gang (Abb. 3).

Wie lange ein Gelenkerhalt trotz bestehender Schäden möglich ist, hängt maßgeblich von der Belastung des Gelenkes ab, so tolerieren die Gelenke der oberen Extremitäten deutlich stärkere sekundäre Arthrosen als die belasteten Gelenke der unteren Extremitäten.

Da im Rahmen einer totalen Synovial­ektomie immer auch eine Denervation des Gelenkes durch Resektion der in die Synovialis endenden Nerven erfolgt, können beispielsweise an der Schulter bei intakter Rotatorenmanschette auch dann noch Spät­synovialektomien sinnvoll durch­geführt werden, wenn die knöchernen Konturen des Humeruskopfes und des Glenoids, trotz des Verlustes des Knorpels, erhalten sind.
Auch am Ellenbogengelenk kann trotz vollständigen Verlustes des Knorpels noch eine gute schmerzfreie Funktion in vielen Fällen wiederhergestellt werden. Insbesondere im Hinblick auf die relativ hohe Komplika­tionsrate der Ellenbogenendoprothesen sollten hier die Möglichkeiten der gelenkerhaltenden Eingriffe ausgeschöpft und die Indikation zur Endoprothese streng gestellt werden.

Am Handgelenk kann bei geringer Krankheitsaktivität durch Sehnentransposition und Teilarthrodesen häufig eine Reposition und Stabilisierung des Karpus erzielt werden. Durch Vermeidung der totalen Arthrodese des Handgelenkes bleibt dem Patienten eine Restbeweglichkeit erhalten, welche vor allem für die Körperpflege sehr wertvoll ist. Aufgrund der geringen Haltbarkeit der Swanson-Spacer an den Fingergrundgelenken sollte auch hier bei beginnender Subluxa­tion mit aktiv überwindbarer Schwanenhals­deformität durch das Littler-Release mit Synovialektomie eine Stabilisierung der Fingergrundgelenke unter Gelenkerhalt durchgeführt werden. An den Mittelgelenken der Finger gestaltet sich aufgrund des kleinen Gelenk­raumes und des engen Gelenkspaltes die totale Synovialektomie häufig schwierig. Neue Therapiekonzepte mit Oberflächenersatzprothesen an den Fingermittelgelenken kommen hier bei Kongruenzverlust durch stärkere knöcherne Arrosionen zunehmend zur Anwendung. An den Endgelenken ist die Synovialektomie ohne Versteifung in der Regel nicht erfolgversprechend. Am Unterarm kann auch bei entknorpelten Gelenkflächen ein Erhalt des Radius- und Ulnaköpfchens bei geringer Krankheitsaktivität zunehmend angestrebt werden. Dies verhindert die Instabilität der Aufhängung des ­Radius an der Elle, da die Membrana ­interossea gespannt bleibt. An der unteren Extremität toleriert das Hüftgelenk die ­Destruktion am geringsten.
Synovialektomien an der Hüfte können arthroskopisch durchgeführt werden. Bei stärkeren Destruktionen sollte jedoch großzügig der endoprothetische Ersatz erfolgen.

Am Kniegelenk kann bei Achsfehlstellung durch eine Korrektur der Achse der asymmetrische mechanische Reiz vom Gelenk genommen werden. Diese sollte aber immer dann, wenn eine ­Synovialitis vorliegt, mit einer totalen Synovialektomie kombiniert werden.

Am oberen Sprunggelenk wird die arthroskopische Synovialektomie häufig mit einer Resektion von Osteophyten kombiniert, welche die Dorsal­extension einschränkten. Solange der Talus nicht in das Pilon tibiale einbricht, kann auch hier der Versuch des Gelenkerhaltes unternommen werden. Bei einer Instabilität des Subtalar­gelenkes sollte sehr genau abgewogen werden, ob eine varisierende Ver­schiebeosteotomie des Kalkaneus zu einer ausreichenden Stabilisierung führt. Ansonsten sollte hier der sub­talaren Arthrodese der Vorzug gegeben werden.

Im Großzehengrundgelenk kann eine Synovialektomie mit Cheilektomie zu guten Ergebnissen führen, wenn die Grunderkrankung ausreichend beherrscht ist. An den MTP II–V kommt der plantaren Bursitis, welche das plantare Fettgewebe zerstört, eine größere Bedeutung als der Arthritis des Gelenkes zu. Hier sollte eine Verkürzungsosteotomie der Mittelfußknochen unter Erhalt der Gelenke nur dann durchgeführt werden, wenn die Grunderkrankung durch die Immunsuppression ausreichend beherrscht ist und keine plantaren Bursitiden vorliegen. Eine Synovialektomie an den Zehengrundgelenken ohne Resektion der plantaren Bursae ist in der Regel nicht zielführend, da mit einem frühen Rezidiv zu rechnen ist.

Fazit

Zusammenfassend bestehen unter guter Krankheitsberuhigung zunehmend auch für extraartikuläre Korrekturen gute Indikationen. Bei hoher entzündlich-rheumatischer Krankheitsaktivität hingegen werden mit den klassischen Gelenkoperationen bessere Ergebnisse erzielt. Zwischen diesen Optionen abzuwägen bedarf großer Erfahrung, weshalb die Behandlung in einem Spezialzentrum für operative Rheumachirurgie empfohlen wird. Eine Liste dieser Kliniken finden Sie unter www.dgorh.de

Autor: Prof. Dr. med. Ralph Gaulke
Unfallchirurgische Klinik, Sektion Obere ­Extremität, Fuß- und Rheumachirurgie
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover