Verarbeitung visueller Reize: Neuronen synchronisieren sich und feuern gemeinsam17. April 2025 Symbolbild.©by-studio-stock.adobe.com Auf unser Gehirn treffen unentwegt verschiedene visuelle Reize und dennoch sind wir in der Lage, die Aufmerksamkeit auf bestimmte Elemente in der Umwelt zu lenken und irrelevante auszuschließen. Wie das möglich ist, untersuchen Forscher vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik. Das menschliche Gehirn verarbeitet kontinuierlich Sinnesreize, die im Wettstreit um unsere Aufmerksamkeit stehen. Unsere Fähigkeit der Selektion ermöglicht es uns, gezielt Informationen zu verarbeiten und irrelevante Reize zu ignorieren. Auf diese Weise können wir ein uns bekanntes Gesicht in einer großen Menschenmenge wiedererkennen. Doch wie gelingt das? Max-Planck-Forscher Pascal Fries erklärt dies anhand elektrophysiologischer Mechanismen zwischen Nervenzellen unterschiedlicher Verarbeitungsebenen im Gehirn, die sich anhand eines charakteristischen Schlüsselsignals zusammenschließen. Das Gehirn besteht aus Abermillionen eng vernetzter Nervenzellen, die innerhalb weniger Millisekunden elektrische Signale austauschen. Fries konnte zeigen, dass sich Neuronen unterschiedlicher Hirnareale für die Verarbeitung von visuellen Informationen zu einer Einheit verbinden, indem sie sich synchronisieren und gemeinschaftlich in einem hierfür charakteristischen Frequenzband rhythmisch feuern. Auf diese Weise erklärt sich, dass Elemente wie Gesichtsform und Haarfarbe eines Menschen spezifische Frequenzmuster und Signalcharakteristiken ergeben, die dem Gehirn ein Erkennen einer Person ermöglichen. Im Takt der Gehirnwellen Fries stellte diese Hypothese im Jahr 2005 im Magazin Trends in Cognitive Sciences als Prozess der Kommunikation zwischen Nervenzellen unterschiedlicher Areale im Gehirn durch die Herstellung synchronisierter Erregungswellen vor (Communication-Through-Coherence Theory). So lässt sich erklären, dass unser Gehirn trotz verschiedener auf uns unentwegt eintreffender visueller Reize die Aufmerksamkeit auf ganz bestimmte Elemente unserer Umwelt lenken und beibehalten kann. Fries zeigte anhand von Laborversuchen, dass sich unter den zahlreichen Signalen, die von unserer Netzhaut im Auge auf die nächsthöhere Verarbeitungsebene des Sehens im Gehirn treffen, sich bestimmte Impulse gegenüber anderen durchsetzen. So zeigten sich synchrone elektrische Erregungen des Gamma-Frequenzbands zwischen Nervenzellen unterschiedlicher Verarbeitungsebenen des Sehens, wenn ein visueller Reiz aufmerksam beachtet wurde. Zugleich machte er die Feststellung, dass neuronale Beta-Rhythmen ebenfalls zwischen Neuronen vermittelten. Fries schloss aus anschließenden Experimenten, dass es sich um zwei gegenläufige Informationsprozesse während der Verarbeitung von visuellen Sinnesreizen zwischen Nervenzellen der niedrigeren und höheren Hierarchieebenen des Gehirns handeln muss: Demnach führen schnelle Gamma-Wellen zu vorwärts gerichteten Impulsen zwischen Neuronen und vermitteln von niedrigen zu höheren Verarbeitungsebenen des Gehirns, wenn unser Auge etwas Neues oder Unvorhergesehenes wahrnimmt. Zugleich bringen Feedback-Verbindungen im Beta-Frequenzband Vorhersagen über bereits bekannte Informationen von höheren Hirnregionen in die niedrigeren Verarbeitungsebenen ein. Fries vermutet, dass die Feedback-Kommunikation dabei hilft, einen Informationszustand beizubehalten. Verstimmungen und Störungen der Kommunikation Bei krankhaften Veränderungen im Gehirn kann diese rhythmische Synchronisation zwischen Neuronen aus dem Takt geraten. So geht der Wissenschaftler davon aus, dass seine Theorie nicht nur auf das Sehen und die visuelle Informationsverarbeitung im Gehirn anwendbar ist, sondern auch auf Störungen der motorischen Hirnrinde bei Menschen mit einer Parkinson-Erkrankung. Dieser Bereich im Gehirn arbeitet mit dem Rückenmark und den Muskeln zusammen. Gamma-Wellen vermitteln dabei, wenn eine Bewegung gestartet werden soll. Beta-Wellen übernehmen die Aufgabe, einen Zustand beizubehalten. Das Verhältnis der Signalstärken zwischen Gamma- und Beta-Wellen reguliert wiederum die Bewegungsgeschwindigkeit. Bei Parkinson-Patienten führt ein Zellabbau im Hirnstamm zu einem Dopaminmangel und häufig zu einer Verstärkung der Beta Wellen. Dadurch bleibt ein Ruhesignal vorherrschend, was es Betroffenen schwer macht, eine Bewegung aus dem Stillstand zu beginnen – ein typisches Symptom der Krankheit. Von der Grundlagenforschung zur Anwendung Am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik untersucht Fries nun, wie sich Erkenntnisse seiner bisherigen Forschung auf kognitive und emotionale Prozesse des Menschen übertragen lassen. Besondere Aufmerksamkeit spielt die Entscheidung zwischen Annäherungs- und Vermeidungsverhalten – ein Mechanismus, der für die Suche nach Belohnung im Zusammenhang mit positiven wie negativen Erfahrungen entscheidend ist. Gemeinsam mit seiner Forschungsgruppe stellt er die Hypothese auf, dass auch diese Prozesse durch die Synchronisation in verschiedenen Frequenzbereichen des Gehirns gesteuert werden. Sollte sich dies bestätigen, könnte das neue Möglichkeiten für therapeutische Anwendungen schaffen, vor allem bei Menschen mit Angststörungen und Depressionen, wo Fehlfunktionen des Annäherungs- und Vermeidungsverhaltens eine zentrale Rolle spielen.
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