Verbund CytoTransport erforscht zelluläre Transportmechanismen, um Krankheiten besser zu verstehen8. Januar 2025 Patch-Clamp-Experiment an einer Zelle: Ein Forscher bringt die Glaskapillare mittels Mikromanipulatoren in die Nähe der zu messenden Zellen. (Foto: © Hochschule Bonn-Rhein-Sieg) Wenn Transportprozesse in Zellen nicht funktionieren, hat das oft Stoffwechselstörungen, Bluthochdruck, Nieren- und Lungenschäden oder Entzündungen zur Folge – die zugrunde liegenden Abläufe sollen nun in einem interdisziplinären Forschungsverbund geklärt werden. „CytoTransport – Mechanismen und Modulation zellulärer Transportprozesse“ lautet der Name des Verbundes, der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. Darin untersucht ein Team aus Wissenschaftlern der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) die zugrunde liegenden Prozesse eines gestörten Transportes in Körperzellen. Denn ein besseres Verständnis dieser Vorgänge ist laut den Forschenden Voraussetzung, um neue therapeutische Strategien zu entwickeln. Transportprozesse spielen für die Funktion von Zellen eine sehr wichtige Rolle. So müssen Komponenten, die für den Stoffwechsel oder die Herstellung von Proteinen benötigt werden, in die Zellen hineingelangen, wohingegen bestimmte Abfallprodukte aus der Zelle heraustransportiert werden müssen. Auch der Transport von Ionen ist für Zellen essenziell, da durch diese kleinste elektrische Membranspannungen erzeugt werden, die Nervenzellen beispielsweise zur Kommunikation nutzen. „Transportprozesse sind an allem, was uns als Menschen ausmacht, beteiligt. Es gibt keinen biologischen Prozess, der nicht mit Transporten in Verbindung steht“, betont Prof. Mike Althaus, der Sprecher des Verbundes CytoTransport. Eine Zahl verdeutlicht, um welche Dimension es hier geht: Das menschliche Gehirn besteht aus 86 Milliarden Nervenzellen. Jede einzelne dieser Nervenzellen erzeugt elektrische Spannungen, die auf den Transport von tausenden von Ionen zurückzuführen sind. Verschiedene Transportarten in jeder Zelle Es lassen sich verschiedene Transportarten unterscheiden. Zum einen gibt es in der Zellmembran Ionenkanäle, die sich wie eine Haustür öffnen und schließen. Der Prozess selbst heißt Gating und läuft sehr schnell ab. Doch wie bekommt man die Tür auf? Wie öffnen und schließen sich Ionenkanäle, und was passiert, wenn die Signale gestört sind? Da es sich bei den Transportgütern um elektrisch geladene Teilchen handelt, können die Forschenden den Strom durch die Ionenkanäle mittels der Patch-Clamp-Technik messen. Darüber lässt sich die Funktion der Ionenkanäle charakterisieren und zum Beispiel auch untersuchen, welche strukturellen Teile der Ionenkanäle für die Gating-Mechanismen verantwortlich sind. Im übertragenden Sinne: Welche Struktur ist die Türklinke? Welche ist das Scharnier? Gibt es Schlüssel, die die Tür länger verschlossen halten oder Stopper, die sie geöffnet lassen? „Viele dieser Prozesse sind noch nicht verstanden“, sagt Althaus.Neben den Ionenkanälen gibt es in der Zellmembran die sogenannten Transporter. Diese können auch größere Moleküle wie zum Beispiel Zucker oder Aminosäuren in die Zelle hinein oder aus ihr heraus bewegen. Dafür läuft der Prozess langsamer ab als in den Ionenkanälen. Die Transporter spielen zum Beispiel im Stoffwechsel oder bei Entgiftungsprozessen eine wichtige Rolle. Die Funktionsweise dieser Solute-Carrier-Transporter untersuchen die Forschenden ebenfalls.Doch wie gelangen die Ionenkanäle und Transporter an die Orte, an denen sie gebraucht werden? Anders gefragt: Wie kommen sie im übertragenen Sinne zur Arbeit? Das geschieht unter anderem mithilfe von Vesikeln. Diese werden über Motorproteine, analog zu Transportfahrzeugen, entlang des Cytoskeletts, einer Art Schienennetz, das durch fadenförmige Proteine im Inneren einer Zelle gebildet wird, transportiert.Alle Transportwege sind ganz entscheidend für viele zelluläre Prozesse, und Störungen können schwerwiegende Folgen für die menschliche Gesundheit haben.Das Projekt „CytoTransport“ geht noch über das bessere Verständnis der unterschiedlichen biologischen Transportprozesse hinaus. „Wir möchten auch Grundlagen für die Herstellung von Vehikeln legen, die es ermöglichen, Moleküle, die Transportproteine modulieren, zu ihrem Wirkort zu befördern “, erläutert Althaus diesen chemischen Aspekt. Perspektivisch könnten so Methoden entwickelt werden, um im Idealfall neue Medikamente punktgenau an die Stelle einer Zelle zu bringen, wo sie eingesetzt werden sollen. Modelle und Hypothesen durch KI-gestützte Methoden Im Mittelpunkt des Forschungsprojektes stehen biologische Fragestellungen. Doch es sind auch Wissenschaftler der Hochschule aus weiteren Disziplinen beteiligt, um den Blick zu weiten und voneinander zu lernen. So ist eine Projektgruppe aus dem Bereich Chemie und Materialwissenschaften dabei, die sich bei technischen Lösungen von biologischen Prozessen inspirieren lässt. Ein Beispiel: Weltweit ist die Erzeugung von Trinkwasser ein großes Problem und es werden künstliche Membranen zur Meerwasserentsalzung eingesetzt. Während die Biologie den gezielten Transport von bestimmten Salzen über Zellmembranen über Milliarden Jahre durch Evolution gelöst hat, stehen Forschende bei der Effizienz und Selektivität von künstlichen Membranen noch vor technischen Herausforderungen. Hier lohnt sich der Blick in die Biologie.Computerwissenschaftler der H-BRS unterstützen das Projekt mithilfe von Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI). Sie entwickeln Modelle für biologische und chemische Transportprozesse und erstellen Modelle von Proteinstrukturen, die dann im Labor überprüft werden sollen. Dieses Thema ist in der Wissenschaft topaktuell, was sich im vergangenen Jahr auch durch die Vergabe des Chemie-Nobelpreises zeigte. Diesen erhielten die in Großbritannien arbeitenden Wissenschaftler John Jumper und Demis Hassabis für die Entwicklung von KI-gestützten Methoden zur Vorhersage komplexer Proteinstrukturen. Projekt im Programm „Forschungsimpulse“ der DFG Sprecher des Forschungsverbundes CytoTransport: Mike Althaus. (Foto: © Hochschule Bonn-Rhein-Sieg) Die DFG fördert das Verbundprojekt CytoTransport an der H-BRS und damit den Aufbau eines Zentrums für die biomedizinische Forschung über einen Zeitraum von fünf Jahren mit insgesamt rund sechs Millionen Euro. Das Projekt ist Teil des neuen „Forschungsimpulse“-Programms für Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW). Ende 2023 war die H-BRS dafür als eine von zehn HAW bundesweit ausgewählt worden. „Langfristiges Ziel ist es, ein methodisches Portfolio zu erarbeiten, mit dem Transportprozesse aus unterschiedlichen Blickwinkeln und in unterschiedlichen Auflösungsskalen vom Atom bis zur Zelle erforscht werden können“, erklärt Althaus. Erwachsen könnten aus den Forschungsergebnissen auch personalisierte Therapien. „In der Medizin wird viel passieren, wenn man weiß, welche Variante eines Proteins bei fehlerhaften Transportprozessen eine Rolle spielt“, sagt Althaus mit Blick auf entsprechende Krankheitsbilder. So könnten zum Beispiel Medikamente und Therapien gezielter angewandt werden, wenn man herausfindet, wie effektiv diese auf bestimmte Proteinvarianten wirken. Oder welche Genvarianten dafür ursächlich sind, dass manche Menschen empfindlicher als andere auf einen Anstieg des Blutdrucks im Zusammenhang mit stark salzhaltiger Ernährung reagieren.Im Forschungsverbund CytoTransport forschen Wissenschaftler aus neun Arbeitsgruppen aus den Bereichen Angewandte Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften und Kommunikation und Informatik. Das Team besteht aus insgesamt 26 Forschenden aus zwölf Ländern. Der Verbund arbeitet fachübergreifend und international, die Wissenschaftler werden mit Forschungseinrichtungen in Deutschland, den USA, Dänemark, Großbritannien und Israel zusammenarbeiten.
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