Verlängerung der Batterielebensdauer von Herzschrittmachern

Nach einigen Jahren muss bei einem implantierten Herzschrittmacher die Batterie gewechselt werden. (Symbolfoto: ©peterschreiber.media/stock.adobe.com)

Herzschrittmacher ist nicht gleich Herzschrittmacher. Die Wahl des am besten geeigneten Gerätes und die Ausschaltung unnötiger Funktionen könnte die Batterielebensdauer verlängern. Dabei helfen soll ein neuer Algorithmus.

In Deutschland werden jährlich mehr als 73.000 Herzschrittmacher neu implantiert. Laut dem aktuellen Deutschen Herzbericht waren es im Jahr 2023 insgesamt 75.305 Neuimplantationen. Hinzukommen knapp 9000 Revisionen sowie mindestens 11.500 Aggregatwechsel.

Der Aggregatwechsel wird in den allermeisten Fällen aufgrund einer Erschöpfung der Batterie nötig. Zwar handelt es sich dabei um einen risikoarmen Eingriff, der meist im Rahmen eines kurzstationären Aufenthaltes oder sogar ambulant durchgeführt wird. Dennoch könnte sowohl die Belastung für das Gesundheitssystem als auch für den einzelnen Patienten gesenkt werden, wenn die Haltbarkeit der Geräte verlängert werden könnte.  

Batterielebensdauer sehr variabel

Je nach Gerätetyp und Modell wird die Batterielebensdauer von Herzschrittmachern üblicherweise mit fünf bis zwölf Jahren angegeben. Die tatsächliche Lebensdauer implantierter Geräte kann sich jedoch von den Herstellerangaben unterscheiden. Während sich die Batterielebensdauer von älteren Modellen auf Basis von Erfahrungswerten abschätzen lässt, kann sie für neuere Gerätegeneration in unterschiedlichen Settings nur prognostiziert werden.

Ferner unterscheidet sich die Haltbarkeit der Batterie je nach Funktionen des Herzschrittmachers. Dazu gehören die Regulierung einer langsamen Herzfrequenz, die Anregung der Herzkammern zum regelmäßigen Schlagen, die Erhöhung der Herzfrequenz bei körperlicher Aktivität des Patienten, die Fernüberwachung und die Speicherung von Aktivitätsmustern. Nicht jeder Patient benötigt alle diese Funktionen.

Algorithmus zur besseren Abschätzung

Um die Batterielebensdauer von elektronischen Herzimplantaten (CIEDs) besser abzuschätzen, haben Forscher aus Großbritannien und Frankreich nun einen speziellen Algorithmus entwickelt. Dieser bestimmt bei Schrittmachern sowohl früherer als auch aktueller Generationen, welche Funktionen wahrscheinlich den meisten Strom verbrauchen.

Je nach den individuellen Bedürfnissen des Patienten kann damit einerseits das geeignetste Gerät zur Implantation ausgewählt werden. Andererseits können einige der für den Patienten nicht benötigte Funktionen deaktiviert werden, um die Batterielebensdauer zu verlängern. „Dies ist der erste Schritt, um Ärzten bei der Entscheidung zu helfen, welchen Herzschrittmacher sie wählen und welches Programm sie aktivieren sollen, um den Patienten das Gerät und die Batterielebensdauer zu bieten, die sie benötigen“, betont Co-Autor Dr. Klaus Witte von der Universität Leeds (Großbritannien).

Index zur Berechnung der Batterielebensdauer

Die Forscher berechneten die Batterielebensdauer für eine Reihe gängiger Herzschrittmacher, einschließlich Ein- und Zweikammerschrittmacher, Systeme zur kardialen Resynchronisation (CRT) und kabellose Geräte. Dazu verwendeten sie den Energieverbrauchsindex (power consupmtion index, kurz: PCI) mit der Formel t x I/C, wobei t eine Konstante (1 Stunde), I der vom Gerät benötigte Strom und C die Batteriekapazität ist.

Auf Basis von Herstellerdaten berechneten die Studienverantwortlichen für die inkludierten Geräte, wie viel Batterieleistung jede Funktion verbraucht. Mithilfe von Computermodellen simuliert sie dann, wie sich das Ein- und Ausschalten bestimmter Funktionen auswirkt. Die Modelle überprüften sie anschließend anhand von realen Patientendaten aus dem schwedischen Geräteregister.

„Dies ist ein einzigartiger Ansatz, der auf Daten aus der Praxis basiert und einen direkten Vergleich zwischen Geräten, Funktionen und Herstellern ermöglicht“, erläutert Prof. Pascal Defaye von der Université Grenoble Alpes und dem Universitätsklinikum Grenoble-Alpes (Frankreich). Er ist Erstautor der in „PLOS One“ publizierten Studie.

Welche Funktion verbraucht wie viel Energie?

Defaye und Kollegen konnten anhand ihrer Berechnungen zeigen, welche Schrittmacherfunktionen am meisten Strom verbrauchen. Darauf basierend berechneten sie, wie sich die einzelnen Funktionen auf die Lebensdauer der Batterie auswirken und wie viele Jahre Batterieleistung durch ihre Deaktivierung gewonnen werden können.

So entfielen ihrer Analyse zufolge mehr als 50 Prozent der PCI – und damit ein wesentlicher Faktor für die Langlebigkeit – auf den Hintergrundstrom. Den zweitgrößten Faktor machte die Schrittmacherfunktion aus, mit 20 Prozent für Standard-Ein- und Zweikammergeräte, 30 Prozent für CRT-Systeme und 40 Prozent für kabellose Geräte. Bestimmte Stimulationsalgorithmen und die Speicherung intrakardialer Elektrogramme hatten laut den Studienautoren erhebliche Auswirkungen auf einige Geräte – mit einer Verkürzung der Lebensdauer um bis zu ein Jahr.

Schritt zu personalisierter Versorgung

Nach Ansicht von Co-Autor Dr. Klaus Witte von der Universität Leeds (Großbritannien) können diese Daten bei der Entscheidungsfindung für den geeigneten CIED helfen. Patienten und Ärzte könnten gemeinsam besprechen, welche Funktionen notwendig und welche „nice to have“ seien – und welche Kosten für die Batterie mit jeder Funktion verbunden seien. Er vergleicht das mit der Auswahl eines Autos nach Kosten und Ausstattungsmerkmalen.

„In Kombination mit unseren früheren Veröffentlichungen, die zeigen, wie eine sorgfältige Programmierung zur Verlängerung der Batterielebensdauer beitragen kann, sind wir der Bereitstellung einer wirklich personalisierten Versorgung für Patienten einen Schritt näher gekommen“, meint Witte.

Studienlimitationen

Die Autoren betonen mehrere Limitationen ihrer Studie. So lagen für einige Geräte keine vollständigen Daten zum Stimulationsstrom vor. Daher trafen sie die Annahme, dass Modelle derselben Generation ähnliche Werte aufweisen. Diese Annahme wurde durch Analysen zur Beziehung des elektrischen Stroms und der Leistung gestützt. Funktionen ohne messbaren Einfluss auf die Batterielaufzeit wurden als minimal stromverbrauchend angenommen. Aufgrund fehlender Langzeitdaten unterstellten die Forscher konstante Geräteeinstellungen über die Zeit.

Da die Programmierung realer Implantate aus dem schwedischen Register nicht zugänglich war, konnte das Modell nicht mit allen verfügbaren Funktionskombinationen getestet werden. Aufgrund der Übereinstimmung zwischen den tatsächlichen und den modellierten Überlebenskurven vermuten die Forscher jedoch, dass die tatsächliche Programmierung nicht wesentlich von den im Modell verwendeten Einstellungen abweicht.

Schließlich ist hervorzuheben, dass es sich um eine modellbasierte Untersuchung ohne prospektive klinische Outcome-Daten handelt. Daher sind die Ergebnisse eher als theoretische Schätzung denn als empirisch gesicherte Werte zu interpretieren.

(ah/BIERMANN)