“Vernetzen und voneinander lernen”: Interview mit den DGP-Kongresspräsidenten 201815. März 2018 Die DGP-Kongresspräsidenten 2018: Dr. Peter Kardos und Prof. Winfried Randerath (Quellen: Kardos, Randerath) Das wissenschaftliche Programm der 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) in der Dresdner Neuen Messe verspricht besonders vielfältig zu werden. Kompakt Pneumologie sprach mit den beiden Kongresspräsidenten – Dr. Peter Kardos (Frankfurt/Main) und Prof. Winfried Randerath (Solingen) – über das Kongress-Motto und einige andere Themen, die die Pneumologen aktuell beschäftigen. „Im Prisma der Inneren Medizin“ soll das wissenschaftliche Programm der 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin besonders facettenreich werden. Die Präsidentensymposien wurden gemeinsam mit den jeweiligen Fachgesellschaften verschiedener internistischer Teilgebiete organisiert. Gibt es ein Fachgebiet beziehungsweise ein Symposium, auf das Sie persönlich sich am meisten freuen? Welche Querverbindung zu welchem Fach finden Sie selbst am spannendsten? Kardos: Mir fällt es schwer, ein Symposium herauszugreifen, da ich alle als sehr wichtig und thematisch sehr interessant erachte. Vielleicht möchte ich erwähnen, dass es nicht möglich war – wegen zeitlicher Kollision und der zur Verfügung stehenden Zeit – weitere Teilgebiete einzubinden. Es ist auch anzumerken, dass selbst bei den repräsentierten Teilgebieten nur einzelne Aspekte in vier 20-Minuten-Vorträgen eingebunden werden konnten. So konnte zum Beispiel bei der Gastroenterologie nur die gastroösophageale Refluxkrankheit herausgegriffen werden, obwohl es viel mehr sich überschneidende Gebiete gibt, zum Beispiel die entzündlichen Darmerkrankungen oder einige Lebererkrankungen. Vielleicht wird man in der Zukunft gemeinsame gastroenterologisch-pneumologische et cetera Kongresse organisieren. Randerath: Das ist ja gerade das Spannende an unserem Fach, der Pneumologie. Sie hat Querverbindungen zu praktisch allen Disziplinen der Inneren Medizin: Luftnot kann kardiologische und pneumologische Ursachen haben, rheumatische Erkrankungen manifestieren sich nicht selten mit interstitiellen Lungenerkrankungen, infektiologische Erkrankungen prägen den Alltag des Pneumologen auf der Intensivstation, bei den COPD-Exazerbationen und natürlich bei der Tuberkulose. Das war gerade unser Anliegen bei der Auswahl des Themas. Wir wollten diese Vernetzung beispielhaft herausarbeiten und dazu einladen, voneinander zu lernen. Also die Vielfalt ist das Besondere, nicht die Querverbindung nur zu einem Fach. Schlaf- und Beatmungsmedizin spielen eine immer größere Rolle in der Pneumologie. Im Vorfeld ihres diesjährigen Kongresses hat die DGP bereits auf die Problematik übermüdeter Schlafapnoe-Patienten im Straßenverkehr hingewiesen. Wie groß ist dieses Problem tatsächlich, und wo besteht der dringendste Handlungs-, vielleicht auch Verbesserungsbedarf im Management und der Diagnose dieser Patienten? Kardos: Ich möchte mit einer Anekdote antworten. Als wir im Maingau Krankenhaus vor 27 Jahren das erste Schlaflabor in Frankfurt eingerichtet haben, habe ich in einem Vortrag auf dem Internistenkongress über die Prävalenz der obstruktiven Schlafapnoe berichtet. Es lagen damals keine belastbaren Zahlen vor. Ich habe gesagt, dass die obstruktive Schlafapnoe eine Prävalenz haben dürfte, die mit dem Diabetes mellitus vergleichbar sei. Ich bin damals ob dieser „maßlosen Übertreibung“ – so der Vorsitzende des Symposiums – richtig ausgebuht worden. Heute wissen wir, dass die Schlafapnoe – definiert als fünf oder mehr Atemaussetzer pro Stunde – eine höhere Prävalenz hat als der Diabetes mellitus, bis zu 28 Prozent bei erwachsenen Männern (Young T et al. N Engl J Med 1993;328:1230–1235.) Randerath: Atmungsstörungen im Schlaf sind tatsächlich ein sehr großes Problem sowohl für den einzelnen als auch für die Gesellschaft. 13 Prozent der Männer und sieben Prozent der Frauen leiden alleine unter der obstruktiven Schlafapnoe. Die Erkrankung manifestiert sich nicht nur mit Schnarchen und Tagesschläfrigkeit, sondern auch mit Schlaflosigkeit, Depressionen, Herz-Kreislauf-Folgeerkrankungen und Gehirnleistungsstörungen. Das Einschlafen am Steuer ist dabei nur eines zahlreicher Probleme, aber natürlich ein sehr wichtiges. Nicht Autofahren zu dürfen, schränkt erheblich ein. Aber dem steht das erheblich erhöhte Risiko auch für schwere Unfälle gegenüber. Seit 2014 gibt es eine EU-Richtlinie, die auch in deutsches Recht umgesetzt wird, dass Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe und Tagesschläfrigkeit nur bei regelmäßig überprüfter und erfolgreicher Therapie Auto fahren dürfen. Zu den aktuellen Problemen in der Schlafmedizin gehört jedoch, dass seitens der Kostenträger die Diagnostik immer weiter eingeengt wird, niedergelassene Pneumologen und Krankenhäuser nicht einmal eine kostendeckende Versorgung betreiben können. Jetzt werden Schlaflabore geschlossen, Ausbildungsstellen fallen weg. Trotz zunehmender Bedeutung in der Gesellschaft, auch immer wieder betont in Krankenkassenreporten, steht die Schlafmedizin also unter erheblichem Druck. Wie bereits im vergangenen Jahr in Stuttgart wird auch in Dresden das Thema Feinstaub in der Eröffnungspressekonferenz thematisiert werden. „Darf man in Großstädten noch atmen“, lautet da die Frage. Wie ist ihre persönliche Erfahrung in Frankfurt/Main und Solingen? Darf man? Beobachten Sie bei Ihren Patienten vermehrt Erkrankungen oder Symptome, die sich auf eine stärkere Luftverschmutzung zurückführen lassen? Was wünschen Sie als Vertreter einer medizinischen Fachgesellschaft sich von Städteplanern, der Politik oder der Wirtschaft? Kardos: Luftverunreinigung ist eine der größten Herausforderungen der Pneumologie, und nicht nur der Pneumologie. Die Kardiologie oder die Onkologie sind mindestens im gleichem Maße betroffen. Es ist schwierig für den einzelnen Arzt, im konkreten Fall Feinstaubeinflüsse zu identifizieren. Es ist in der Pneumologie jedoch auch im Einzelfall offensichtlich, das zum Beispiel an Tagen mit hoher Ozonbelastung deutlich mehr Asthmaanfälle und an Tagen mit Smog, also starker Feinpartikelverunreinigung, deutlich mehr COPD-Exazerbationen in unseren Kliniken und Praxen erscheinen. Es ist gut belegt, dass Feinstaub die Lebenserwartung verkürzt und seit mindestens 100 Jahren ist bekannt, dass die Wirkung von „guter“, also sauberer, unbelasteter Luft für die Atemwegserkrankungen sehr günstig ist. Hier ist das Stichwort „Luftkurort“ zu nennen. Randerath: Natürlich ist es beim einzelnen Patienten nicht möglich, den spezifischen Einfluss verschiedener Faktoren – Rauchen, wiederholte Infekte, Wohnen an einer Hauptverkehrsader, Immissionen aus Industrie oder Energiegewinnung – nachzuweisen oder auch wahrzunehmen. Aber inzwischen gilt es als gesichert, dass neben dem Rauchen auch diese Umwelteinflüsse zur Morbidität an COPD beitragen und nach Studien der EU jedes Jahr zu Tausenden Todesfällen führen. Ja, ich glaube, dass hier politische Maßnahmen notwendig sind. In meiner Heimatregion Nordrhein-Westfalen denke ich da vor allem an die Braunkohle, deren Abbau nicht nur die Lebenswelt von Menschen zerstört, sondern auch mit zu den größten negativen Faktoren für Klima und Luftverschmutzung zählt. Herr Dr. Kardos, auch die E-Zigarette ist seit Jahren ein Thema, an dem man nicht vorbeikommt – weder die Ärzte, noch die Bevölkerung. Letztere wird immer stärker mit Werbung für Verdampfer konfrontiert. Können Sie den aktuellen Wissensstand zur Schädlichkeit von E-Zigaretten und ihrem möglichen Nutzen in der Raucherentwöhnung kurz zusammenfassen beziehungsweise: Gibt es auf diesem Gebiet der Forschung aktuell überhaupt neue, definitive Erkenntnisse? Kardos: Wir haben nach Beginn der industriellen Zigarettenproduktion mindestens 30 Jahre gebraucht, um die Schädlichkeit des Tabakrauchens evidenzbasiert nachzuweisen. Noch viel länger hat es gedauert, bis diese Erkenntnisse in der Öffentlichkeit wahrgenommen worden sind. Heute allerdings ist es so weit, dass selbst die Tabakindustrie nach „gesünderen“ Alternativen sucht; so ist die E-Zigarette und neuerdings auch der Tabakerhitzer („heat not burn“) entstanden. Es ist zu viel verlangt, wenn man detaillierte Erkenntnisse von der Langzeitwirkung der E-Zigaretten, die erst seit zehn Jahren im Handel sind, erwartet. Es ist ganz klar zu sagen, dass die Lunge nur für die Aufnahme sauberer Luft geschaffen worden ist. Selbst die körpereigene Substanz Insulin in inhalativer Form musste aus dem Handel genommen werden, weil sie Lungenschaden hervorgerufen hat. Epidemiologische Untersuchungen zeigen, dass Jugendliche über die E-Zigarette nikotinabhängig werden und später auf Tabakrauchen und gemischtes Rauchen umsteigen. Als Tabakentwöhnungsmittel für abhängige Raucher ist die E-Zigarette nicht zugelassen. Es ist nachgewiesen, dass gemischtes Rauchverhalten keine Vorteile in Hinblick auf die Schädlichkeit des Rauchens bringt. Umsteigen auf reines E-Zigaretten-Rauchen könnte eine akute Schadstoffreduktion bringen, aber die Langzeitwirkungen sind unbekannt. Auch das Passivrauchen des ausgeatmeten Dampfes der E-Zigarette ist schädlich. Herr Professor Randerath, die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie hat gerade erneut auf den Mangel an infektiologisch weitergebildeten Ärzten in Deutschland hingewiesen und fordert eine eigene Facharztausbildung. Ist das auch aus Ihrer Sicht längst fällig, oder kommen beispielsweise Pneumologen mit Infektionen, die ihren Fachbereich betreffen, gut selbst zurecht? Randerath: Die Diagnostik und Behandlung von infektiologischen Erkrankungen gehört ganz wesentlich zur Tätigkeit aller Pneumolog/innen in Praxis und Klinik. Wir sind täglich auf der Intensivstation mit komplizierten Pneumonien, im Weaning von Langzeitbeatmeten mit Besiedelung oder Infektion mit multiresistenten Keimen befasst, und die Tuberkulose hat seit jeher einen großen Raum eingenommen. Aus der Tuberkulosebehandlung ist letztendlich sogar unser Fachgebiet entstanden. Die Infektiologie ist also aus der Pneumologie gar nicht wegzudenken. Hier sind auch entscheidende Weiterentwicklungen notwendig. Ich denke etwa an das Antibiotic Stewardship, also systematische Strategien zum rationalen Einsatz von Antiinfektiva, das sich allmählich in den Kliniken durchsetzt. Auch für die Praxis gibt es schon erste Konzepte. In der „Klug entscheiden“-Initiative der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin/Pneumologie lautet die negative Empfehlung Nummer 1: „Eine akute unkomplizierte Bronchitis bei Patienten ohne chronische Lungenerkrankung soll nicht mit einem Antibiotikum behandelt werden.“ Trotzdem kann die Entwicklung einer zusätzlichen Facharztbezeichnung – über die schon bestehende Zusatzbezeichnung hinaus – für die Infektiologie sinnvoll sein. Dies kann der Infektiologie einen Schub geben, aber auch andere Teilgebiete der Inneren Medizin stimulieren. Dennoch muss aus meiner Sicht die Infektiologie auch ein integraler Bestandteil der Pneumologie bleiben, wie auch die Diagnostik und Behandlung des Lungenkarzinoms aus unserem Fach nicht wegzudenken ist. Herr Dr. Kardos, Herr Prof. Randerath, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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