Versorgung von Millionen Rheuma-Patienten mit Malariamittel sicherstellen

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Zu den Hoffnungsträgern bei der Behandlung von COVID-19 gehört auch das vor allem als Malariamedikament bekannte (Hydroxy-)Chloroquin (HCQ). Es soll nun in mehreren klinischen Studien auf seine Wirksamkeit getestet werden. Dies hat zu einem weltweiten Run auf die Substanz geführt, so eine Mitteilung im Vorfeld des European Congress of Rheumatology 2020, der in diesem Jahr als e-Kongress stattfindet.

Auch viele Gesunde hätten sich mit HCQ bevorratet, heißt es in der Mitteilung weiter. Das Resultat sei eine Verknappung des Angebots. Doch HCQ wird nicht nur als Mittel gegen Malaria eingesetzt, sondern gehört auch zur Basismedikation verschiedener rheumatischer Erkrankungen – und damit zur Versorgung von Millionen von Patienten in Europa.

Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) und die Europäische Kommission haben nun Guidelines gegen die Verknappung von Medikamenten durch COVID-19 veröffentlicht. So warnt die EMA vor dem Off-Label-Einsatz von HCQ (1). Die Substanz solle momentan nur bei den zugelassenen Indikationen, etwa Malaria und bestimmten Formen von Rheuma zum Einsatz kommen. Ebenso sei eine Verwendung bei COVID-19 nur im Rahmen von klinischen Studien sowie Programmen für den notfallmäßigen Einsatz gestattet. Die Europäische Rheumaliga (European League against Rheumatism, EULAR) begrüßt die Initiative. Dadurch sei die Versorgung von Rheuma-Patienten, die auf HCQ angewiesen sind, vorerst sichergestellt.

Chloroquin beziehungsweise seine Weiterentwicklung Hydroxychloroquin (HCQ) hemmen unter anderem Entzündungen. In dieser Funktion haben sie sich speziell bei der Therapie von Rheumatoider Arthritis (RA), juveniler idiopathischer Arthritis sowie beim systemischen Lupus erythematodes seit vielen Jahren bewährt.

Weltweit leiden etwa ein Prozent aller Menschen an RA. Allein in Europa haben etwa 120 Millionen Menschen die „geheime Volkskrankheit“, so die – im Vorfeld ihres Jahreskongresses – von der EULAR aktuell veröffentlichten Zahlen (2). Rheumatische Erkrankungen können in jedem Alter auftreten: „Von juveniler Arthritis sind bis zu vier von 1000 Heranwachsenden betroffen“, nennt EULAR-Kongresspräsident Prof. Iain B. McInnes aus Glasgow, Schottland, ein Beispiel. Weitere etwa 40 bis 200 von 100.000 Menschen seien an Lupus Erythematodes erkrankt. Diese große Zahl an Patienten zeige auch die Dimension einer möglichen Verknappung des wichtigen Medikaments, so McInnes weiter.

Bei Autoimmunerkrankungen wie RA und Lupus Erythematodes richtet sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper und löst an verschiedenen Stellen Entzündungen aus. Starke Schmerzen und schwerste körperliche Einschränkungen bis hin zur Berufsunfähigkeit können die Folgen sein. Umso wichtiger sei eine frühzeitige und konsequente Therapie: „Unsere Patienten sind auf die regelmäßige Einnahme ihrer Medikamente angewiesen. Bei Unterbrechung drohen neue Krankheitsschübe und eine Verschlechterung des Verlaufs mit möglicherweise irreversiblen Schäden an den betroffenen Körpergeweben wie Verkrüppelung oder Versteifung“, sagt McInnes.

„Wir begrüßen ausdrücklich die Aktivitäten, HCQ auf seine Wirksamkeit bei der Bekämpfung von COVID-19 zu testen“, betont McInnes. „Wir sind uns der ethisch schwierigen Abwägung der kontinuierlichen Versorgung von chronisch Kranken und des möglichen Nutzens von HCQ in der akuten Pandemie bewusst.“ Doch zum Schutz der Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, für die keine alternativen Therapieoptionen bestehen, sei es entscheidend, die weitere Versorgung mit HCQ zu garantieren, sagt er. Dies gelte gerade auch für schwangere Patientinnen mit systemischem Lupus Erythematodes. „Hier wissen wir sicher, dass HCQ keine Schäden am Ungeborenen verursacht.“ Die verschiedenen Aspekte sind auch in einer aktuell erschienen wissenschaftlichen Publikation zusammengefasst (3).

„Rheumatologen müssen sich als Anwälte ihrer Patienten stark machen“, so der EULAR-Kongresspräsident. „Falls hochwertige klinische Studien die Wirksamkeit von HCQ bei COVID-19 belegen sollten, werden wir selbstverständlich die schwierigen Entscheidungen rund um eine faire Verteilung des Wirkstoffs unter den Betroffenen respektieren.”

Literaturhinweise:
(1) https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory/overview/public-health-threats/coronavirus-disease-covid-19#impact-on-medicine-availability-and-shortages-section
(2) Rheuma Map der EULAR
(3) Graef ER, Liew JW, Putman MS et al. Festina lente: Hydroxychloroquine, COVID-19 and the role of the rheumatologist. Annals of the Rheumatic Diseases Published Online First: 15 April 2020.
https://ard.bmj.com/content/early/2020/04/15/annrheumdis-2020-217480