Versorgungsrealität bei Migräne: Triptan-Resistenz eher selten

Eine Auswertung des DMKG-Kopfschmerzregisters zeigt: Ein Großteil der Migränepatienten spricht auf eine Akutmedikation mit Triptanen an. Symbolfoto: ©MQ-Illustrations/stock.adobe.com

Aktuelle Real-World-Daten des Kopfschmerzregisters der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) liefern wertvolle Erkenntnisse zur Behandlung akuter Migräneattacken.

Unzureichende Wirksamkeit und/oder Unverträglichkeit der Akutmedikation zählen zu den Herausforderungen der Migränebehandlung. Die neuesten DMKG-Auswertungen zeigen, dass dies öfter Menschen mit häufigeren Migräneattacken betrifft als jene mit geringerer Krankheitslast. Zudem gilt: „Wer keine ausreichend wirksame Akuttherapie hat, ist durch Migräne wesentlich stärker beeinträchtigt als notwendig. Die Auswertungen deuten nämlich auch darauf hin, dass für viele Patienten eine gut wirksame Medikation gefunden werden kann, wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden“, kommentiert Dr. Ruth Ruscheweyh, zertifizierte DMKG-Kopfschmerzexpertin und Privatdozentin an der Neurologischen Klinik und Poliklinik der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

Triptane zählen derzeit zu den effektivsten Therapieoptionen bei akuten Migräneattacken. Es gibt sieben verschiedene Präparate und neben Tabletten auch Nasenspray und Spritzen. Dennoch erfahren einige Patientinnen und Patienten keine ausreichende Wirksamkeit und/oder Verträglichkeit. Um besser abschätzen zu können, wie relevant das Thema „Triptan-Resistenz“ im Versorgungsalltag ist, wurden Daten aus dem Kopfschmerzregister der DMKG von 2284 Behandelten (85,4% weiblich; Alter 39,4±12,8 Jahre; Kopfschmerztage pro Monat 12,3±8,2) aus spezialisierten Zentren und Praxen in Deutschland ausgewertet.

Es gaben 42,5 Prozent der Befragten an, mindestens ein Triptan aufgrund mangelnder Wirksamkeit oder Verträglichkeit abgesetzt zu haben. Darunter erfüllten 13,1 Prozent die Kriterien einer Triptan-Resistenz, die laut Definition der European Headache Federation (EHF)2 mindestens zwei gescheiterte Triptan-Versuche (Wirksamkeit oder Verträglichkeit weniger als gut) erfordert. Bei einem kleinen Anteil von 3,9 Prozent versagten sogar drei oder mehr Triptane zur Akutmedikation von Migräneattacken.1 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass in der Praxis nur sehr wenige Patienten ein Triptan-Versagen zeigen und dass ein Behandlungsversuch auch mit einem dritten Triptan durchaus nützlich ist, verdeutlicht PD Dr. Tim Jürgens für die DMKG.

Triptan-Non-Responder zu mehreren Therapieversuchen motivieren

Auffällig war, dass Triptan-Non-Responder im Vergleich zu Respondern signifikant häufiger eine schwerere Migräne mit mehr Kopfschmerztagen pro Monat und deutlich stärkerer Beeinträchtigung aufwiesen. Dies wurde mit der Anzahl der Triptan-Versagen immer wahrscheinlicher. „Die Beeinträchtigung durch eine nicht wirksam behandelte Migräneattacke ist hoch, daher ist es besonders wichtig, als Behandler nicht zu schnell aufzugeben und wenigstens zwei verschiedene Triptane anzubieten, die mit hohen Ansprechraten assoziiert sind“, so der Rat von Ruscheweyh. In der aktuellen Auswertung waren die Responder-Raten für nasales und orales Zolmitriptan, orales Eletriptan und Sumatriptan subkutan am höchsten.1 Laut Ruscheweyh sind nasale und subkutane Applikationsformen besonders nützlich, wenn die Migräneattacken mit starker Übelkeit und ggf. Erbrechen einhergehen.

Immer wieder an basale Anwenderegeln erinnern

Darüber hinaus betonte die Expertin, es sei wichtig, Betroffene regelmäßig an die basalen Anwenderegeln zu erinnern. „Eine frühzeitige Einnahme der Akutmedikation in ausreichender Dosierung ist die Grundvoraussetzung für eine gute Wirksamkeit“, appellierte Ruscheweyh. „Ein neues Medikament sollte in mindestens zwei Attacken versucht werden. Darüber hinaus darf die Einnahme nicht zu häufig erfolgen (Grenze <10 Tage pro Monat), da sonst ein Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch entstehen kann.“ Wenn die Möglichkeiten einer Akutmedikation mit Triptanen ausgeschöpft sind, wären Analgetika-Kombinationen, zum Beispiel mit Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Koffein oder neuere Präparate, wie die Ditane (z. B. Lasmiditan) und Gepante, mögliche Alternativen. „Auf europäischer Ebene wurden Gepante zwar bereits zugelassen. Der Hersteller hat sie in Deutschland aber noch nicht auf den Markt gebracht“, berichtete Ruscheweyh. Ihrer Ansicht nach wären Gepante sowohl zur Akutbehandlung als auch zur Migräneprophylaxe eine sinnvolle Ergänzung des Behandlungsspektrums.

Optimierte Therapiestrategien für Betroffene mit hoher Krankheitslast erforderlich

Neben den Einblicken zum Thema Triptan-Resistenz analysierte die DMKG zudem die Patientensicht zur Wirksamkeit und Verträglichkeit der Akutmedikation im Allgemeinen. In der aktuellen Auswertung wurden die Angaben von 1756 erwachsenen Personen (85% weiblich; Alter 39,5±12,8 Jahre, Kopfschmerztage pro Monat 13,5±8,1) berücksichtigt. Eine gute oder sehr gute Wirksamkeit schrieben Behandelte signifikant häufiger Triptanen (75,4%) als Nicht-Opioid-Analgetika zu (43,6%; p<0,001). Unter den Nicht-Opioid-Analgetika wurden Naproxen und Metamizol im Vergleich zu Ibuprofen, Acetylsalicylsäure und Paracetamol als wirksamer eingestuft, die beiden Letzteren wurden allerdings auch häufig unterdosiert. „Nicht-Opioid-Analgetika sind auch in der klinischen Erfahrung weniger stark wirksam als Triptane“, kommentierte Ruscheweyh.

Auch hier korrelierte die Wirksamkeit der Akutmedikation mit der Kopfschmerzaktivität. Bei Patientinnen und Patienten mit mehr Kopfschmerztagen war die Akutmedikation signifikant schlechter wirksam (p<0,001). „Betroffene mit hoher Krankheitslast brauchen unsere besondere Aufmerksamkeit, einschließlich optimierter Strategien zur Akuttherapie und zu nichtmedikamentöser sowie medikamentöser Migräneprophylaxe“, schildert Ruscheweyh.3

Real-World-Daten zur Migräneprophylaxe werden folgen

Die nächsten Auswertungen aus dem DMKG-Register werden sich der medikamentösen Migräneprophylaxe widmen. Hierzu gehören sowohl klassische Medikamente wie Betablocker als auch neue, spezifische Medikamente, z. B. die Antikörper gegen CGRP (Calcitonin gene-related peptide). Die beiden vorgestellten Publikationen des Kopfschmerzregisters der DMKG zur Akuttherapie1,3 werden im nächsten Schritt durch Daten aus dem Versorgungsalltag zum Nutzen-Risiko-Profil der Migräneprophylaxe ergänzt, stellt Ruscheweyh in Aussicht.

Die DMKG-App und die DMKG-Cluster-App werden rege genutzt

Für die Kopfschmerzforschung werden anonymisierte Daten des Kopfschmerzregisters und aus den beiden Kopfschmerz-Apps der DMKG genutzt. „Die DMKG-App und die DMKG-Cluster-App sind aber in erster Linie ein Service für Betroffene zur Dokumentation ihrer Kopfschmerzen, der kostenlos und ohne Werbung genutzt werden kann“, erläutert Ruscheweyh. Aktuell nutzen bereits 19.000 Patientinnen und Patienten die DMKG-App. Die Clusterkopfschmerz-spezifische DMKG-Cluster-App ist erst seit Kurzem verfügbar und hat bereits 750 Nutzer. „Wir stoßen mit den beiden Apps bei Menschen mit Migräne und Kopfschmerzen auf eine breite Akzeptanz, auch bei seltenen Erkrankungen wie Cluster-Kopfschmerz“, betont Ruscheweyh.