Versteckten Hörverlust aufdecken27. Juli 2022 Foto: Stockwerk-Fotodesign/stock.adobe.com US-amerikanische Forschende haben in einer großen, retrospektiven Studie ein Sprach-Score-Modell entwickelt, mit dem sich das Ausmaß eines versteckten Hörverlusts beziehungsweis die Schädigung der Nerven des Innenohrs abschätzen lässt. Die Ende Juni von einem Team des Mass Eye and Ear’s Eaton-Peabody Labors veröffentlichte Studie bestimmte durchschnittliche Sprach-Scores mit Bezug zum Alter. Dazu wurden die Daten von 96.000 Ohren retrospektiv ausgewertet. Sie verglichen die Daten mit Daten einer vorherigen Studie, die den durchschnittlichen Verlust von Nervenfasern im Innenohr in Relation zum Alter nachverfolgt wurde. Durch die Kombination beider Datensätze konstruierten die Autoren ein Schätzmodell der Relation zwischen Sprach-Scores und Intaktheit der Nerven beim Menschen. Laut Erst-Autor Stéphane F. Maison, PhD, erlaubt das Modell eine bessere Evaluation von Nervenschäden in der Cochlea bei Patienten und die assoziierten Defizite beim Sprachverstehen die mit dem Verlust an Nerven einhergehen. Das Modell biete auch Möglichkeiten die Effektivität von Interventionen gegen Hörverlust abzuschätzen, einschließlich der Nutzung von Produkten zur Schallverstärkung und Hörgeräten. „Vor dieser Studie konnten wir entweder den Nervenverlust bei einem lebenden Patienten mittels eines langwierigen Tests abschätzen oder die Schädigung der Nerven bei Toten nach Entfernung des Schläfenbeins“, erklärt Maison. Nun sei es möglich unter Verwendung normaler Sprach-Scores von Hörtests, die Zahl der Nerven, die im Innenohr eines Patienten fehlen abzuschätzen. Verdeckten Hörverlust aufdecken Früher gingen Forschende und Mediziner davon aus, dass die Schädigung der Haarsinneszellen der Hautpgrund für Hörverlust ist und dass die Schädigung von Nerven in der Cochlea erst nach der Zerstörung der Haarsinneszellen auftritt. Goldstandard zur Beurteilung des Gehörs waren deshalb Audiogramme, die Informationen zu den Haarsinneszellen liefern. Auch Patienten, die von Verständnisschwierigkeiten berichteten, wurde mit einem normalen Audiogramm ein gutes Gehör bescheinigt. Heute verstehen Experten, warum ein Audiogramm keine Rückschlüsse auf die Gesundheit des Hörnervs zulässt. 2009 entdeckten Liberman et al. den verdeckten Hörverlust: Ihre Ergebnisse deckten auf, dass die Schädigung der Nerven im Innenohr dem Verlust von Haarsinneszellen vorangeht, als Ergebnis von Alterung oder Lärmexposition. Fazit der Autoren: Da Audiogramme keine Informationen über den Hörnerv liefern, gäben sie auch kein vollständiges Bild möglicher Schäden im Innenohr wieder. Modell zu Vorhersage der Schädigungen am Hörnerv Im Rahmen der aktuellen Studie nutzen Maison und sein Team eine Sprachverständlichkeits-Kurve, welcher individuelle Sprach-Score auf einem Audiogram beruhen sollte. Dann maßen die Forschenden die Unterschiede zwischen den vorhergesagten Wort-Erkennungs-Scores und demjenigen, der während des Hörtests der Patienten erhoben worden war. Die Wörter einer Liste wurden auf einem Level so weit oberhalb der Hörschwelle des Patienten präsentiert, dass die Hörbarkeit kein Thema war – jeder Unterschied zwischen dem vorhergesagten und dem gemessenen Score ließ sich damit durch Defizite in der Verständlichkeit zurückführen, so Maison. Nach Beachtung weitere Faktoren, etwa kognitive Defizite als Begleiterscheinungen des Alterns, gingen die Forschenden davon aus, dass die Größe der Unterschiede, das Ausmaß der Schädigung der Nerven wieder spiegelt, beziehungsweise den versteckten Hörverlust der Person. Um ein Vorhersagemodell auf Basis eines Standard-Hörtests zu entwickeln, verwendete das Team bereist existierende histopathologische Daten zu Verlust von Hörnerven. Die Ergebnisse zeigen den Autoren zufolge eine Assoziation zwischen schlechteren Sprach-Scores und größerem Ausmaß an Nervenschäden im Innenohr. So hatten Patienten mit Morbus Ménière, was durch vohergehende Studienergebnisse bestätigt wird. Hingegen zeigten sich bei Patienten mit Schalleitungsschwerhörigkeit, medikamenten- oder normalem altersbedingtem Hörverlust – Ätiologien, mit dem geringsten Ausmaß an Nervenschäden – nur mittlere bis leichte Abweichungen. Maison glaubt, dass durch die Identifizierung von Patienten mit großer Wahrscheinlichkeit stärkere Nervenschädigung im Innenohr haben, das Modell Klinikern helfen könnte, die Effektivität traditioneller und neuer Schallverstärker zu evaluieren. Die Forschen hoffen auch, dass sie ihr Modell mit neuen audiometrischen Protokollen verfeinern können. (ja)
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