Viel mehr als Gehen: Neue Rolle für Zentrum im Hirnstamm entschlüsselt23. August 2021 Die mesenzephale Bewegungsregion des Gehirns steuert nicht allein das Gehen, sondern eine Reihe verschiedener Körperbewegungen. (Quelle: Biozentrum der Universität Basel) Jahrzehntelang dachte man, dass die mesenzephale Bewegungsregion lediglich das Gehen reguliert. Forschende am Biozentrum der Universität Basel und am Friedrich Miescher Institut for Biomedical Research (FMI) haben nun gezeigt, dass diese Hirnregion unterschiedliche Populationen von Neuronen enthält, die eine ganze Reihe verschiedener Körperbewegungen steuern. Das alltägliche Gehen erfordert komplexe Bewegungen wie Haltungsänderungen und die Koordination aller vier Gliedmaßen. Es ist bekannt, dass die mesenzephale Bewegungsregion, ein Teil des Mittelhirns, bei vielen Tierarten an der Steuerung des Gehens beteiligt ist. Die Funktion von Neuronen in diesem Bereich des Gehirns ist jedoch immer noch umstritten. Die Forschungsgruppe von Prof. Silvia Arber am Biozentrum der Universität Basel und Gruppenleiterin am FMI hat die mesenzephale Bewegungsregion nun bei Mäusen genauer unter die Lupe genommen. Das Team hat dabei verschiedene Neuronenpopulationen gefunden und charakterisiert, die nicht allein für das Gehen, sondern auch für andere Bewegungen zuständig sind. Durch die Ergebnisse muss die bisher angenommenen Rolle dieses Schlüsselteils im Mittelhirn den Forschenden zufolge neu überdacht werden. “Es war überraschend, dass in dieser Region, die in Fachkreisen jeder mit dem Gehen in Verbindung gebracht hat, viele der Neuronen gar nicht während des Gehens aktiviert werden”, sagt Arber. Aktiv bei Bewegungen, jedoch nicht beim Gehen Das Team entdeckte zwei räumlich nicht trennbare Populationen von Neuronen – eine sendet Reize hinunter zum Rückenmark, eine andere verbindet sich in die entgegengesetzte Richtung mit den Basalganglien. Die mit dem Rückenmark verbundenen Neuronen erhöhten ihre Aktivität, wenn sich die Mäuse aufrichteten, während die andere Population aktiv wurde, wenn die Tiere ihre Vorderbeine während der Fellpflege oder dem Umgang mit Gegenständen bewegten. Aber nur ein kleiner Teil dieser Neuronen schaltete sich während des Gehens ein, beobachteten die Forschenden. In weiterführenden Experimenten untersuchten sie die Funktion dieser zwei Nervenzellpopulationen. Diese zeigten, dass Neuronen, die direkt mit dem Rückenmark verbunden sind, an der Regulierung der Körperstreckung und der Haltungsänderungen beteiligt sind. Im Gegensatz dazu ist die zweite Population in die Regulation von verschiedenen Bewegungen involviert. Neue Möglichkeiten in der Therapie von Parkinson-Patienten Die Ergebnisse führen den Forschenden zufolge nicht nur zu einer Neubewertung einer jahrelangen Vorstellung über die Rolle der mesenzephalen Bewegungsregion. Die Studie könnte zudem Auswirkungen auf die Therapien von Parkinson-Patienten haben, die nicht auf Medikamente ansprechen, glauben die Wissenschaftler. Denn sie könnten erklären, warum einige Patienten auf die Tiefe Hirnstumulation ansprechen, andere hingegen über starke Nebenwirkungen berichten: Den Forschern zufolge beeinflusst das Anlegen elektrischer Impulse an alle Neuronen die Aktivität der verschiedenen neuronalen Populationen auf unkontrollierte Weise. “Eine bessere Strategie wäre es, nur jene Neuronen zu stimulieren, die ihre Reize zum Rückenmark oder zur Medulla oblongata leiten”, sagt Arber. “Therapeutische Ansätze, die auf bestimmte Neuronen abzielen und diese aktivieren, könnten sehr erfolgreich sein.” In einem nächsten Schritt plant das Team, die Rolle der mesenzephalen Bewegungsregion bei der Auswahl von Bewegungen genauer zu untersuchen – einem Prozess, bei dem das Gehirn eine bestimmte Bewegung “auswählt” und dadurch andere motorische Befehle hemmen muss, da man ja nur eine Bewegung auf einmal ausführen kann. “Es ist spannend, dass diese Region mehr als nur das Gehen steuert. Darum wird es interessant sein zu verstehen, wie die von uns identifizierten Neuronen mit anderen Gehirnregionen kommunizieren, die an der Bewegungssteuerung beteiligt sind”, sagt Arber. Originalpublikation: Ferreira-Pinto MJ et al. Functional diversity for body actions in the mesencephalic locomotor region. Cell, 23. Juli 2021
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