Vielversprechender Therapieansatz bei Hypophysentumoren21. März 2022 Expression von Tie2 und Markern von Hypophysenzellen in primären PitNETs der Ratte. (Quelle. Natalia S. Pellegata9 Hypophysentumoren sind die dritthäufigste Hirntumorart. Insbesondere Tumoren vom nichthormonproduzierenden Typ werden meist so spät entdeckt, dass sie zum Diagnosezeitpunkt schon nicht mehr vollständig reseziert werden können. Gefördert von der Wilhelm Sander-Stiftung haben Forschende bei Helmholtz Munich einen neuen Signalweg entdeckt, der in diesen Tumoren aktiviert wird und ein vielversprechendes Ziel für die Therapie darstellt. Neuroendokrine Hypophysentumoren (engl. „Pituitary Neuroendocrine Tumors“, kurz PitNETs) sind raumfordernde Neubildungen in der Hirnanhangsdrüse und treten bei bis zu einem Prozent der Bevölkerung auf. Damit sind Hypophysentumoren die dritthäufigste Hirntumorart. Zudem unterscheidet man zwischen endokrin aktiven, d. h. „funktionierenden Tumoren“ (engl. Functioning Pituitary Neuroendocrine Tumors, kurz F-PitNETs), die sich aus den Drüsenzellen der Hypophyse entwickeln und bestimmte Hormone produzieren, und hormoninaktiven, d. h. „nicht funktionierenden Tumoren“ (engl. Non Functioning Pituitary Neuroendocrine Tumors, kurz NF-PitNETs), die keine Hormone freisetzen. Allerdings sind die meisten dieser Tumoren gutartig und brauchen zunächst keine Behandlung. Daher werden sie auch häufig als Hypophysenadenome bezeichnet. Wenn neuroendokrine Hypophysentumoren jedoch größer werden oder zu viel Hormone produzieren, treten Symptome wie zum Beispiel Kopfschmerzen oder Sehstörungen auf, die therapiert werden müssen. Insbesondere nicht funktionsfähige Hypophysentumoren (NF-PitNETs) werden oft erst in späten Stadien der Tumorentwicklung diagnostiziert, da sie keine Hormone freisetzen, durch die sie schneller entdeckt werden könnten. Zum Diagnosezeitpunkt in diesem späten Stadium sind 50 Prozent der Tumoren bereits in umliegende Bereiche eingedrungen, sehr aggressiv und können durch eine Operation nicht mehr vollständig entfernt werden. Daher kehren sie oft zurück und verursachen schwere gesundheitliche Folgen für die Patienten. Zu den üblichen Behandlungsmethoden für Hypophysentumoren gehören neben der chirurgischen Entfernung die medikamentöse Therapie mit Dopaminaktivatoren, synthetischem Somatostatin oder Temozolomid sowie die Strahlentherapie. Allerdings sprechen Tumoren vom nichthormonproduzierenden Typ auf die genannten Medikamente nicht an, und die Strahlentherapie verursacht schwere Nebenwirkungen. Da dieser Tumortyp mit den vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten nicht zu heilen ist, ist die Entwicklung neuer Therapieansätze für NF-PitNETs von großer Dringlichkeit. Das Hauptziel der von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Studie des Teams um Forschungsgruppenleiterin Prof. Natalia S. Pellegata vom Institut für Diabetes und Krebs bei Helmholtz Munich bestand nun darin, neue Angriffspunkte für Medikamente gegen hormoninaktive Hypophysentumoren zu finden, um die klinische Behandlung der Patienten zu verbessern. Die Angiogenese als kritischer Prozess Die Krebsentwicklung ist ein dynamischer Prozess, der durch die Interaktion verschiedener Zellen und Moleküle bestimmt wird, die die Mikroumgebung des Tumors ausmachen. Zu den Zellen in der Mikroumgebung des Tumors gehören Endothelzellen, die an der Angiogenese beteiligt sind. Zu den Molekülen, die die Angiogenese regulieren, gehören die Angiopoietine (Angpt), Signalmoleküle, die an den Rezeptor Tie2 auf der Zellmembran der Endothelzellen binden. Die zwei bekanntesten Moleküle sind Angpt1 und Angpt2: Angpt1 aktiviert den Tie2-Rezeptor und fördert die Gefäßstabilität, während Angpt2 den Rezeptor nur dann aktiviert, wenn es in hoher Konzentration vorhanden ist. In Tumoren schütten die Endothelzellen hohe Mengen an Angpt2 aus. Zudem ist bereits bekannt, dass auch Tumorzellen selbst Angpt2 bilden und absondern können. So wurden insbesondere im Blut von Tumorpatienten in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium erhöhte Angpt2-Konzentrationen festgestellt, was ebenfalls mit schlechteren Aussichten auf Heilung korrelierte. Tumor- und Endothelzellen stehen in der Mikroumgebung des Hypophysentumors in Wechselwirkung. (Abb.: Natalia S. Pellegata) Ausgangspunkt des aktuellen Forschungsvorhabens von Natalia S. Pelegata und ihrem Team war die Beobachtung, dass NF-PitNET-Patienten ebenfalls einen erhöhten Angpt2-Spiegel im Blut aufweisen, der mit der Aggressivität des Tumors korreliert. Dieser Befund veranlasste die Wissenschaftler, die Werte und die Rolle von Angpt2 bei NF-PitNETs genauer zu untersuchen. Anhand von Zellkulturen konnte die Forschungsgruppe in ihrer Studie zeigen, dass auch NF-PitNETs hohe Werte von Angpt2 aufweisen und dieses ausschütten, was zum Wachstum von Tumorzellen führt. Auch bei den im Rahmen der Forschungsarbeiten untersuchten Fischembryonen führte die Ausschüttung von Angpt2 zur Angiogenese. Interessanterweise verfügen NF-PitNETs ebenfalls über den Tie2-Rezeptor, der sich auf der Zelloberfläche befindet und durch Angpt2 aktiviert werden kann. Ähnlich wie bei Endothelzellen stimuliert Tie2 die Zellteilung in Tumorzellen. Die Wissenschaftler konnten so beweisen, dass Angpt2 und Tie2 auch das Überleben und Wachstum von PitNE-Tumorzellen aufrechterhalten. Gelänge es, den Rezeptor Tie2 in PitNET-Zellen auszuschalten, könnte ihr Wachstum jedoch gezielt unterdrückt werden. Neues Konzept für die Krebsbekämpfung Um zu belegen, dass der Angpt2/Tie2-Signalweg ein mögliches Ziel für eine Behandlung darstellt, wurden im nächsten Schritt Medikamente, die diesen Signalweg blockieren, in experimentellen Modellen von NF-PitNETs getestet. So gelang es der Forschungsgruppe um Pellegata nachzuweisen, dass die Blockierung des Angpt2/Tie2-Signalwegs das Wachstum der Tumorzellen in Zellkulturen und in Tiermodellen tatsächlich reduziert. „Der Angpt2/Tie2-Signalweg erweist sich als vielversprechender therapeutischer Angriffspunkt bei NF-PitNETs und adressiert damit einen ungedeckten klinischen Bedarf“, erläutert Pellegata die Bedeutung der Forschungserkenntnisse. „Die Fähigkeit von Tumorzellen, Angiogenese-Signale zu nutzen, von denen man normalerweise annimmt, dass sie nur in den Endothelzellen vorhanden sind, erweitert unsere Sicht auf die für das Tumorwachstum wesentlichen Signale der Mikroumgebung“, ergänzt die Leiterin des Forschungsteams und erklärt weiter: „Unsere Studie legt nahe, dass Medikamente, die auf das Angpt2/Tie2-System abzielen, in der Klinik zur Behandlung von NF-PitNET-Patienten eingesetzt werden sollten.“ Die Blockierung von Angpt2/Tie2 in Tumoren ist ein neues Konzept für die Krebsbekämpfung, das laut Pellegata nicht nur bei hormoninaktiven Hypophysentumoren, sondern möglicherweise auch bei anderen Tumoren, die diese Moleküle produzieren, anwendbar sein könnte.
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