Virchowbund: „Ärzte bieten weniger Termine an, als möglich wären“

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Das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) geht im Bundestag in die erste Lesung ‒ Anlass für den Verband niedergelassener Ärztinnen und Ärzte seine Forderung nach der Abschaffung der Budgets in der ambulanten Versorgung zu erneuern.

„Die Budgetierung ist Gift für das Gesundheitswesen. Diese Einsicht wächst auch in der Politik. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Abschaffung der Zwangsrabatte bei den Hausärztinnen und Hausärzten ist lange überfällig und muss jetzt mit dem GVSG endlich kommen“, bekräftigt der Bundesvorsitzende des Virchowbundes, Dr. Dirk Heinrich.

„Zeitgleich müssen aber auch die Budgetfesseln für die Fachärzte gelöst werden“, fordert Heinrich. „Denn die Negativeffekte sind dieselben. Das kann bei einer angespannten Haushaltslage auch schrittweise passieren.“ Der Virchowbund plädiert dafür, zuallererst mindestens die Budgets für Fachärzte abzuschaffen, die entweder grundversorgend, auf qualifizierte hausärztliche Überweisung hin, in sozialen Brennpunkten und unterversorgten Regionen oder   bei Überweisung von Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahre tätig sind.

Die Budgetierung wurde 1993 eingeführt. Seitdem wird diese Form von Zwangsrabatt erhoben, wenn niedergelassene Ärzte gesetzlich versicherte Patienten behandeln. Das führt laut Virchowbund beispielsweise in Hamburg dazu, dass Hausärzten jeder dritte Kassenpatient gar nicht vergütet wird. In Summe haben die Krankenkassen in den letzten 30 Jahren auf diese Weise Leistungen im Wert von mehr als 100 Milliarden Euro für ihre Versicherten in Anspruch genommen, die nicht bezahlt wurden.

Auf die Folge heute weist der Ärzteverband hin: Viele Praxen bieten weniger Termine an als möglich wären – da mehr Patienten pro Quartal zwar mehr Kosten, aber kaum oder keine Zusatzeinnahmen bedeuten würden. „Mehrarbeit lohnt sich unter Budgetbedingungen schlicht nicht“, kritisiert der Bundesvorsitzende des Virchowbundes. „Im Gegenteil: Praxen riskieren damit ihr wirtschaftliches Überleben und damit im Endeffekt die Arbeitsplätze von rund 330.000 medizinischen Fachangestellten. Die Devise ‚Nimm drei, zahl zwei‘ ist vielleicht für Supermarkt-Sonderangebote angebracht, aber doch nicht für die lebensnotwendige medizinische Versorgung. Wer mehr Termine für die Bevölkerung möchte, muss dafür sorgen, dass diese Zeit auch bezahlt wird.“

Eine vollständige Aufhebung der Budgetierung würde nach einer Schätzung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung jährliche Mehrkosten von rund drei Milliarden Euro verursachen; die oben genannten Vorschläge deutlich weniger. Zum Vergleich: Die Gesamtausgaben für die Kliniken sind zwischen 2006 und 2024 von 49,9 Milliarden Euro auf knapp 100 Milliarden Euro gestiegen. Zugleich gibt es aus Regionen und Fachgebieten, in denen die Budgetierung zeitweise aufgehoben oder ausgesetzt wurde, bislang keine stichhaltigen Hinweise darauf, dass dies zu einer ungerechtfertigten Leistungsausweitung führen würde, wie von den Krankenkassen oft befürchtet.