Virchowbund: „Krisensicheres Gesundheitswesen braucht starke Arztpraxen“

Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des Virchowbundes. Foto: © Virchowbund/Lopata

Arztpraxen stärken – das fordert der Virchowbund. Sein Bundesvorsitzender Dr. Dirk Heinrich betonte: „Die von Bundesgesundheitsminister Lauterbach geforderte ‚Zeitenwende für das Gesundheitswesen‘ kann nur gemeinsam mit den niedergelassenen Haus- und Fachärzten gelingen.“

Lauterbach hatte in einem Interview mit der Osnabrücker Zeitung über seine Pläne gesprochen, das Gesundheitswesen besser auf künftige Krisen wie Kriege und Pandemien vorzubereiten. „Zentralisierte Strukturen sind anfälliger für Angriffe und damit für einen flächendeckenden Ausfall. Unser dezentrales Netz aus rund 100.000 wohnortnahen Arztpraxen ist ein großer strategischer Vorteil im Ernstfall. Diesen sollten wir uns unbedingt erhalten“, erklärte Heinrich. „Dazu müssen wir nach Jahren der politischen Schwächung die Praxen endlich wieder stärken.“

Vorschläge für ein „Praxiszukunftsgesetz“

Der Virchowbund schlägt ein „Praxiszukunftsgesetz“ vor, analog dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG). Folgende Regelungen sollte das neue Gesetz unter andrem enthalten:

  • Abschaffung der Budgets im ambulanten Sektor
  • Abschaffung der Regresse
  • Volle Gegenfinanzierung der Kosten für die digitale Transformation (sowohl Hardware- als auch Prozesskosten, z. B. für Schulungen)
  • Sofortige und volle Gegenfinanzierung der Tarifsteigerungen für Medizinische Fachangestellte
  • Förderung der Niederlassung in Einzelpraxen und ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaften und Schutz vor Konzentrations- und Monopoltendenzen durch investorengetriebene Medizinische Versorgungszentren (MVZ)
  • Bürokratieabbau, um die Arbeitsbelastung zu senken und mehr Arztzeit für die tatsächliche Patientenversorgung zu gewinnen
  • Ausbau und Finanzierung der ambulanten Weiterbildung
  • Protokollierte regelmäßige Länder- und Ressortübergreifende Krisenmanagementübungen (LÜKEX) mit anschließender Auswertung und Weiterentwicklung.

Praxen „entscheidender Faktor“ in der Corona-Pandemie

Dem Virchowbund zufolge stemmen mit fast 1 Milliarde Arzt-Patienten-Kontakten im Jahr die Arztpraxen einen Großteil der medizinischen Versorgung in Deutschland. In der Corona-Pandemie seien 19 von 20 Patienten ambulant abschließend versorgt worden. Auch ein Großteil der COVID-19-Impfungen sei von den Praxisteams durchgeführt worden, so der Ärzteverband.

„Die Arztpraxen waren der entscheidende Faktor, der die Krankenhäuser vor der Überlastung geschützt hat. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sowie Medizinische Fachangestellte haben beim Testen, Impfen und Therapieren Überstunden geschoben. Weder Politik noch Medien haben diesen Einsatz je ausreichend gewürdigt“, beklagte der Virchowbund-Bundesvorsitzende. Als Beispiel für die fehlende Wertschätzung nannte er, dass anders als zum Beispiel Verwaltungsangestellte in Kliniken die Medizinischen Fachangestellten keinen Corona-Bonus haben.

Sanitätsdienst der Bundeswehr: Kritik an geplanter Umstrukturierung

Der Virchowbund beobachtet auch mit Sorge, dass das Verteidigungsministerium plant, die äußerst effiziente und krisenerprobte Struktur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr umzustrukturieren. „Bislang hat die Bevölkerung von der engen Zusammenarbeit zwischen zivilem und militärischem Medizinpersonal profitiert. Das droht mit der Umstrukturierung zerstört zu werden. Praxen, Kliniken, Sanitätsdienst, aber zum Beispiel auch Apotheken und Gesundheitsämter – jede Maßnahme, die eine Säule der Versorgung empfindlich schwächt, schadet uns allen“, warnte Heinrich.