Virtuelle Netzhaut: Neue Behandlungsmethoden für Sehverlust erschließen

Das Verständnis wie sich die Netzhaut entwickelt, könnte auch helfen neue Behandlungsmethoden für Netzhauterkrankungen zu entwickeln. Britische Forscher haben nun mithilfe eines Computermodells wichtige Phasen der Retinogenese simuliert.Symbolbild: 3D-Illustration der Retina.©LASZLO-stock.adobe.com

Neue Computermodelle könnten Wissenschaftlern helfen, besser zu verstehen, wie sich die Netzhaut regeneriert. Das würde den Weg für neue Behandlungsmethoden bei Sehverlust ebnen, wie eine Studie der University of Surrey, Guildford, Großbritannien zeigt.

Das Modell ist den Forschern zufolge das erste seiner Art. Es sei in der Lage, detailliert darzustellen, wie die Netzhaut ihre komplexe Struktur aus nur einem einzigen Stammzelltyp aufbauen kann. Damit könnte es unser Verständnis davon vertiefen, wie sich das Sehvermögen entwickelt. Diese Erkenntnisse könnten für die Erforschung von Verletzungen oder Erkrankungen von Bedeutung sein.

Simulation wichtiger Phasen der Retinogenese

Das Forschungsteam hat mithilfe fortschrittlicher Agens-basierter Modellierung wichtige Phasen der Retinogenese simuliert. Bei diesem Prozess diversifizieren sich identische Vorläuferzellen zu den sechs Arten von Neuronen, aus denen die Netzhaut besteht.

Das Modell zeigt, wie einfache genetische Regeln und subtile Zufälligkeiten zusammenwirken, um die präzise Schichtarchitektur der Netzhaut zu bilden.

Vorgestellt wurde die Arbeit auf der International Work-Conference on Bioinformatics and Biomedical Engineerin (IWWBIO) 2025. Die Erkenntnisse der Studie wurden in den Lecture Notes in Computer Science (LNCS) veröffentlicht. 

Organisation der Zellen durch intrinsische Verzerrung und Zufall

Cayla Harris, leitende Forscherin der Nature Inspired Computing and Engineering Group der University of Surrey, erklärte: „Das Schöne an der Biologie ist, dass aus einfachen Regeln komplexe Strukturen entstehen können. Unsere Simulationen zeigen, wie sich genetisch identische Zellen durch intrinsische Verzerrung und Zufall selbst zu den hochgradig geordneten Schichten der Netzhaut organisieren können – ein Muster, das die Grundlage dafür bildet, wie wir die Welt sehen.“

Mithilfe der Softwareplattform BioDynaMo modellierte das Team virtuelle Zellen. Diese waren in der Lage zu wachsen, sich zu teilen und auf der Grundlage einer internen Genregulationslogik Entscheidungen über ihr Schicksal zu treffen. Dabei ahmen sie biologisches Verhalten nach. Die Forscher testeten verschiedene Netzwerkdesigns, um zu untersuchen, wie Gene interagieren könnten, wenn Zellen entscheiden, zu welcher Art von Neuron sie werden.

Netzhautzellen treffen Schicksalsentscheidungen durch überlappende und flexible genetische Pfade

Zwei bestimmte Designs – das Reentry- und das Multidirectional-Modell – reproduzierten reale biologische Daten am genauesten. Das deutet den Wissenschaftlern zufolge darauf hin, dass Netzhautzellen ihre Schicksalsentscheidungen eher durch überlappende und flexible genetische Pfade als durch eine feste Abfolge treffen.

Dieser Ansatz könnte Forschern zum einen helfen, die gesunde Entwicklung des Auges besser zu verstehen. Aber auch für die Untersuchung von Netzhauterkrankungen und in der regenerativen Forschung könnte diese Studie wertvoll sein.

Dr. Roman Bauer, leitender Autor der Studie von der University of Surrey, fügte hinzu: „Computermodelle bieten uns eine leistungsstarke Möglichkeit, biologische Prozesse zu erforschen, die wir in Echtzeit nicht ohne Weiteres beobachten können. Durch die Simulation der Entscheidungen und Interaktionen jeder einzelnen Zelle können wir Hypothesen darüber testen, wie Gewebe wie die Netzhaut entstehen – und wie sie bei Schäden wiederhergestellt werden können.“

Diese Forschung wird vom Engineering and Physical Sciences Research Council (EPSRC) unterstützt. 

(sas/BIERMANN)