Visuelle Reize: Das Sehsystem durch Augen der KI11. April 2025 Das Bild zeigt mehr als 1.000 der 120.000 Gehirnzellen (Neuronen + Glia), die im Rahmen des MICRONS-Projekts rekonstruiert wurden.Illustration.©The MICrONS Project Mit Künstlicher Intelligenz (KI) das Sehsystem im Gehirn verstehen: Ein internationales Forschungsteam (MICrONS) hat mit Beteiligung der Universität Göttingen neue KI-Modelle entwickelt, um die komplexe Verarbeitung von visuellen Reizen im Gehirn zu entschlüsseln. Die Wissenschaftler untersuchten, wie Form, Verschaltungsmuster und Aktivität von Nervenzellen im Mäusegehirn zusammenhängen. Die zentralen Ergebnisse des Projektes wurden in einer Reihe von Artikeln in den Fachzeitschriften „Nature“ und „Nature Communications“ veröffentlicht. Neues KI-Modell Die Studie „Foundation Model of Neural Activity Predicts Response to New Stimulus Types and Anatomy“ stellt ein neues KI-Modell vor, das aus großen Datenmengen gelernt hat und sich flexibel auf neue Aufgaben übertragen lässt. Das Team analysierte dazu über 135.000 Nervenzellen im Sehsystem von Mäusen und entwickelte ein Modell, das zuverlässig neuronale Reaktionen auf neue Reize voraussagt – sogar auf solche, die es während des Trainings nie gesehen hat. „Unser Modell kann beispielsweise Antworten auf kohärente Bewegungsmuster, Rauschbilder und statische natürliche Bilder vorhersagen, ohne jemals mit diesen Reizarten konfrontiert worden zu sein“, erklärt Prof. Fabian Sinz vom Institut für Informatik und dem Campus-Institut Data Science der Universität Göttingen, der das Modell mitentwickelt hat. Diese Arten von Reizen sind entscheidend für das Verständnis neuronaler Informationsverarbeitung. Pyramidenzellen sind vielfältiger als angenommen In einer weiteren Studie untersuchte das Team die Form und Struktur von bestimmten Nervenzellen im Sehbereich des Gehirns, dem sogenannten visuellen Kortex. „An unsupervised map of excitatory neurons’ dendritic morphology in the mouse visual cortex“ zeigt, dass die Pyramidenzellen vielfältiger sind als bisher angenommen. Der Leiter der Studie, Prof. Alexander Ecker vom selben Institut, erklärt: „Wir haben Verfahren des maschinellen Lernens entwickelt, welche die komplexe 3D-Form einer Nervenzelle in einer Art Strichcode kodieren. Diese Strichcodes können dann visualisiert und analysiert werden.“ Anhand von 30.000 Pyramidenzellen fanden die Forscher heraus, dass diese fließende Übergänge zwischen Zelltypen aufweisen, anstatt klar abgegrenzter Typen. MICrONS Multi-Area Datensatz Am MICrONS-Projekt, in dessen Rahmen die beiden Studien entstanden, waren zahlreiche Forschungseinrichtungen beteiligt – darunter das Baylor College of Medicine, das Allen Institute for Brain Science und die Princeton University. Im Rahmen dieses Projektes erstellte das Team den „MICrONS Multi-Area Datensatz“. Er umfasst sowohl die Struktur und die Vernetzung von Nervenzellen als auch ihre Antworteigenschaften auf verschiedene visuelle Reize. Derzeit ist es, nach Angaben der Forscher, der größte Datensatz dieser Art, der jemals in einem Säugetiergehirn erhoben wurde. Die Daten wurden in der Hauptstudie „Functional Connectomics Spanning Multiple Areas of Mouse Visual Cortex“ beschrieben. Funktionelle und anatomische Eigenschaften der Nervenzellen sind eng verknüpft Die von den Göttinger Forschern mitentwickelten Modelle wurden unter anderem dazu genutzt, einen „digitalen Zwilling“ der Nervenzellen des MICrONS-Datensatzes zu erstellen. Dieser digitale Zwilling konnte Form und Struktur von Pyramidenzellen erfolgreich vorhersagen, ohne dass anatomische Informationen für das Training verwendet wurden. Das deutet den Wissenschaftlern zufolge darauf hin, dass funktionelle und anatomische Eigenschaften von Nervenzellen eng miteinander verknüpft sind. Die Forschungsergebnisse liefern wichtige Einblicke in die Organisation des Gehirns und könnten künftig dazu beitragen, effizientere neurowissenschaftliche Experimente zu ermöglichen, wie die Wissenschaftler betonen. Statt aufwändige und zeitintensive Experimente in vivo durchzuführen, könnten Forscher zunächst Experimente in silico durchführen, um vielversprechende Hypothesen zu identifizieren und diese erst anschließend in Experimenten zu verifizieren.
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