„Visuelles Ohr” – Reduzierte Inhibition von Gehirnsignalen5. April 2019 Foto: © agsandrew – Fotolia.com Der synästhesieähnlicher Effekt „visuelles Ohr” könnte laut einer aktuellen STudie auf eine reduzierte Inhibition von Signalen zurückzuführen sein, die sich zwischen visuellen und auditiven Bereichen des Gehirns hin- und herbewegen. Es ist die erste Untersuchung, die einen Einblick in die Gehirnmechanismen gibt, die solche Hörempfindungen, bei denen Menschen geräuschlose Blitzlichter oder Bewegungen „hören“, wie beispielsweise in weit verbreiteten „lauten GIFs“ und Memen, erzeugen – auch bekannt unter der Bezeichnung „visuell hervorgerufene auditive Reaktion“ (oder vEAR bzw. „visuelles Ohr“). Eine Theorie besagt, dass Bereiche des Gehirns, die für die visuelle und auditive Verarbeitung verantwortlich sind, im Normalfalle miteinander konkurrieren. Vorliegende Untersuchung legt jedoch nahe, dass diese Bereiche eventuell miteinander kooperieren bei Personen, die über ein visuelles Ohr verfügen. Zudem wurde auch festgestellt, dass Musiker, die an der Studie teilnahmen, beträchtlich häufiger berichteten, dass sie über ein visuelles Ohr verfügten als Nicht-Musiker. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass eine musikalische Ausbildung wahrscheinlich die zeitgleiche Aufmerksamkeit auf den Klang der Musik und das visuelle Wahrnehmen der Bewegungsabläufe des Dirigenten oder anderer Musiker unterstützt. Dr. Elliot Freeman, Leiter der Studie und Dozent für Psychologie an der City University of London, sagte: „Wir wussten bereits, dass bestimmte Menschen hören, was sie visuell wahrnehmen. Blinklichter, blinkende Neon-Reklameschilder und Gehbewegungen von Menschen können alle ein Hörempfinden auslösen. Unsere neueste Studie zeigt gewöhnlich auftretende, individuelle Unterschiede, was die Interaktion unseres Sehsinns und unseres Gehörs anbelangt. Wir haben herausgefunden, dass Menschen mit „visuellen Ohren“ beide Sinne gleichzeitig nutzen können, um geräuschlose Bewegungen sowohl zu sehen und als auch zu „hören“, während bei anderen Personen das Hören beim Anschauen solcher visueller Sequenzen gehemmt wird.“ Einige Neurowissenschaftler sind der Auffassung, dass das visuelle Ohr als eine Art Synästhesie verstanden werden kann, wobei andere Beispiele wie Musik, Buchstaben oder Zahlen herangezogen werden können, die zu Farbwahrnehmungen führen können. Das visuelle Gehör scheint jedoch am weitesten verbreitet zu sein, wobei bis zu 20% der Befragten von dafür typischen Erfahrungen berichteten, im Vergleich zu 4,4% im Falle anderer Formen der Synästhesie. Das Krankheitsbild hat aufgrund der aktuellen Beliebtheit des GIF eines ‚seilhüpfenden Hochspannungsmasten‘ und anderer „lauter GIFs“, die eine geräuschlose Bewegung bildlich darstellen, mehr Aufmerksamkeit erfahren. Diese löst bei bestimmten Menschen sehr lebhafte, visuell-auditive Wahrnehmungen aus. Um Aufschluss darüber zu geben, was sich im Gehirn eigentlich abspielt, wenn Menschen solche Inhalte ansehen, haben die Forscher einen schwachen Wechselstrom an die Kopfhaut der Teilnehmer gelegt. Mit dieser Technik – transkranielle Stimulation mittels Wechselstrom (tACS) – wurden die Wechselwirkungen zwischen den visuellen und auditiven Bereichen des Gehirns bei Personen mit und ohne visuellem Ohr untersucht. Das erste Experiment der Untersuchung wurde an 36 gesunden Teilnehmern, darunter 16 klassische Musiker des London Royal College of Music durchgeführt. Allen wurden auditive und visuelle „Morse-Code“-Sequenzen gezeigt während die tACS entweder am Hinterkopf (visuelle Bereiche des Gehirns) oder an der Kopfseite (auditive Bereiche) mit einer „Alpha-Frequenz“-tACS-Stimulation erfolgte. Basierend auf den Ergebnissen wurden die Teilnehmer eingeteilt in zwei Gruppen: mit visuellem oder nicht visuellem Ohr, je nachdem, ob sie die geräuschlosen Blitzlichter „hörten“ oder nicht. Die Forscher fanden heraus, dass bei Teilnehmern ohne visuelles Ohr, die Alpha-Frequenz-Stimulation in den auditiven Bereichen des Gehirns die Hörleistung erheblich reduzierte, die Sehleistung jedoch verbesserte, während genau das Gegenteil mit der gleichen Stimulationsfrequenz in den visuellen Bereichen des Gehirns (schlechteres Sehen, besseres Hören) zutraf. Diese Gegenseitigkeit deutet laut Studie auf eine umkämpfte Wechselwirkung zwischen visuellen und auditiven Gehirnbereichen hin, wobei beide im Normalfalle die Leistung des anderen behindern. Diese Wechselwirkungen waren jedoch bei den Teilnehmern mit visuellem Ohr nicht vorhanden, was darauf hindeute, dass ihre auditiven und visuellen Gehirnbereiche nicht miteinander konkurrieren, sondern miteinander kooperieren. Ein zweites Experiment wurde durchgeführt, um zu sehen, ob selbst Menschen ohne bewusste Wahrnehmung des „visuellen Ohrs“ manchmal ihre auditiven Gehirnbereiche ausschließlich für visuelle Beurteilungen verwenden. Es stellte sich heraus, dass dies in der Tat für einige der Fall sein könnte, bei denen die Stimulation in Hörbereichen des Gehirns die Genauigkeit der visuellen Beurteilung fast ebenso stark beeinträchtigte wie die Stimulation visueller Bereiche. Alle Ergebnisse dieser Experimente zusammengenommen bekräftigen eine weit verbreitete Theorie, laut der bestimmte Arten der Synästhesie von einer Enthemmung bereits vorhandener neuronaler Querverbindungen zwischen sensoriellen Gehirnbereichen abhängen, die normalerweise inaktiv sind. Wenn diese Verbindungen nicht gehemmt werden, kann dies zu einer bewussten Wahrnehmung des visuellen Ohrs und anderer synästhetischer Phänomene führen. „Wir haben auch feststellen können, dass Teilnehmer mit visuellem Ohr im Durchschnitt sowohl bei den visuellen als auch den auditiven Aufgaben bessere Ergebnisse erzielten, als diejenigen ohne visuelles Ohr. Vielleicht wirkt sich ihre audio-visuelle Kooperation positiv auf die Leistung aus, da ein Großteil des Gehirns an der Verarbeitung visueller Reize beteiligt ist. Eine solche Kooperation könnte auch der musikalischen Leistung zugute kommen und erklären, warum so viele der getesteten Musiker von einem visuellen Ohr berichtet haben“, erläuterte Freemann.
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