Vom Feind zum Helfer: Immunzellen können Blutgerinnsel auflösen

Dreidimensionale Illustration einer Neutrophile. (Quelle: © Sebastian Kaulitzki – stock.adobe.com)

Ein Forschungsteam des LMU Klinikums München und des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) hat eine bisher unbekannte Rolle bestimmter Immunzellen bei der Auflösung von Blutgerinnseln entdeckt.

Immunzellen wie Neutrophile und Monozyten galten bislang vor allem als Mitverursacher von Thrombosen. Die neue Studie zeigt jedoch, dass diese Zellen auch eine heilende Rolle spielen können – vorausgesetzt, sie sind in der richtigen „Stimmung“.

Ein Blick ins Gerinnsel

Für ihre Untersuchungen nutzten die Forschenden Thromben, die im Rahmen mechanischer Thrombektomien bei Schlaganfall-Patienten entnommen wurden. Dies ermöglichte den Zugriff auf frisches Thrombusmaterial während der akuten Krankheitsphase. Zusätzlich wurden Blutproben derselben Patienten analysiert, um die Immunzellzusammensetzung im Thrombus mit der im Blut zu vergleichen.

Mittels Einzelzelltechnologien wie Single-Cell RNA-Sequenzierung und CITE-seq konnten die beteiligten Immunzellen mit hoher Auflösung charakterisiert werden. Ergänzend kamen Mausmodelle und In-vitro Experimente zum Einsatz, um die beobachteten Mechanismen funktionell zu bestätigen.

Immunzellen helfen bei der Thrombusauflösung

Die Forschenden fanden heraus, dass bestimmte Monozyten – sogenannte nichtklassische Monozyten – Neutrophile anlocken, die sich im sauerstoffarmen Milieu des Thrombus in eine Form umwandeln, die blutgerinnselauflösende Enzyme produziert, insbesondere den Urokinase-Rezeptor (PLAUR). Die Autoren nennen diesen Prozess „Immunothrombolyse“.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Immunzellen nicht nur Schaden anrichten, sondern auch helfen können, Thromben wieder aufzulösen“, erklärt Dr. Kami Pekayvaz, Erstautor der Studie und Clinician Scientist an der Medizinischen Klinik I des LMU Klinikums. „Diese Erkenntnis eröffnet ganz neue therapeutische Möglichkeiten.“

Neue Wege in der Thrombosebehandlung

Besonders interessant ist: Wird ein bestimmter Signalweg in den Neutrophilen künstlich aktiviert – der sogenannte HIF1a-Signalweg – entwickeln die Zellen verstärkt thrombusauflösende Eigenschaften. Wenn der Mechanismus blockiert wurde, lösten sich die Thromben bei betroffenen Mäusen deutlich schlechter auf.

„Bisherige Medikamente zur Thrombolyse wirken zwar schnell, erhöhen aber das Risiko für gefährliche Blutungen“, erklärt Prof. Konstantin Stark, Letztautor der Studie und Leitender Oberarzt an der Medizinischen Klinik I des LMU Klinikums. „Wenn es gelingt, die körpereigene Immunabwehr gezielt so zu steuern, dass sie Thromben auflöst, könnte das eine schonendere Behandlungsform sein.“

Ein neues Bild vom Blutgerinnsel

Den Forschenden zufolge liefert die Studie eine detaillierte Landkarte der Immunzellaktivität im Thrombus – sowohl beim Menschen als auch in Tiermodellen. Sie zeigt, dass sich Thromben nach ihrer Entstehung dynamisch verändern können und dabei auch immunologisch getriebene heilende Prozesse stattfinden. Die Erkenntnisse könnten langfristig helfen, neue Therapien in der Behandlung von Thrombosen zu entwickeln, welche gefährliche Blutungsnebenwirkungen umgehen.