Von der endothelialen Dysfunktion zu (Prä-)Diabetes

Die Erkenntnisse aus der Langzeitstudie von Prof. Thomas Münzel und Omar Hahad wurden im „Journal of the American Heart Association“ veröffentlicht. Foto: © Thomas Böhm (Universitätsmedizin Mainz)

Eine endotheliale Dysfunktion erhöht das Risiko, eine Vorstufe des Diabetes mellitus zu entwickeln. Das haben Wissenschaftler um Prof. Thomas Münzel und Omar Hahad anhand von Daten der Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS) der Universitätsmedizin Mainz erstmalig nachgewiesen. Diese neuen Erkenntnisse wurden kürzlich im „Journal of the American Heart Association“ veröffentlicht.

Münzel und Hahad vom Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz konnten empirisch nachweisen, dass eine Funktionsstörung der endothelialen Zellen in den kleinen Arterien das Risiko erhöht, an einem Prädiabetes oder Typ-2-Diabetes zu erkranken.

Eine weitere Erkenntnis ist, dass die Störung der Endothelfunktion sich langfristig auswirken kann: Münzel und Hahad haben aufgezeigt, dass der HbA1c-Wert nach fünf Jahren eng an die gestörte Funktion der Endothelzellen gekoppelt ist.

„Unsere Studienergebnisse zeigen auf, dass eine endotheliale Dysfunktion der kleinen Arterien nicht nur eine Folge des Typ-2-Diabetes darstellt, sondern auch der Entwicklung eines Diabetes vorausgehen kann”, erläutern Münzel, Direktor der Kardiologie I und Studienleiter Hahad.

Laut Schätzungen der International Diabetes Federation ist zu erwarten, dass bis zum Jahr 2045 weltweit voraussichtlich knapp 700 Millionen Menschen an Diabetes mellitus erkrankt sind. Mit der Entstehung der Erkrankung ist ein erhöhter Blutzuckerspiegel der Patienten verbunden. In der Folge entwickeln die Blutgefäße der Diabetiker eine endotheliale Dysfunktion. Das führt dazu, dass Ablagerungen in den Blutgefäßen zunehmen. Die Folge: Kleine Partikel der Ablagerungen können die Gefäße verstopfen und einen Herzinfarkt oder Schlaganfall auslösen. Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes sind diese Krankheitsereignisse die Haupttodesursache.

Die Ergebnisse von Münzel und Hahad basieren auf Daten von Teilnehmern an der Gutenberg-Gesundheitsstudie, bei denen weder Prädiabetes noch Typ-2-Diabetes vorlagen. Die Wissenschaftler setzten die Technik der Volumenplethysmographie ein, ein Messverfahren, mit dem aufgrund von Volumenschwankungen die Endothelfunktion insbesondere der kleinen Gefäße bestimmt werden kann.

Münzel und Hahad forschen weiter: „Inwieweit diese Ergebnisse entscheidend für die Risikoabschätzung sein können, ob ein Patient voraussichtlich an Diabetes mellitus erkranken wird, soll Gegenstand zukünftiger Studien sein“, erläutert Münzel.

Über die Gutenberg-Gesundheitsstudie

Die Gutenberg Gesundheitsstudie (GHS) ist eine interdisziplinäre, populationsbasierte, prospektive, monozentrische Kohorten-Studie, die seit 2007 an der Universitätsmedizin Mainz durchgeführt wird. Im Fokus der Studie stehen die Erforschung des Herz-Kreislauf-Systems, aber auch Erkrankungen des Stoffwechsel- und Immunsystems, der Psyche, der Lunge, der Niere, der Augen, des Gehörs und der Haut sowie die Entstehung von Krebserkrankungen. Hierzu werden Lebensstil, psychosoziale Faktoren, Umwelt, laborchemische Parameter sowie das Ausmaß der subklinischen Erkrankung berücksichtigt. Eine umfangreiche Biomaterialbank ermöglicht molekularbiologische Untersuchungen.

Im Rahmen der Basisuntersuchung wurden rund 15.000 Individuen aus der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt und dem Landkreis Mainz-Bingen im Alter von 35 bis 74 Jahren zu einem fünfstündigen Untersuchungsprogramm in das Studienzentrum eingeladen. Nach 2,5 Jahren fand ein computerassistiertes Telefoninterview (CATI) mit einem standardisierten Interview sowie einer Erhebung auftretender Erkrankungen und Beschwerden statt.

Fünf und zehn Jahre nach Einschluss in die Studie stand eine erneute ausführliche Follow-up-Untersuchung der Teilnehmer im Studienzentrum ähnlich der Eingangsuntersuchung auf dem Studienplan. In der zweiten Phase der Studie (seit Mai 2017) waren die Studienteilnehmer zwischen 45 und 84 Jahren alt. Die Erkenntnisse sollen helfen, die medizinische Prävention, Diagnostik und Therapie zu verbessern.

Publikation: Omar Hahad, Philipp S. Wild, Jürgen H. Prochaska, Andreas Schulz, Iris Hermanns, Karl J. Lackner, Norbert Pfeiffer, Irene Schmidtmann, Manfred Beutel, Tommaso Gori, John E. Deanfield, Thomas Münzel. Endothelial Function Assessed by Digital Volume Plethysmography Predicts the Development and Progression of Type 2 Diabetes Mellitus. J Am Heart Assoc. 2019;8:e012509.
https://doi.org/10.1161/JAHA.119.012509