Von der Schweiz lernen?11. November 2024 Bild: Ricardo – stock.adobe.com Ob, oder was die Schweiz bei diversen Themenfeldern in O&U anders macht als Deutschland, darüber gaben Referenten aus der Alpenrepublik auf dem DKOU einen Überblick. Die Schweiz war 2024 Gastland auf dem DKOU in Berlin. Das Schweizer Gesundheitssystem ist ebenso hochwertig wie kostenintensiv“, sagte DGOOC-Kongresspräsident Prof. Markus Scheibel im Interview mit den Orthopädischen-Unfallchirurgischen Nachrichten in der DKOU-Kongressausgabe. Zudem seien die Kostentreiber mit Deutschland vergleichbar und ebenso konzentriere sich die Schweiz auf den technologischen und digitalen Wandel. Scheibel, der unter anderem an der Schulthess Klinik in Zürich arbeitet, leitete auch zusammen mit dem Generalsekrätär DGOU/DGU, Prof. Dietmar Pennig, und dem Präsident von Swiss Orthopaedics, der Schweizerischen Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie des Bewegungsapparats, Prof. Mathias Zumstein aus Bern, eine Session, die auf Besonderheiten des Faches in der Schweiz fokussiert. MDR difuntional, FDA „inspirierend“ Der Schweizer Michael Meier von der MMEX GmbH fragte, ob Europa und die Schweiz von den USA bezüglich der Medizinprodukte noch lernen könnten und kam zu dem Schluss, dass die FDA ein funktionierendes und „inspirierendes“ Zulassungssystem gegenüber der disfunktionalen MDR aus Europa sei. Das Verfahren in Europa sei unkalkulierbar teuer, kritisierte er und auch die Versorgungssicherheit mit Produkten derzeit ungenügend. Pennig stimmte ihm zu, auch für Deutschland sei es eine Katastrophe, was die MDR-Entscheidung für die so wichtigen Nischenprodukte in der Medizin angerichtet habe. „Lohnende Registerarbeit“ mit noch ungelösten Fragen Bernhard Christen von der Articon Spezialpraxis für Gelenkchirurgie aus Bern stellte das Schweizer Prothesenregister SIRIS vor, in dem seit 2012 rund 500.000 Eingriffe bei Hüfte und Knie erfasst wurden. Vierteljählich gingen Berichte daraus an die Schweizer Spitäler, einmal im Jahr Reports an die Chirurgen, von denen es 1400 aktive in der Schweiz gibt. Die Registerarbeit habe sich gelohnt, da Kliniken mit schlechten Outcomes klar zu identifizieren seien, bis hinunter auf den einzelnen Operateur, so Christen. Ob es ein „Penalty-System“ gebe, wollte Scheibel wissen, was Christen verneinte. Alles sei derzeit „auf freiwilliger Basis, doch wir müssen das Thema angehen“, betonte er. Ein Problem sei zudem die Datennutzung, die Patienten durch einen rigiden Datenschutz leider zu oft verweigerten, sowie die zukünftige Finanzierung der Registerarbeit. Motivation zur freiwilligen Zertifizierung nötig Das Swiss Excellence Label wurde von Dr. Stepan Hein (Orthopädie am See, Kreuzlingen) vorgestellt. Es sei ein freiwilliges Label, das Ärzte individuell erwerben und „sich an die Brust hängen können“. Auch wenn der intrinsische Widerstand hoch sei, hoffe man, die Mediziner zu motivieren, sich zu evaluieren, um die Qualität ihrer Arbeit zu sichern. Bei einem Anteil von 40 Prozent ausländischer Ärzte in der Schweiz (Orthopädie 50 %) mit unterschiedlicher Ausbildung mache dies auch Sinn. Mit bis zu 3400 Schweizer Franken hat das Label seinen Preis, ist aber fünf Jahre gültig und kann für 500 Schweizer Franken rezertifizert werden. Bei technischen Innovationen nicht die Biologie aus dem Blick verlieren Prof. Mazda Farshad vom Universitätspital Balgrist, Zürich, beschäftigte sich mit den technischen Evolutionen in der Orthopädie, die ein Einsparpotenzial in Milliardenhöhe mit sich bringen würden. „Doch“, so Farschad, „müssen diese kritisch betrachtet und evaluiert werden.“ „Ist ihr Einsatz wirklich notwendig und zielführend?“, fragte er. Vielleicht könne man durch den zunehmenden Einsatz von Augmented Reality in der Navigation bald die Lücke zwischen sehr guten und weniger guten Chirurgen ausgleichen, äußerte Zumstein seine Hoffnung. Ob man hier wirklich noch die letzen zehn Prozent Verbesserungen in Kliniken herausholen könne, fragte Scheibel. Gerade die schon guten Operateure werden noch mehr von diesen neuen Techniken profitieren und ihre Leistungen steigern, meinte Zumstein. „Bei all der Fazsination der Technik dürfen wir aber nicht den Fokus auf die Biologie und die Entwicklungen in der Molekularforschung verlieren“, gab Scheibel zu bedenken. Freiwillige statt „politisch erzwungene” Reform bei der unfallchirurgischen Weiterbildung Abschließend referierte Prof. Karim Eid vom Kantonspital Baden über die Genese der Weiterbildung Schwerpunkt „spezialisierte Traumatologie“ in der Schweiz, ähnlich der „speziellen Unfallchirurgie“ in Deutschland. Er berichtete über Bedenken, aber auch Chancen, die in der noch jungen Weiterbildungsinitiative (genehmigt im Juni 2023) liegen. „Bisher hat noch kein Kandidat die Prüfung abgelegt“, so Eid. Dies sei ein spannendes Projekt und zeige ähnliche Entwicklungen im deutschen Sprachraum auf, kommentierte Pennig. Der Unterschied zu Deutschland aber sei, dass das Programm in der Schweiz aus eigener Initiative entstanden sei. „In Deutschland war es ein politischer Wille“, so Pennig. „Wir mussten.“ (hr)
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