Von gesunden Stammzellen zum Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinom

Repräsentative Immunfluoreszenzbilder zeigen normale orale Epithelzellen (l.) und frühe Stadien von Mundhöhlenkrebs (r., mit blauen Zellen, die in das Stroma eindringen) nur 20 Tage nach Aktivierung des YAP-Proteins in Kombination mit HPV-Onkogenen (r.). Makrophagen (rosafarbene Zellen) sind bei Krebs stärker ausgeprägt, und umprogrammierte Immunzellen, die die Immunumgehung und Tumorinvasion erleichtern, häufen sich während der Krebsentstehung. Abbildung: UC San Diego Health Sciences

Forschende der University of California San Diego (USA) haben herausgefunden, wie sich gesunde Stammzellen im Frühstadium von Kopf-Hals-Karzinomen in Krebsstammzellen verwandeln. Ein Transkriptionsfaktor spielt dabei eine Schlüsselrolle.

Schätzungen zufolge sind etwa 30 Prozent der Fälle von Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinomen mit  Humane Papillomaviren (HPV) assoziiert. Durch die Aktivierung eines Signalproteins namens YAP (yes-associated protein, ein Transkriptionsfaktor, der normalerweise an der Aufrechterhaltung und Wachstumsförderung von Stammzellen beteiligt ist) in Kombination mit HPV-Onkogenen löste das Team aus San Diego eine Kaskade von zellulären und molekularen Veränderungen aus, die in einem Mausmodell normale Stammzellen in Krebszellen umprogrammierten.

Die Studie ist die erste, die Technologien wie die Zellverfolgung (Markierung von Zellen, um ihre Vermehrung im Laufe der Zeit zu verfolgen) und die Multiomik (Analyse molekularer Daten aus der Genomik, der RNA-Transkription, der Proteinexpression, epigenetischer Veränderungen und zellulärer Stoffwechselprodukte zum Verständnis der Krankheitsentwicklung) auf Ebene einer einzelnen Zelle einsetzt, um das Fortschreiten der Veränderungen in einem lebenden Organismus in Echtzeit zu verfolgen.

„Wir können genau verstehen, wie ein Zellzustand in einen anderen übergeht und die sehr, sehr frühen Ereignisse bei der Tumorentstehung und nicht den Endzustand des Krebses identifizieren“, fasste der Hauptautor J. Silvio Gutkind, Ph.D., von der UC San Diego School of Medicine die Studienergebnisse zusammen.

Das Team um Gutkind konnte zeigen, dass die Aktivierung von YAP in Kombination mit HPV-Onkogenen innerhalb von nur zehn Tagen zu invasivem Krebs führte. Dabei kam es zu einem Verlust der normalen Zellidentität, indem die normale Zelldifferenzierung gestoppt wurde, was zur Erlangung eines mobileren und invasiveren Zustands führte. Darüber hinaus führte die YAP-Aktivierung in Kombination mit HPV-Onkogenen zu unkontrollierter Zellproliferation durch die Förderung epigenetischer Veränderungen und die Stimulierung von Signalwegen, die mit dem Wachstum, dem Überleben und der Migration von Karzinomzellen zusammenhängen. Eine weitere Folge war die Ausschüttung von Faktoren, die Immunzellen rekrutierten und umprogrammierten, um Gewebebarrieren zu durchbrechen, sich der Immunerkennung zu entziehen und die Invasion von Tumorzellen zu erleichtern.

Der nächste Schritt besteht Gutkind zufolge darin mithilfe derselben Technologien zu verstehen, was zur Entwicklung normaler Stammzellen zu Krebsstammzellen bei HPV-negativem Kopf-Hals-Krebs führt. Sein Team untersucht auch, ob kürzlich entwickelte Medikamente, die die YAP-Funktion blockieren, eine neue Therapieoption sein könnten.

Gutkind ergänzte, dass die Forschung den Weg für die Entwicklung von Therapeutika ebnet, die auf HPV-positive Krebsarten in ihren frühesten Stadien abzielen und verweist auf Metformin als vielversprechenden Kandidaten. An der UC San Diego wird derzeit eine klinische Studie durchgeführt, um zu prüfen, ob Metformin beispielsweise bei Patienten mit prämalignen Veränderungen im Kopf-Hals-Bereich in den YAP-Signalweg eingreift.